Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 07.10.2015 17:40 Uhr
Thema: Re:DJ Ziegenpeter Antwort auf: Re:DJ Ziegenpeter von Don Cosmo
>Eigentlich müsste es doch auch DJ Almöhi heißen oder DJ Grosssssvattttrrrr. Den Ziegenpeter hab ich gar nicht gesehen!

Das ist mir sehr, sehr, sehr spät auch aufgefallen und dann war ich schon dankbar, dass ihr entweder genauso doof seid wie ich oder aus Höflichkeit darüber hinwegseht.

>>Es gibt drei große Trends: Süße Drops mit Fruchtgeschmack; dann diese Energy-Getränke, die in Flaschen verkauft werden die aussehen wie Poppers aus dem Sexshop und wohl wie ein "belebendes Tonikum" von einem 200 Jahre alten Jahrmarkt wirken sollen (Ist wahrscheinlich einfach nur Koffein mit nem Schluck wasser und drei Würfeln Zucker, so wie dieses "Red Bull Shot" oder wie das heißt); Leute die in Werbespots weinen.
>
>Diese kleinen Fläschchen gibt es doch bei uns auch.


Ja, in Sexashops, unter der Bezeichnung "Raumduft".

Also, ja, natürlich gibt es diese "Supplements" bzw. "Nahrungsergänzungsmittel" ("Deutsch - einfach schön!"), aber wie du ja sagst in erster Linie vermarktet an Jugendliche oder Mumien.

>Ich frage mich, wie die Japaner ein Produkt wie Vita-Sprint bewerben würden?

So wie die Engländer früher Bombenteppiche über der Soon-to-be-DDR verlegten: Einfach ALLEN in die Fresse drücken. Frauen, Kinder, Alte, warum zum Henker nicht an Babies? Alle ballern sich morgens ihre Ampulle Stoff rein und dann ist den ganzen Tag nonstop Partytime.

Bemerkenswert fand ich auch die Werbung, ich weiß jetzt nimmer ob aus Korea oder aus Japan, wo so ein absoluter Oberlauch, ein japanischer Sören wie er im Buche steht, seinem Chef in den Arsch kriecht, in dem er ihm bei jeder sich bietenden Gelegenheit eine Vitamin-C-Pille reicht, und zwar aus einer Box, die so groß ist wie ein fucking Medizinkasten. "Ja kein Ding Chef, lass mich mal kurz in diese Siedler-von-Catan-große Packung greifen und dir deine Happy Pill geben!"

In erster Linie werden die Mittelchen ja verkauft an Leute, die komplett im Berufsleben stehen, weshalb, wenn man die Werbespots lediglich als Zerrspiegel der japanischen Lebensrealität begreift, der Eindruck entsteht dass das Leben in Japan eine nicht enden wollende kafkaeske Hölle aus Arbeit, Drops fressen, Weiber angeiern und Saufen darstellt. Ich würde das sofort kichernd als Unsinn abtun, wenn mir nicht überwiegend zu Ohren gekommen wäre, dass diese reduzierte Wahrnehmung völlig zutreffend ist.

>In Sachen Werbung sehe ich ja nur German-Rentner-Style, weil das einzige Vorabendprogramm, das ich zu Gesicht bekomme, ZDF-Krimis und -Sokos sind. Das ist teilweise furchtbar deprimierend, wie dröge und immer gleich die Spots aufgebaut sind und dann auch in heavy-rotation laufen. Wahrscheinlich beim Alzheimerpublikum nicht die dümmste Idee.

Ja, deutsche Pharma-Spots sind auf ihre eigene Art mega deprimierend. Allerdings ist in Deutschland noch der altmodische Glaube verbreitet, dass je weniger "Medizin" oder Proto-Medizin man frisst, man umso weniger krank sein dürfte. Und selbst wenn nicht, ist es ja kein Problem, Wasser mit Zuckerperlen (Vitasprint) an die Alten zu verticken, die zu uncool sind um sich gescheite Amphetamine vom sächselnden siebzehnjährigen Dealer ihres Vertrauens zu besorgen.

Ab nem bestimmten Punkt wirkt einfach jede dieser Werbungen, egal ob aus Süd- oder Ostkorea, wie Werbung für Kokain. Das klingt jetzt wieder wie so eine typische Übertreibung, aber selbst wenn ein renommierter Komiker einen Sketch schreiben müsste, dessen Witz daraus besteht dass für Kokain geworben wird wie für Kartoffelchips oder Dosenbier wäre das nicht so "spot on" wie diese Werbespots.

