Bullitt  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 11.08.2014 23:25 Uhr
Thema: Re:Die Tage gekauft Antwort auf: Die Tage gekauft von Felix Deutschland
>Ich brauchte mal Pause von DFW

DFW?

>Dann "The Unwinding" von George Packer. Ich hatte zu dem Buch auf NDR Info eine Buchvorstellung gehört letzte Woche, und fand das Thema ganz interessant (Der wirtschaftlich-ideelle Abstieg der USA).

Grundsätzlich mag ich solche Themen auch sehr, aber eine Frage stellt sich gerade: Sind Wirtschaft und die Ideologie wirklich so untrennbar verbunden in der Argumentation des Buches? Würde ich - sagen wir mal so - problematisch finden, weil dies geradezu nach einseitigen Urteilen schreit, und imho die Ideologie eine ziemliche Konstante der USA ist.

>Deutsche Übersetzung kostet geschmeidige 25 Euro, englisches Original sechs Euro irgendwas als Kindle Version.

Das war bei The Sleepwalkers von Christopher Clark (extrem gutes Buch btw!) noch extremer: über 30 Euro vs. 5,irgendwas. Arsch lecken liebe deutsche Verlage, selbstverständlich gebe ich mir das dann in englisch.

>Das les ich gerade, bin auch schon zu nem drittel durch. Hmmja. Ich finde es so mittel. Einzelschicksale werden von den siebzigern an in form von festen zeitsprüngen verfolgt, drei vier "Otto Normalbürger", dazwischen werden Porträts von Prominenten eingesprenkselt, deren (öffentlichen) Lebensweg der Autor für exemplarisch oder besonders bedeutsam für sein Thema erachtet.
>
>Dazu kommen viel zu gewollt wirkende "Montagen", die als Trenner zwischen den Zeitsprüngen dienen und auseinandergerissene Songtexte, Nachrichten-Moderationstexte und berühmte Reden-Zitate von Politikern zusammenwurschteln, was wahrscheinlich wie ein übergang in einer TV-Geschichtsdoku wirken soll, aber irgendwie einfach nur behämmert und "self-important" wirkt. Der Erkenntnisgewinn hält sich zudem bisher ebenfalls in extrem engen Grenzen. Muss man nicht lesen, es sei denn, es wird nochmal geil zum Ende hin. Er arbeitet sich am Anfang vergleichsweise schnell durch die 60er70er80er90er durch, mit kurzen Exkursen bis ins 19. Jahrhundert hinein, um die Geschichte der Stahl- und Texttilindustrie nochmal kurz zu umreißen in bestimmten regionen. Deswegen gehe ich davon aus, dass die restlichen zwei drittel mehr auf die jüngere vergangenheit konzentrieren, die letzten 12-14 Jahre.
>
>Jetzt schon absehbare Schlußfolgerungen: Amis lieben ihr Wohlstandsevangelium, Washingtons Politbetrieb ist schlimm, Erfindungsreichtum und Unternehmergeist werden den Atomkrieg überleben.
>
>Aber es ließt sich einfach weg, auch wenn wegen des biografieähnlichen ansatzes (Der Autor konstruiert alles ausgehend von den Lebensgeschichten seiner Protagonisten) es manchmal etwas einschläfernd wirkt. 'Muricah.


Klingt grundsätzlich erstmal "unterhaltsam". Kannst du nochmal was dazu sagen, wenn du durch bist?

>Dazu noch "The Worst Date Ever: or How it Took a Comedy Writer to Expose Joseph Kony and Africa's Secret War" von Jane Bussmann, die als Autorin sowohl für South Park als auch für Brass Eye gearbeitet hat, beides von mir sehr hoch geschätzte Formate. Das Buch war (Als deutsche Übersetzung) unter den Abo-Prämien der Titanic. Wollte aber keine Titanic abonnieren und hab deswegen die Originalversion für Kindle gekauft. Les' ich evtl. nach dem Amerika-Ding.

Hier auch mal nen Eindruck wenn du dazu kommst?

>Achso, und "A suppossedly fun thing I will never do again" von DFW, was jetzt auch nicht so richtig passt zum Ansinnen, was zu lesen, um mich von DFW zu erholen, aber was solls. Infinte Jest ist absolut grandios, aber gerade WEIL ich eigentlich nicht mehrere Bücher parallel lese, ist das wie ein unerklimmbar scheinender Berg, und die aussicht darauf, bis weihnachten oder so quasi nichts anderes zu lesen für sich betrachtet schon etwas krass.

Und ich weiß immer noch nicht, was "DFW" sein soll.

Persönlich lese ich auch meist solche Dinge, welche ich eher zufällig billig sehe.

Ausnahme zuletzt war das oben bereits angesprochene Sleepwalkers - das musste zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns einfach mal sein. Schon irgendwie seltsam, wenn man manche Ereignisse exakt auf dem Tag 100 Jahre später nachliest...
Clark schafft hier den eigentlich unmöglichen Spagat, die Geschichte wirklich spannend und interessant zu schreiben, dabei jedoch jederzeit wissenschaftlich-fundiert zu bleiben. Und räumt dabei mit so einigen Legenden auf.
Sollte eigentlich Pflichtlektüre sein für jeden, der irgendwas zur Ursache des ersten Weltkriegs sagen möchte.

Christian
< Auf diese Nachricht antworten >