Sockenpapst  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 16.01.2017 08:55 Uhr
Thema: The Technomancer Antwort auf: "durchgezockt!" Geschichten aus dem Laufwerk - 2011-2015 von dixip
Aus der lustigen Crosspost-Reihe:

Seit ich das erste Mal vom Technomancer gehört habe, war mir klar, dass ich das Ding haben muss - egal wie durchwachsen die Reviews auch ausfallen, schnurzpiepe wie unbeachtet das Game öffentlich auch bleibt. Die Vorstellung, hier eine Art düsteres KotOR zu bekommen, war einfach zu verlockend.

Und genau das habe ich auch bekommen. Allerdings in ziemlich billig.

Das Spiel orientiert sich schon extrem an den älteren Konsolen-Biowares; namentlich vor allem an Jade Empire, dem ersten Mass Effect und vor allem natürlich KotOR: Man streift in einer Dreiergruppe durch räumlich ziemlich kleine Areale, hat viele viele Dialoge, meist mit Entscheidungsspielraum, und verliert die Hauptstory ob der Masse an Sidequests gern mal aus den Augen. Das Setting - auf dem von der Erde abgeschnittenen Mars herrscht ein lustiger Bürgerkrieg, man selbst ist als eine Art Elektro-Jedi mittendrin - reißt zwar keine Bäume aus, gefällt aber mit seiner wilden Mischung verschiedener Stilrichtungen: Ein bisschen Stalinismus hier, ein bisserl Klischee-Orient dort, abgeschmeckt mit ordentlich Total Recall. Und das Kampfsystem (aktiv, sehr nahkampflastig) weist mit den verschiedenen Kampfstilen, zwischen denen man flexibel wechselt, theoretisch einiges an Tiefe auf.

Aber hier verhält es sich so wie mit eigentlich allen Aspekten vom Technomancer:
Es fehlt Polish, es fehlt das Besondere, und letztlich fehlt ganz offensichtlich Budget. Konkret fallen 2 der 4 Kampfstile deutlich ab, zudem ist das Gehaue alles andere als präzise umgesetzt und wird gerade am Anfang schnell chaotisch, gerade auch deshalb, weil die KI von Freund und Feind eher peinlich ist. Man gewöhnt sich aber schnell an die Eigenheiten und hat Spaß.
Ähnliches zeigt sich bei den Quests: An und für sich abwechslungsreich und voller Ideen, gerade wenn man den etwas verwirrenden Start hinter sich gelassen hat, praktisch aber durch schwache Dialoge, mäßige Sprecher und vor allem durch eine ebenso irritierende wie durchgängige Ruppigkeit - selbst große Wendungen werden irre schnell abgefrühstückt - ins Mittelmaß gezerrt. Ein wenig mehr Eleganz beim Drehbuch hätte hier Wunder gewirkt. Charakterentwicklung? Ausrüstung? Crafting? Alles ok und durchaus motivierend, aber ohne jeden Hauch von Brillianz und nicht gerade tiefschürfend. Das Grafik und Sound keine Bäume ausreißen, muss ich an dieser Stelle dann wohl nicht mehr besonders betonen.

Das einzige, was hier wirklich aufreizend schlecht ist, ist die brutale Spielzeitstreckung durch unnötige Laufwege. Ständig wird man von Höcksken zu Stöcksken quer über die ganze - an und für sich sehr mickrige - gejagt, und regelmäßig verläuft man sich dank der unglaublich schlechten Karte bzw. den lachhaft verwinkelten Hubs. Es ist absolut irrwitzig, wie viel Rennerei auf den kleinen Arealen künstlich erzeugt wird. Ich hatte mit so ziemlich allen Nebenmissionen am Ende 32 Std. auf dem Tacho, ohne spielerisch unnötige Wanderungen wären es mit Sicherheit mindestens 5 weniger. Nuja.

Insgesamt bin ich dennoch sehr zufrieden und kann das Spiel eigentlich jedem empfehlen, der mal wieder Spaß an einem der o.g. Titel hätte und nicht allzu viel Wert auf hohe Production Values legt. The Technomancer ist einfach ein Titel, bei dem die Summe besser ist als die Einzelteile es eigentlich zuließen.
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