Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 22.01.2018 20:43 Uhr
Thema: Re:"Was sind Future Simpsons?" Antwort auf: Re:"Was sind Future Simpsons?" von Seriös
>>Nee, aber ich finde die Art, wie Amis immer sehr leicht alle möglichen Arten von Akzent für jede einzelne Nationalität als SUPERLUSTIGE Imitation parat haben, aber in der Regel keine andere Sprache beherrschen als Englisch
>
>Bayern, Sachsen, etc. Imitationen sind nicht lustiger, haben hier aber auch niemals jemand gestört, scheint nicht an den Amis zu liegen.


Es liegt doch auf der Hand, dass es eine andere Qualität hat, wenn sich wie in dem Beispiel Deutsche übereinander lustig machen (Was sie durchaus mit einer Galligkeit tun können, die diese anderen Deutschen aufgrund ihrer Herkunft herabwürdigt), als wenn es von einem Landsmann zum anderen geht.

>>>Ich hab einen ziemlich deutlichen Akzent auf Englisch, viele Inder auch.  Das alleine ist kein Problem.
>>
>>Nö, siehe zB Kumail Nanjani. Es ist ja sein eigener Akzent. Who cares. Hank Azaria hingegen ist Ami. Unterschied.
>
>Wenn er den Akzent gut nachahmt sollte es für die Bewertung des Charakters nicht von Gewicht sein aus welcher Kehle er kommt.  


Mein Punkt ist: Kumail Nanjani hat einen Akzent. Er imitiert ihn nicht - er hat ihn.

Und um beim innerdeutschen Beispiel zu bleiben: Da wär was los, wenn in Gerhart-Polt-Filmen in erster Linie Leute aus Schleswig-Holstein mitspielen, die einen bajuwarischen Sprachklang lediglich näherrungsweise imitieren.

Das ganze Thema ist keineswegs so banal.

>Wenn die Rolle rassistisch ist wäre sie das auch wenn sie von einem Inder gespielt werden würde.

Die Wahrscheinlichkeit ist geringer, aber ja, sowas gabs auch (Google "NBC Outsourced").

>>Sicher, aber es dürfte klar sein, dass die Schnittmenge "Simpsons-Autoren" und "Weiße männliche heterosexuelle Ivy-League Smartasses" gewaltig größer ist als die zwischen "Amerikaner indischer Abstammung" und "Millennial Partycrowd, die von den Eltern alles in den Arsch geschoben bekommen". Und von dieser großen Schnittmenge einer kleinen Gruppe aus geht halt das Machtgefälle, die Deutungshoheit deiner Ethnie, hinab zu eigentlich dieser gesamten, jetzt nicht derart winzigen Gruppe Menschen.
>
>Und die meisten dieser weißen Bosse und Kreativen sind Juden in Hollywood.  


Eh. Die meisten Hollywood-Player sind immer noch WASP-Failsons. Das historische Hollywood mag eher durch jüdische Player geprägt sein, aber das heute sind irgendwelche Bros oder ehemalige Bros, und wenn Judaismus da mit reinspielt dann maximal noch im Sinne von "culturally identifies as jewish". Max Landis ist kein Mel Brooks.

>Manche Ethnien sind eben ungleich auf Professionen verteilt ohne dabei sozioökonomisch benachteiligt zu sein.  

Das hat jetzt mit Apu nur noch relativ wenig zu tun und haut so einige ungute Verallgemeinerungen auf einmal raus.

>Die Inder sind währenddessen CEOs von Fortune 500 Firmen, Anwälte, Ärzte... manche  sind jetzt auch erfolgreiche Comedians und TV Personen.  Es liegt aber auf der Hand dass eine Minderheit die jetzt 1% der Bevölkerung ausmacht nicht mehr als eine Handvoll Stars in einer Branche aufweisen SOLLTE in der wirklich alle Ethnien im Einklang mit dem Census repräsentiert sind (warum auch immer das wünschenswert sein sollte).  Auf jede Mindy Kaeling sollten statistisch gesprochen 99 Comedians kommen die keine Inder sind.

Natürlich, Film bzw. Fiktion allgemein ist nicht "besser" oder fairer als die Gesellschaft an sich - nichtsdestotroz kann das nicht als post-hoc-argument dafür dienen, a) nichts zu ändern und b) am bestehenden nichts kritisieren zu können. Gerade in einem diese Mißstände derart eifrig kommentierenden Medium (Welches eben auch in seiner Relevanz davon lebt, wie gekonnt dessen Werke innerhalb dieses Kontexts navigieren).