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>>Gerade letzteres ist sehr irritierend, weil man sowas hierzulande nicht machen würde, aber im melodramatischen Asien keinerlei Problem darstellt.
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>Überemotionale Darstellung ist doch direkt, was Mangas ebenso betreiben. Bedröppelt gucken oder "Mama, ich hab mir das Knie gestoßen!", neee, da muss gleich das Bein ab, dann Pflaster drauf, :bazinnng: wächst ein neues!


Ja, vor allem weil Mangas ja in den 50ern Kultur und Verhalten des heutigen Japans erst geschaffen haben. Nein, Moment, andersrum.

Asiaten sind halt melodramatisch. Eine Bekannte der Mutter meiner Freundin hat eine Tochter, die in Deutschland als Manwah-Zeichnerin erfolgreich ist. Die Mutter hat ihrer Tochter mit Selbstmord gedroht, wenn sie das macht anstatt Ärztin oder so zu werden.

Die sind superverliebt in "Leid" als Normalzustand und Idealbild. Leid unter der Arbeit, Leid unter dem Lebenspartner, der entweder ein Scheusal oder eine hohle Nuss ist, Leid unter den Kindern die immerzu nur Scheiße bauen und nicht auf die Ahnen hören. In Südostasien ist Patriarchat immer noch ein großes Ding, sehr zum Leidwesen der weiblichen Bevölkerung, was zu einem ganzen Kulturkorpus aus Klageliedern, tragisch-romantischen Gedichtepen, Gesangszyklen etc. pp. geführt hat. Durchhalten, durchbeißen, durchquälen und bitteschön nicht aufmucken. Südkorea war bis vor wenigen Jahrzehnten noch eine Militärdiktatur, und viele generelle Verhaltensweisen in Japan sind auf die nie wirklich ausgetriebene militaristische Ideologie des Kaiserreichs Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. In Japan gibt es sogar das Paradigma des (im übertragenen Sinne) "ewigen Krieges": Wenn man keinen direkten Feind hat, dann arbeitet man eben mit der "Ernstfallmentalität" daran, irgendwelche Staudämme hochzuziehen oder irgendeinen Landstrich bis zum letzten Zentimeter zuzubetonieren, weil das ja in den 50er/60ern so großen Erfolg hatte.

Mich hatte immer gewundert, warum wenigstens nicht die Jugend sagt "Leute, Labskaust den Kack! Ich will Puppenspiel an der Ernst Busch studieren und mich mit wunderbaren Negern paaren, ihr Spießer!" Woraufhin mir die Mutter meiner Freundin erklärte, dass es nie einen erfolgreichen "Aufstand" der Jungen gab (In Korea wurden Anfang der 80er Studentenproteste blutig niedergeschlagen und danach war Ruhe im Karton - die Leute, die dann zu Eltern wurden, hatten wohl angesichts dessen was sie erlebt hatten nicht im Sinne, dass ihren Kindern sowas auch passiert) und das Patriarchat bzw. die ideell noch aus dem Feudalismus stammenden Hierarchien und die damit einhergehenden, im Alltag in irgendwelcher Form IMMER noch existierenden Demutsrituale dem ganzen im Wege stehen und staatlicher wie privater Druck zum Konformismus (Und schlußendlich Konfuzianismus) zu solchen interessanten Phänomenen führt, dass bspw. die Fußballnationalmannschaft der Frauen aussieht als hätten sie sich für Halloween als Geister geschminkt, weil skinbleaching da so ein renner ist. Das war so krass, als die gegen Thailand und China gespielt haben; die Koreanerinnen sahen so aus, als hätten sie sich vor dem spiel jeweils drei Pfund Theaterschminke-Grundierung mit ner Make-Up-Kanone in die Visage geballert, und die anderen sahen so aus, als würden sie ab und zu mal bei Sonnenlicht an die frische Luft gehen.

