Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 12.02.2016 12:59 Uhr
Thema: Re:Speedreading ist quatsch Antwort auf: Re:Speedreading ist quatsch von Don Cosmo
>>Siehste, da können wir eh nicht gewinnen.
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>Die Vormachtstellung des Chinamanns ist nicht mehr aufzuhalten!1


Eh, mal gucken.

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>>Chinesisch ist schwierig zu lernen, weil es so viele Zeichen gibt.
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>Naja, die sind allesamt nach System aufgebaut und je mehr man kennt, desto leichter fallen einem dann die anderen. Aber klar, reinkommen ist das Problem und das nicht nur beim Schnackseln!


Sicher. Aber es ist eben eine sehr hohe Barriere.

>>Das koreanische Alphabet wird sogar abwertend als "Morgensprache" bezeichnet, weil man es an einem Tag lernen kann. Für den Asiaten sind Alphabete, die man an einem Tag lernen kann, anscheinend Abfall. Der Computer wurde nicht in China erfunden.
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>Tru dat! Aber was der Schwank mit dem Thema zu tun hat...?


Du hast den Chinamann mit seinem effizienteren, schwierigeren Alphabet auf den Plan gebracht.

>>Schnell lesen ist Bullshit.
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>Ein Teil des Konzepts beruht auch darauf, daß alles an der selben Stelle liegt und das Auge eben nix tun muss als starren und das Hirn seinen fabulösen Job macht.


Stell dir vor, du liest einen Roman. Da geht es nicht nur um die möglichst schnelle Verarbeitung optischer Informationen, sondern auch um das In-Verhältnis-Setzen zu anderen Teilen des Textes, und zwar denen, die man nicht gerade just in dem Moment vor sich hat und liest. Bücher sind bspw. in Kapitel unterteilt und Textmassen in einzelne Sätze und Massen einzelner Sätze in Absätze, um Verständnispausen von unterschiedlichem Umfang zu ermöglichen. Speedreading ergibt höchstens für Sachtexte oder die Morgenzeitung Sinn.

Ansonsten müsstest du einen Roman auswändig lernen und nochmal gedanklich durchgehen, was geisteskrank ist und auch nicht das Ziel von Speedreading.

>Ich halte das auch nicht für sinnvoll, aber eben dennoch beeindruckend.

Ich finds gruselig. Geldschneiderei von Arschlöchern, die Kultur und Denken hassen. Eine Welt, in der Menschen so lesen, ist dystopisch.

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>>Es geht um die rein oberflächliche, optische Verarbeitung von Informationen. Das wiederholte Lesen eines Satzes oder das Einsetzen einer Pause, um irgendwas zu verstehen, gilt nach dieser Logik als Versagen.
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>Daß sich kein Wortwitz ala Pratchett darin verstecken kann, ist mir auch klar


Ja, aber was ist denn dann der Sinn der Sache? Manche Texte liest man schneller (Rückseite der Shampooflasche), mache langsamer (Infinite Jest). Ich belege ja auch keine Speedeating-Kurse, weil mir meine Mahlzeiten zu lange dauern. Manche Sachen _brauchen_ lange, um sie richtig genießen zu können. Keiner füllt sich zehn Austern in eine Biertulpe und ext die dann mit ein, zwei Schuss Zitronensaft, weil man sich so das ganze Gefummele spart.

Um wieder mit einem völlig schiefen Vergleich den Asiat ins Spiel zu bringen: Die Teezeremonie ist eigentlich genau das, eine Demonstration von Konzentration und Langsamkeit, die uns zeigt, das Effizienz und Schnelligkeit nicht alles ist, weil wir darüber unsere Würde als Menschen mit Kultur verlieren.

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>>Ich konnte schon im Kindergarten lesen und hab seitdem nie dran "gearbeitet". Ich lese ultra langsam. Ich war immer der letzte, der umblätterte, wenn im Klassenzimmer irgendwas gemeinsam gelesen wurde. Bisher hat sich aber noch niemand darüber beschwert, das ich zu langsam lese oder irgendwie besonders schwer von Begriff wäre.
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>Dann wird's ja mal Zeit, Du Doofi, hahaha!


Ich war wirklich nie in meinem Leben in der Situation, wo ich das Gefühl hatte, nicht schnell genug lesen zu können. Wenn ich irgendwas, dass ich lesen musste, nicht gelesen hatte, war es eh zu spät und entweder halt verkackt oder inhaltlich dünn und vorhersehbar/leicht durchschaubar genug, dass ich mich durchbullshitten konnte. Solange mich der Text interessiert, ist lesen für mich die schönste Sache der Welt, und auch wenn ich regelmäßig merke, dass ich da sehr lahmarschig unterwegs bin im vergleich mit anderen trübt das meine Freude rein gar nicht, im Gegenteil. Hab ich länger was von dem Text.

