Bullitt  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 05.04.2020 11:52 Uhr
Thema: Re:Wenn es denn nur die Jungen wären. Antwort auf: Re:Wenn es denn nur die Jungen wären. von dixip
>Natürlich versteh ich auch die Leute, die raus wollen, keine Frage.

Schön dass du jetzt auch das sagst und nicht den Hardliner heraushängen lässt, wie in gewissen anderen Ecken des Internets immer deutlicher wird.
Ich bekomme immer stärker das Kotzen und muss andere Foren dringend vermeiden, um zu verhindern dass mir der Kragen platzt.

Da gibt es selbsternannte Instanzen von Moral und Vernunft, die ernsthaft behaupten, das Niemand abseits von Einkaufen und Arbeit einen Grund habe, raus zu gehen. Weil sie selbst keinen sehen, also gibt es auch keinen, logisch.
Das sind bestimmt die Leute, die ein schön spießiges Eigenheim mit eigenen Garten haben und eine Frau, die dann das kalte Bier in den Garten liefert. Aber von anderen verlangen, auf das zu verzichten, welches sie selbst trotzdem haben.

In harten Zeiten zeigen sich von Menschen die wahren Eigenschaften, welche ansonsten schön kaschiert werden. Wie sich zeigt, haben viele selbsternannte Moralprediger kein Problem damit, dass andere in der Einsamkeit zu Grunde gehen und sich im Zweifelsfall den Strick nehmen - hauptsache sie können sich als die "Vernunft" hochspielen, und andere als unvernünftig und schuldig an der Ausbreitung einer globalen Pandemie bezeichnen.

Widerlich.

Wie man vielleicht heraushört, gehöre ich zu der Fraktion, die sich das Recht auf Verlassen der Wohnung nimmt. Ich gehe sonst ein so allein. Internet und Videotelefonie sind eine Linderung, aber kein 100%iger Ersatz für echte Kontakte und echte frische Luft. Die soziale Isolation nagt mittlerweile spürbar an mir, und das tägliche Rausgehen ist im doppelten Sinne des Wortes der einzige Lichtblick zur Zeit. Das lasse ich mir nicht nehmen.

Zum Glück sind sich auch die Experten relativ einig, dass komplette Ausgangssperren unsinnig und gesundheitlich gefährlich sind. Nur leider gibt "das Internet" einen feuchten Kericht auf Experten - lieber wird eine komplett verquere Definition von "gesunder Menschenverstand" als Schild vor sich her getragen.

Und nein, ich bin nicht kurz davor, mir die Pulsadern aufzuschneiden. Noch nicht. Damit das auch nicht so kommt, gibt es eine ziemlich effektive und gleichzeitig einfach umzusetzene Präventionsmaßnahme: Raus gehen.
Das kann ich mir einfach nicht nehmen lassen. Und wenn ich mich dafür als asozial bezeichnen lassen muss, obwohl ich Menschen konsequent aus dem Weg gehe, dann ist das schon bezeichnend für die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung. Asozial ist vielmehr der Mob, der sich immer stärker bildet.

Zum Kotzen.

>Ich habs ja noch angenehm mit großer Wohnung, keine Kinder, sonst auch noch einen Garten und auf dem Land, wo man zur Not wirklich irgendwelche Wege findet, so dass man alleine unterwegs wäre (was ich sonst halt auch nicht mache, bin eh ein "Drinnen-Mensch").

Darf ich fragen, ob du allein in der Wohnung lebst, oder mit Mitbewohner?

Ich lebe wie gesagt allein. Obwohl ich normalerweise ein ziemlich glücklicher Single bin und weit entfernt davon, ein "Incel" zu sein, ist die aktuelle Situation mental extrem belastend. Mehr Freizeit hin oder her - das wiegt die Nachteile und Belastungen nicht einmal ansatzweise wieder auf aus meienr Sicht. Ich brauche die Freunde, die Familie, die Arbeitskollegen, und teils einfach nur die vielen komischen Wesen, welche man normalerweise täglich sieht wenn man mit Öffis durch die Berliner Innenstadt pendelt... Das alles gibt das Gefühl, nicht allein zu sein sondern Teil einer Gesellschaft.

>Leute, die in der Stadt wohnen, aufgrund des großen Angebotes an Möglichkeiten im normalen Leben ihre Wohnung auch nur zum schlafen sehen, am besten noch in einer 60m² Wohnung mit 2 Leuten und 1 Kind, weil man noch nichts neues, größeres gefunden hat.... jo, da sind 2 Wochen Stay-at-home eine ganz andere Nummer.

Ich wohne ja in einer brandenburgischen Kleinstadt im berliner Umfeld. Normalerweise ideal gelegen: Schöm ruhig zu wohnen, aber Berlin und Potsdam sind schnell erreichbar wenn man Leben möchte. Dieses Leben fehlt nun...

>Wer da nicht so großen Druck hat, kann sich das Rausgehen aber dann auch sparen, damit einfach nicht zu viele Leute rumrennen.

Ja, eben.
Wer das Bedürfnis nicht verspürt, möge sich glücklich schätzen und 24/7 zu Hause bleiben.
Aber mit dem Finger auf andere zu zeigen, welche sich in der persönlichen und gesundheitlichen Situation dieses Luxus nicht leisten können, ist hochgradig asozial und ich habe für diesen zynischen Standpunkt nichts als Verachtung übrig - und zwar exakt deshalb, weil dieser Standpunkt mich als Mensch ebenso verachtet.

Christian
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