>>>Eben, Apu wurde vor 30 Jahren gemacht, soweit ich weiß gabs nichts vergleichbares zu der Zeit.
>>
>>Doch klar, nur eben nicht im Bereich Animation. Es gab ganze Sitcoms über den Culture Clash "Primitivling aus dem Ausland kollidiert mit dem geschäftigen Leben in den großartigsten USA aller Zeiten" wie "Ein Grieche erobert Chicago", es gab Latka in "Taxi", Fes in "That Seventies Show", du hast überall deine "wacky fuhrenners". Stark variierend, was den Erfolg ihres gestalterischen Ziels anbelangt und allesamt mehr als ein bißchen aus der Zeit gefallen.
>
>Eben?  Apu war ein ziemlich straighter Charakter und eben nicht der Wacky Foreigner, zumindest nicht gemessen an Simpsons Standards.


Ich kann mich ehrlich gesagt nicht an Apus allererste Szenen erinnern. Aber auch das kann man verschieden interpretieren, wenn dem so war. War er also wirklich nur Deko, so wie die einheimischen Tanzgruppen beim Traumschiff-Landgang, der es nichtmal wert war, von Anfang an eine Persönlichkeit verpasst zu kriegen? Natürlich ging das vielen Simpsons-Nebenfiguren so. Mir geht es auch gar nicht darum, ob die Feststellung komplett zutrifft, weitestgehend zutrifft, geht so zutrifft oder überhaupt nicht zutrifft. Das mögen andere auseinanderklamüsern. Mir geht es immer noch lediglich darum, dass keinem ein Zacken aus der Krone bricht, wenn es diese Thinkpieces gibt.

>>>Es ist die Logik der Identity Politics.  
>>
>>Fair enough. Ich halte Identity Politics nicht für "gefährlich" und die Wirkmacht ihrer Fürsprecher für sehr arg eingeschränkt, rein aus realpolitischen Erwägungen. Ich kann jeden verstehen, der davon abgenervt ist (Ich bin es nicht).
>
>Ich bin davon genervt und halte es auch strategisch gesehen für extrem kontraproduktiv, ich würds gern wieder ignorieren, aber wenn es die Ideen bis in die NYT schaffen geht das nichtmehr wirklich.


In der NYT werden Tag für Tag die irrelevanten bis hochärgerlichen Ergüsse von Brain Geniuses wie Ross Douthat abgedruckt, insofern wayne. Keine andere derart bekannte Zeitung hat derart oft auf der falschen Seite der Geschichte gestanden, und keine andere beschäftigt erbärmliche Knalltüten wie David Brooks dafür, in Form von fast "Letters to Penthouse"-mäßig schwärmerischen Puffpieces über Saudi-Arabien zu erzählen, wie Mohammed Bin Salman ihm (natürlich nur sprichwörtlich!!1) das Arschloch ausleierte mit seinen fetten, ähem, Ideen:

[https://www.nytimes.com/2017/11/23/opinion/saudi-prince-mbs-arab-spring.html]

Zitat:

"We met at night at his family’s ornate adobe-walled palace in Ouja, north of Riyadh. M.B.S. spoke in English, while his brother, Prince Khalid, the new Saudi ambassador to the U.S., and several senior ministers shared different lamb dishes and spiced the conversation. After nearly four hours together, I surrendered at 1:15 a.m. to M.B.S.’s youth, pointing out that I was exactly twice his age. It’s been a long, long time, though, since any Arab leader wore me out with a fire hose of new ideas about transforming his country."

NYT BABYYYYYY

>>Natürlich wurde sie "schlechter" behandelt als andere Figuren, weil Apu eine sehr kleine Nebenfigur war
>
>Was aber nichts mit seiner Hautfarbe oder Herkunft zu tun hatte.


Joah. Muss man jetzt wohl nicht weiter drüber diskutieren. Die Implikationen davon bleiben trotzdem bestehen.