Das soll ja keine Last sein, die man sich so schnell wie möglich vom Hals schaffen will. Oder ein Wettbewerb, wer die meisten Seiten schafft. Vielleser, zu denen ich mich nicht zähle, schaffen ihre Bücherregale auch ganz ohne Speedreading.

Sachen wie "Schnell lesen", "Schnell rechnen" und "Viel auswändig lernen" können wird aber immer Leuten als "Ausdruck" von "Intelligenz" verkauft, die selber widerum... nicht smart genug sind, dass auch so zu glauben. So wie die Leute, die bei Wetten, dass...? sich zweitausendstellige Zahlen im Kopf merken konnten. Sowas, was einem von SternTV als "Schlau" verkauft wird. Sowas deprimiert irgendwie. Ich denke nicht, das Helge Schneider "The Fountainhead" in anderthalb Stunden durchlesen und Pi bis zur dreißigtrilliardensten Stelle im Kopf hat, aber er ist ein legitimes Genie. Und von den tausend Dudes, die die Gravitationswellen gefunden haben, können vielleicht nur einer oder zwei ein schönes Vogellied. Und ohne Vogellieder wären Gravitationswellen auch nur irgendwelcher Kappes.

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>>Die einzige sinnvolle Einsatzmöglichkeit ist für den Beruf. Unsinnige Texte durchprügeln, Spreadsheets, Memos, irgendwelche Dummtexte für die irgendwas "asap" gemacht werden muss. Ich hab jetzt nicht das allerhöchste Selbstbewusstsein, aber ich bin noch nicht so krass am Arsch, dass ich mich selbst umerziehen müsste um endlich ein Roboter zu sein.
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>Selbst da hilft das ja nicht, weil man am Ende doch wieder gefragt werden wird, was in Konzept X oder Mail Y stand.


Ja, aber ist es dann wirklich smarter, einfach blind alles zu lesen ("Geht ja schnell!") oder vor dem lesen schon aufgrund von Kontext etc. zu entscheiden, manche Mail nicht zu lesen, weil sie einen nicht betrifft etc.?

Ich mein das jetzt nicht mit irgendeinem arschigen Hintergedanken: Gibt es da so viele Sachen aus so vielen Mails, die du dir merken musst über Zeiträume von unbekannter Länge? Kann ja durchaus sein, und für mich wäre das absolut zum kotzen, weswegen ich ja nicht deine Arbeit mache, sondern du.

Und für Programmierer ist sowas bspw. super. Aber dann reden wir von Jobs, wo man dann gleich fragen könnte: "Warum macht das nicht jetzt schon ein Computer?" Und das wird ja auch gemacht, die Automatisierung von Bürojobs. Dann kannste zu Hause Stellenangebote Speedreaden. (Also, jetzt nicht _du_! Was weiß ich, was du arbeitest! Soweit ich das nachvollziehen kann, bist du Gartenteichtester bei euch im Innenhof.)

Will meinen: Gegen Computer verliert auch der Chinamann. Aber so dümmliche Ideen wie Speedreading bleiben dann hängen in der Gesellschaft, so wie das Gerücht dass in Spinat viel Eisen ist und das man Schulreif ist, wenn man mit dem rechten Arm über den Kopf das linke Ohr berühren kann. Und dann kriegt man das nicht mehr raus, weil es für "langsamer lesen" keine "logischen" argumente gibt, so wie für "weniger Fleisch essen" oder "nicht CDU wählen".

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>>Wer Lesen in ein "....ERSTER!"-Denken zwingen will, ist für mich ähnlich schlimm wie Hitler, eventuell auf lange Sicht noch schlimmer. Aber die Leute würden auch den Inhalt ihres Rasenmähers zu Green Smoothies verarbeiten, wenn ihnen SPON das oft genug vorbetet.
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>Wie gesagt, ich hab das nicht gepostet, um zu sagen: "So wünsche ich mir das neue Kindle, dann kann ich noch mehr Bücher lesen!!", sondern nur als "Wow, so schnell kann das Hirn das dennoch alles mitbekommen?!" Was hier in dem Thread gepostet wird, sind doch selten Anleitungen zur weiteren Führung des eigenen Lebens...!?


Ja, und ich sage auch nur "Alles" kann es gar nicht mitbekommen. Aus so vielen Gründen. Es ist ein gutes Thema für einen Beitrag bei Gallileo, aber ich (!) finde es schauderhaft aus den genannten Gründen. Weil's für mich auch den Ruch von ner politischen Agenda hat und von einer Sicht auf die Welt zeugt, vor der ich ernsthaft Angst habe.

***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 12.02.2016 13:00 bearbeitet.***
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