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>>Auch beliebt: "Familien", also so wie die Softbank-Familie, die es schon seit einigen Jahren gibt (Mutter, Vater Shiba Inu, Tochter normal und Sohn ein wunderbarer Neger: [http://kotaku.com/5474425/dantes-infernos-japanese-marketing-includes-a-racial-twist]). Da gibt es dann noch die Deppen-Samurai, so eine dreiergruppe aus japanischen Dudes, die die meiste Zeit am Strand rumhängen und unsinn machen und einer eine kleine Baby-Schildkröte immer dabei hat, was natürlich Parallelen zu einer anderen Gruppe von drei Männern offenlegt, die sich ebenfalls einen vierten Freund in Form einer Babyschildkröte halten. Die erleben dann Monat für Monat neue "Abenteuer". Ausserdem wird der äußerst unterhaltsame, exotische und unkonventionelle Anblick eines Mannes in Frauenkleidern für diese Brüder echt nicht alt. So wie bei uns Witze über Pimmelnase Farid oder Christian Wulff beim Cuckolding.
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>Dumpf erinnere ich mich auch an deutsche Spots, die Episodenhaft aufgebaut waren, aber das hat sich maximal zwei, drei Episoden lang gehalten, oder?


Joa. Man muss bedenken, dass das Fernsehen in Japan, contrary to popular belief (?), sehr sehr sehr schlecht ist. Also meistens Panel-Talkshows, Quizsendungen oder Comedy (Billigste, Sub-Sesamstraßen-Niveau Sketche oder eine Art Stand-Up nur als Duo, so wie Hans Süper und "Zimmerman, du Ei"). Das heißt, theoretisch bietet die Werbung mehr Action, Dynamik und Stars (Tommy Lee Jones spielt bspw. für Boss Café seit JAHREN ein Alien im Kimono, das Menschen in allen möglichen Lebenssituationen hilft, bspw. ein Transvestit mit ihrem Vater zu versöhnen (!!!!!!), Brad Pitt, Jean Reno etc.) als das eigentliche Fernsehprogramm, welches sie unterbricht. Das klingt nicht nur dystopisch, sondern ist es auch.

>>Oh, und Handyspiele. Handyspiele über Handyspiele, es ist eine verfluchte Pest, und die Werbespots zu Candy Crush Soda mit das Hassinduzierendste was es gibt (Und nein, das ist kein Cisgender-Rage).
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>Immerhin gibt es auch noch paar andere Games, irgendein Vita-Tanz-Spiel und FFXIV. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob das alles eine Werbepause bei einem Sender ist oder wild zusammengewurschtelt. Irgendwo wird doch auch bei uns Werbung für Games ausserhalb von GOOD GAME EMPIRE - ERBAUE DEINE BURG! und Co gesendet...?


Ja, bei uns ist das Handygedöns ja auch sehr beliebt. Das sollte man ruhig alarmierend finden. Die Beziehung des Menschen zu seinem Smartphone ist, rein basierend auf der Werbung, schon weit jenseits von libidinös; man könnte sehr gut dahingehend argumentieren dass das Mobiltelefon in Japan genauso wichtig wenn nicht sogar wichtiger ist als "echte Freunde". Es gab einen Spot, der zwar unter all dem Katzen- Hunde- und Tommy-Lee-Jones-Wahnsinn untergeht, aber einen noch Stunden später grübeln lässt: Eine Clique Jugendlicher Bengel, die in der Schule, nach der Schule und draußen auf dem weg zum Bus, mitten in der Nacht, die ganze Zeit miteinander rumhängen, voll gut drauf sind und sich gegenseitig anfeuern und hypen. Sie gucken leider nur die ganze Zeit auf ihre Handys und spielen "Spartaner gegen Samurais 4 X Super Gaiden Remix Alpha".

In Japan sind "Freunde" als Gruppe deckungsgleich mit "Schulkameraden" oder "Arbeitskollegen". Rein zeitlich und wie dort alles organisiert ist lernst du Leute nicht ausserhalb dieser Kreise kennen. Der Freundeskreis wird also zufällig und lediglich anhand deiner beruflichen Entscheidungen bestimmt, ist also dahingehend "unfrei", von der Wahl her. So wundert es weniger, dass Handyspiele nicht mehr "soziales Schmiermittel" sind um mit Fremden ins Gespräch zu kommen (So wie Alkohol), sondern eher "sozialer Klebstoff", um mit den "Freunden" mit denen man gestraft ist sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen zu können, der das Rumhängen, was man sowieso machen muss wenn man kein Freak und Aussenseiter sein will (Und das will NIEMAND), irgendwie erträglich macht.

Das ist schon krass. Ich möchte da jedenfalls nicht tot überm Zaun hängen, sagen wir es so.
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