Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 18.07.2016 23:28 Uhr
Thema: Re:Macht man dabei eigentlich was nerviges? Antwort auf: Macht man dabei eigentlich was nerviges? von Icheherntion
>Oder warum der ganze Hass? Ich hätte jetzt gedacht, dass die Leute halt einfach nur irgendwo hinlaufen und gut. Aber den Reaktionen meiner Facebook-Gemeiende nach, scheinen die Spieler ja das schlimmste zu sein, seit Vuvuzelas Hip waren.

Echokammer. Etwas ist neu, Leute sehen das es existiert, Leute machen schlechte Witze darüber. Ende. Vorher waren es Minecraft-Fans, davor Youtuber-Fans, davor usw. usf. "Aaaah ich bin zu alt dafür", "Die Zivilisation wird untergehen!", genauso wie "2016 worstest year ev0r omgomgomg", seufz. Wenn es 1938 Twitter gegeben hätte, die Gags wären auch nicht besser gewesen. Mittlerweile haben die Leute, die nicht erst im hohen Erwachsenenalter angefangen haben Computer zu benutzen das Spiel so drölftausend mal durchgespielt, dass man schon jedes mal nervöse zuckungen kriegt, wenn man lustige Hashtags sieht. Wenn irgendein Promi stirbt, denke ich als zweites meist gleich "Ja, da wird im Internet wieder die Hammergag-Parade abgebrannt werden." Das M!-Forum als Labor hat das auch ganz gut abgebildet im Laufe der Jahre:

1. Phase: Ein prominenter Mensch stirbt. Im Internet passiert nichts.

2. Phase: S.o., im Internet werden Threads eröffnet mit "RIP n/t".

3. Phase: S.o., diesmal hinterfragen erste Poster die Praxis.

4. Phase: S.o., zusätzlich aber noch angereichert mit sehr lustigen Onelinern wie "Er war 1 heiliger n/t"

5. Phase (Aktuelle Phase): S.o., plus ("ARBLARBLARBLARLALRLARL".)³

>Also, nicht, dass ich das Spiel irgendwie gut fände, ich stimme membran da in seiner Beurteilung voll zu. Aber der Zorn kommt in erster Linie von Leuten, deren Freizeitbeschätigung aus Pro7, Saufen und gemeinsamen Empören besteht. OK, damit habe ich mir die Antwort im Prinzip schon selbst gegeben. Komisch ist es aber trotzdem, sonst regen sie sich wenigstens über was auf, was man mitbekommt.

Es geht mir persönlich gar nicht mehr darum, dass sich Leute aufregen. Leute regen sich immer auf. Wetter zu warm, Wetter zu kalt, normal. Vielleicht hatte ich über die Jahre hinweg auch einfach einen Overkill von all dem (Sehr wahrscheinlich sogar). Aber mittlerweile vermisse ich die Zeit der Privatmeinung. Als man Einsichten und Gedanken nur in kleinem Kreis äußerte. Da blieb man automatisch davor bewahrt, aufgedrängt zu bekommen, was der und der für ein furchtbarer Peinsack ist. Ich bin da gewiss nicht unschuldig! Aber es ist zu krass. Es gibt diesen katzundgoldt-Cartoon, wo die Figur an einem Fotostudio vorbeiläuft, in dessen Aushang ein Bild von einer nackten, schwangeren und tätowierten Frau mit Brille vorbeiläuft, und die Figur sich empört "Nackt, schwanger, und Brille, okay. Tattoo, Brille und Nackt - auch okay. Aber nackt, schwanger, tätowiert UND Brille? Eine dieser Sachen ist zu viel!"
Natürlich regt sich die Figur viel zu sehr über Quatsch auf, und das Extrem-Gaylord Max Goldt nackten, schwangeren Frauen nur allzu wenig abgewinnen kann muss auch bedacht werden. Aber ein wenig ist es schon so: Will ich die Intimpiercings von meinem Cousin aufgedrängt bekommen? Es reicht, wenn ich per Anekdoten erfahre, dass sie existieren. Ich brauche keinen Videobeweis. Solche Sachen halt.

Mir ist egal, was Leute von Pokemon GO halten, mir ist egal ob Leute es hassen. Genauso Superheldenfilme oder neue Call of Dutys. I could not give less fucks.

Aber man spürt auch eine Gier, ich habe sie ja selber gelebt, immer und zu allem seinen Senf ablassen zu müssen, immer alles besprochen zu wissen. Ich kann das nicht mehr ausstehen; ich hab alle Meinungen von jedem zu Allem gehört und alles was dabei rauskam ist die Erkenntnis, dass die allerallermeisten Leute langweilige Doofis sind und die, die wirklich nen Plan haben, wichtigeres zu tun haben, als im Internet irgendwelchen randoms ihre Expertise ungefragt vor den Latz zu knallen.

Ich hab letztens mit einem Freund aus Schulzeiten gechattet, und das Thema kam irgendwie auf die alten Leute von Früher. Da hatten wir einen in der Klasse, der war richtig offen und mit Wonne Nazi. Also, nicht "Nazi" (Er hatte persönlich nichts gegen die Etikettierung und hat immer gern davon erzählt, wie er als Kind am liebsten mit LEGO Konzentrationslager gebaut hat und sie anderen zeigte), aber halt exakt das, was heute die AfD bedient: National, egozentrisch, immer Rasse bei jedem Thema mitdenkend und in dem Bereich auf ständige Abgrenzung bedacht, und Frauen generell so knapp über dem Tier hierarchisch einordnend.

Der Typ war der absolute Freak; es gab wirklich KEINEN, der auch nur ansatzweise eine ähnlich "stabile" Weltanschauung hatte wie dieser Kollege. Heute könnte man mit seinen Ansichten, wenn man's halbwegs geschickt anstellt, mehr Stimmen auf Bundesebene holen als die SPD.

Und so wie Schober mit seinem "Ich hab hier mal die Grundwasseradern unter Fukushima mit Paint in Satellitenbilder eingezeichnet" ein Freak war, ist er heute die Norm. "Ich hab das mal eben für dich gegoogelt und erkläre dir das, weil ich da jetzt ein Experte drin bin" ist exakt dieselbe Denkweise wie "Hier, diesen Link habe ich bei pi-news gefunden, den MÜSST ihr lesen!!1".

>Ich wüsste jetzt aber nicht, wovon man einen Pokemon Go-Spieler von einem regulären Handy-Suchti unterscheiden kann. Oder ist es die Medien-Präsenz, die ihnen sauer aufstößt? Bleibt jetzt weniger Taff übrig, weil die aktuell zu viel über Pokemon berichten?

Kein Mensch unter 45 guckt noch Fernsehen. Die bitterste, aber ehrlichste Antwort wäre wohl: Die Leute hatten zu lange keinen Krieg.
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