Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 11.08.2017 20:43 Uhr
Thema: Re:"Was zur Hölle macht Nordberg in Brentwood?!" Antwort auf: Re:"Was zur Hölle macht Nordberg in Brentwood?!" von Sockenpapst
>>In Deutschland kriegst du, wenn du zu Unrecht verurteilt wurdest, ja auch nur eine lächerliche Pauschale für teilweise jahrelange Inhaftierung aufgrund schlampiger Beamter und unzuverlässiger Zeugen. Und damit hat sich das, du kannst dann niemanden verklagen oder auf "mehr" pochen oder so, der Fall ist erledigt, tut uns sehr leid, kann aber passieren, hier fünf Mark. Aber keine Sau kriegt davon mit.
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>In absoluten Ausnahmefällen kann man schon auf Schadenersatz klagen, siehe Kachelmann. Aber selbst da waren es eher lächerliche 7.000 Euro, und die "Schuldige" konkret greifbar. Im Normalfall dürfte es niemanden zum Verklagen geben, ist dann halt eine Verkettung unglücklicher Zufälle und fragwürdig ausgeübten Ermessens. Wobei ich auch absolut keine Ahnung habe, wie man eine fälschliche, längere Inhaftierung wirklich "gerecht" entschädigen soll. Wenn erst mal Job, Wohnung und Beziehung unwiederbringlich weg sind, welche Kohle ist dann angemessen? Pauschale, fiktiver Verdienstausfall, Schmerzensgeld? Kein Plan.


Eine richtig perfekte Lösung, die nicht auf einen Minority-Report-mäßigen Überwachungsstaat hinausläuft, gibts leider nicht.

>>Ich hab beispielsweise bis heute nicht verstanden, wie man in derselben verdammten Stadt, nur an unterschiedlichen Gerichten, einerseits von einem Mord freigesprochen wird und einer laaaaaaaangen Haftstrafe entgehen, und dann 20 Kilometer (oder so) weiter weg in einem Zivilprozess zu 35 Millionen Dollar Schadensersatz und damit zumindest in Augen des Zivilgerichts als tatschuldig gesehen werden kann. What the fuck.
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>Indeed. Um dann im nächsten Schritt einfach innerhalb des Landes umzuziehen, so dass dann ein erheblicher Teil seines Vermögens plus Rente nicht gepfändet werden kann. Während die Rechte aus dem unglaublich dreisten Buch ihm entzogen werden können. Alles nicht so super stringent.


Ja, stimmt, muahahaha. Fucking Amerika...

Interessant aber auch, dass die Familie von Ron Goldman zwar einerseits berechtigterweise traumatisiert ist und so weiter, aber ihrer Verachtung auch öffentlich Ausdruck verlieh, ohne dabei irgendeine Form von vielleicht angebrachter Zurückhaltung zu üben - weshalb die Soundbites von Goldmans Vater teilweise superrassistisch rüberkommen. Was man jetzt nicht entschuldigen muss, aber in Anbetracht der Zeit, in der diese Aussagen getätigt wurden, nachvollziehbar scheint.

Das OJ-Buch, dessen Veröffentlichungsrechte die Goldmans erklagten, beinhaltet ein Vorwort der Goldmans. In der "Made in America"-Doku wird zu dem Buch nur gesagt, dass die grafische Gestaltung des Titels "manchen Leuten wohl nicht gefallen hat", was ich für eine merkwürdig ausgedachte Kontroverse hielt. Nun:

[https://randomnerds.com/literature-of-the-cursed-o-j-simpsons-if-i-did-it/]

"The book opens with a forward by the Goldman family, whose son Ron was brutally murdered by someone the Goldmans never refer to by name, only as “the killer” and “the beast.” Now, it’s tough being overly critical of people who’ve suffered such a terrible and public loss, but referring to Simpson as “the beast” calls to mind images of Othello, and less artful depictions of African-American men as jealous, rage-filled, and violence-prone."

Diese Lesart lässt sich auch auf Goldmans Impromptu-Pressekonferenzen während des Strafprozesses anwenden. Gerade nach Cochrans natürlich saudummem (aus inhaltlicher und ethischer bzw. allgemein aus "sei halt kein Hurensohn"-Sicht, als Dosenöffner für die Jury war es der Finishing Move) Hitler-Vergleich merkt man an Goldmans wütender Tirade, was für ein Pulverfass das ALLES war und immer noch ist. Das war eine Stelle, wo ich mich richtig gewunden hab, weil es die gesamte Ambivalenz von alldem offenlegte, und die "messyness", die ich weiter oben ansprach.

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>>Das sie in Nevada etwas empfindlichere Rechtsprechung gegenüber bewaffnetem Raubüberfall pflegen, hat ja nicht zuletzt damit zu tun, dass man die grassierende Zahl an Gewaltverbrechen in einer großen Stadt eindämmen will, in der man sich in vielen Zimmern vermuggeln kann, jeder mit unglaublich viel Bargeld und Wertsachen rumläuft und so gut wie alle scharfe Waffen tragen. Try nuancefully policing that shit.
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>Soweit ich die irrwitzige Urteilsbegründung aber verstanden habe, waren die höchsten Einzelstrafen 2x15 Jahre für 2 angebliche Entführungen (Aka "Nobody leaves the room!" - LOL), nicht für den Raubüberfall als solchen. Naja, in noch nicht mal 2 Monaten isser wieder raus; Kinder, wie die Zeit vergeht.


Wobei einer in die Toilette gedrängelt wurde und gesagt bekam "Don't leave the bathroom" oder so - wie gesagt, in Anbetracht der Tatsache, dass bei sowas mit den local authorities in Nevada nicht gut Kirschen essen ist, fast schon nachvollziehbar. Ich hab mich aber in dem Zusammenhang auch gewundert, dass derjenige, der überhaupt die Schusswaffe ins Spiel gebracht hatte, munter Interviews geben konnte, während OJ immer noch eingebuchtet war. Klar, Vorstrafen usw. usf., aber was zur Hölle, Leute. Hat DER dann irgendwie nur ne strenge Ermahnung und 200 Stunden community service bekommen? Hä?

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>>>Und eine Richterin, die während der Urteilsverkündung aus einem gigantischen Softdring-Pappbecher süffelt (jaja, Nevada halt).  
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>>Nee, das machen da alle. Mein Vater war mal Anfang der 80er bei einem Austausch in Arkansas, und hat da mal Gerichtsprozesse besucht weil er sich damals schon für Jura interessierte, und hat mir als bleibende Erinnerung auch erzählt, wie der Verteidiger mitten im Plädoyer, ohne Ankündigung oder sich weiter dafür zu erklären oder entschuldigen zum Wasserspender rüberging, Becher vollmachte, trank und dann nahtlos weiterlaberte.
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>Interessant, Danke. Und skurril, irgendwie.


Ja, sehr weird.

***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 11.08.2017 20:52 bearbeitet.***
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