>>>Darüberhinaus ist Problem with Apu eben kein Einzelfall, gelingt es einem Pakistani eine kompetente Romantic Comedy auf die Beine zu stellen brauchste nur bis drei zählen bis sich jemand darüber beschwert: [https://www.nytimes.com/2017/07/23/movies/the-big-sick-south-asian-identity-and-marriage.html]
>>
>>Ah ja. Hatte ich mitbekommen. Ich finde, gerade der Film ist so stark, dass er den Dissens aushält, aber selbst wenn er schlechter wäre - man mag mit diesen Stimmen nicht übereinstimmen, aber ich tu mich schwer, sie gleich als lächerlich abzutun.
>
>Ich finds nicht lächerlich, ich finde es borderline krankhaft die Welt unter diesem Blickwinkel zu betrachten und sehe weder für die Umwelt wie auch das Individum Vorteile darin, außer man schreibt Thinkpieces oder ist ein linker Uni Professor und hat darauf seine Karriere aufgebaut.  


Wie gesagt, mir fällt es schwer, mich darüber aufzuregen, ich kann es sehr leicht ignorieren. Ich verstehe aber durchaus, wenn sich Leute drüber aufregen. Quasi 95% der Sachen, über die ich mich aufrege, sind (Für andere Leute, aber oft genug auch für mich selber) irrelevante Scheiße. Andererseits zahlt es sich aus, wenn man eine bewusste, im Vergleich mit Aufregen weniger anstrengende Bemühung unternimmt, sich nicht drüber aufzurgen, ohne dass man gleich übertrieben zynisch wird. Jetzt nicht als Wink mit irgendeinem Zaunpfahl mißverstehen, ich sag nur, mir hats geholfen. Bei mir kocht halt auch so ein brutaler Zorn hoch, wenn Alex mir erzählt, dass auf tumblr alle weinen, weil Iron Fist auf Netflix nicht divers genug ist oder wasweißich. IDGAF. Zudem sind Sekundärtexte über die Simpsons mittlerweile die erträglichste Form, bzw. die einzige, in der ich die Simpsons noch konsumiere, das meiste davon in Form von Memes/Image Macros.

>Nanjiani hätte sich 1999 auch die Situation ansehen können, sich sagen können "Die USA sind rassistisch und werden mir nie ne Chance geben" um sich dann für Colonialstudies an der Columbia einzuschreiben.  Hat er nicht gemacht und jetzt hat er ne Stimme im Show Business.

Lustig, weil es ein so einfach überprüfbares Detail wäre (Quelle natürlich Wikipedia):

"During his childhood, Nanjiani lived in Karachi and attended Karachi Grammar School. At 18, he moved to the United States and attended Grinnell College in Iowa, from which he graduated in 2001. He completed a double major in computer science and philosophy."

Ich will damit nur zeigen, dass die gesamte Frage komplexer ist als Nationalität, oder Biografie. Natürlich kann man Fakten für alles nehmen, aber Nanjiani ist durch viele verschiedene Karrierestufen gegangen und kann gar nicht wirklich repräsentativ für sein "Volk" sein, weil sein "Volk" eben diverser ist als ein paar biografische Eckdaten und sich ein Lebensgefühl einer Community nicht einfach mit ein paar Zensus-Daten, gutem Willen und Spucke in den Händen konstruieren lässt - entsprechend Stimmen aus dieser Community darüber, wie sie sich von der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen werden, nicht so mir-nichts-dir-nichts vom Tisch gewischt werden können.

>Natürlich kann man darauf mit "Horatio Alger!" kontern, aber die Realität ist zwischen Horatio Algerismus und den Kept Down by the System Geschichten der akademischen Linken.  Und als Strategie scheint der Horatio Alger Ansatz der einzige zu sein der verlässlich Ethnien aus dem Ghetto und in die Führungsetagen holt, insbesondere wenn Primärmerkmale wie Hautfarbe und Geschlecht (oder früher Religion) entwertet werden und nicht als Quelle der eigenen Identität herhalten.

Ich kann dem ehrlich gesagt nicht folgen.

>Wer dauernd darüber schreibt was es bedeutet ein uvw of xyz zu sein stärkt dagegen die vermeintliche Wichtigkeit dieser Primärmerkmale und alle Gruppen werden sich zunehmend fragen was es bedeutet ein abc of dfe zu sein.  Und keine dieser Gruppen wird mehrheitlich akzeptieren sich als den großen Buhmann zu definieren.  Man sollte als gut überlegen ob diese Strategie zum Ziel führen kann.

Ich denke, diese Thinkpieces könnten zu echter Empathie verhelfen, aber natürlich auch ätzend sein. So wie Filmwerke.

***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 22.01.2018 20:48 bearbeitet.***
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