Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 21.07.2010 14:42 Uhr
Thema: Re:Entourage Antwort auf: Re:Entourage von CryingAngel
>>Kein einziger von denen hatte Character Development, noch hätte man das je abgekauft, aber jetzt ist Entourage so ein gefühliges Wohlstandsseifenöperchen mit Plots und Witzen aus der TV-Mottenkiste. In der 7. Staffel wird zum nunmehr 90.000 mal erzählt, wie die Freundschaft zwischen Vince und E auf eine "harte" Probe gestellt wird.
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>Da stimme ich dir voll zu, aber weißt du was? Ich mag das. Ich brauch keine weitere Serie die mir in jeder Folge einen neuen Tiefschlag erteilt. Ich mag ihre kleine heile Welt.


Du verstehst mich falsch. Ich mag das auch. Jede einzelne Sitcom auf diesem Planeten, bis hin zu den Simpsons, haben die bemerkenswerte Eigenschaft, dass sich die Welt, in der sie spielen, nie ändert. Am Anfang der Folge mag Homer der Bierbaron sein, der mit krimineller Energie ein Netzwerk konstruiert, um die Prohibition in Springfield zu umgehen. Er kann Astronaut werden, auf Tour gehen mit einem P.T.Barnum-mäßigen Freakzirkus, am Ende einer Folge ist alles wieder so wie immer. Wenn die Simpsons Sachen wie Homers Astronautenkarriere oder sein Gesicht auf den "Meister Glanze"-Packungen hervorholen ist das mehr ein Hinweis auf das Fehlen von Continuity als ein wirkliches Statement a la "Hey, das ist alles passiert, aber die Familie Simpson ist noch voll auf dem Boden geblieben".

Ich mag solche Endlosschleifen auch, sie sind ein Versprechen, das solche Serien allein der Form halber schon an den Zuschauer abgeben. Das ist aber nicht wirklich das Problem von Entourage - weil Entourage keine Sitcom ist, bzw. relativ schnell keine sein wollte.

>Solche Serien fehlen einfach weil jeder denk er müßte vielschichtige Charaktere erstellen was scheinbar nur dadurch gelingt, dass diese Person ganze Leichenberge im Keller hat.

Das ist völliger Quatsch. Ein tiefgründiger Charakter braucht keine "Backstory Wound", irgendein dunkles Geheimnis oder sonstwas. Guckt euch doch mal Arthur aus King of Queens an, George Costanza in Seinfeld, alle möglichen breaktrough charaters aus Sitcoms. Was eine plastische Figur braucht, sind spezifische Eigenschaften (Viel nötiger als irgendeine Form von Backstory, siehe "Party Down", das verdammt noch mal jeder zu gucken hat) die sie unverwechselbar machen. Turtle war mal faul und lustig, Drama war mal dumm und lustig weil er wegen seiner Dummheit ständig in Fettnäpfchen trat. Vince war dumm und hübsch und oft deswegen unterhaltsam, weil er der Spaß-Katalysator ex machina war, der die Rasselbande zur Ablenkung von all der langweiligen Freizeit spontan nach Vegas ausflog. Ich mochte diese Geschichten sinnlosen Exzesses, sie werden nur nicht mehr in Entourage erzählt.

Was mich NIE interessiert hat war, wie sich die Figuren ihre Zukunft vorstellen. Ich wollte NIE wissen, wie und ob Turtle und E Karriere machen. Ich wollte NIE wissen, wie deren Beziehungsleben aussieht, denn, mal ehrlich: Welche Beziehungsgeschichte in Entourage war rührend und glaubwürdig? Keine einzige, verdammt noch mal. Jamie Lynn Ziegler führt Turtle zum edlen Atzen-Ausstatter, damit er bei seinem Schulbesuch auch fein aussieht. Mehr wird nicht erzählt. Früher gab es Witze und Sprüche über Hollywood-Stars, heute werden nur noch aktuell startende Filme genamedroppt bestenfalls. Es gibt keine Gaststars mehr und keine spannenden Abenteuer oder Buildups für Situationen in denen Johnny Drama bloßgestellt wird, es gibt keinen Grund mehr sich Entourage anzugucken ausser der Tatsache, das es angenehmer ist als viele andere Sachen, die im Fernsehen laufen.

Aber es ist total langweilig, inhaltsleer, hahnebüchen und handelt von Menschen die umso unsymphatischer und langweiliger wurden, je näher die Serie ihren PErsönlichkeiten auf die Pelle rückte und man merkte, dass da nichts war, nur ein großes schwarzes Loch zum Geld rein werfen.

>Entourage ist von mir aus die Erwachsenenversion der christlichen Sitcoms, in denen der größte Aufreger ist wenn die Mutter bei ihren 15 Jährigen Sohn eine Badeanzugkatalog findet.

Nein, das ist es nicht. Zumindest nicht, wenn man Spinoffs (Wie ich aus guten Gründen) nicht mitzählt. Kein Mensch will sehen, wie Joey aus Friends alleine in L.A. klarkommen muss mit "schrägen" Kumpels, Nachbarn und Verwandten. Kein Mensch hätte sich eine Serie über Theo, Claire (Ha!) oder Rudy Huxtable angeguckt, wo erzählt wird, wie schwierig sie sich in ihrer ersten eigenen Wohnung tun und so weiter. Es werden Entwicklungen erzählt, ohne sie zu begründen. WARUM geht Turtle zur Schule? WARUM um alles in der Welt soll ich ernsthaft glauben, das ausgerechnet TURTLE sich schämt, von Vincent Chase ausgehalten zu werden? Wenn ich das richtig verstanden hab, finanziert der doch trotzdem dessen Studium und späteres Unternehmen!

Ich mein, die Serie heißt "Entourage", Freunde der Sonne. In welcher Hinsicht sind Drama, E und Turtel teil einer "Entourage" um Vincent Chase? IN GAR KEINER! (S.o.: "Zuschauerversprechen")

Ich mache die Erfahrung auch zum ersten mal als Zuschauer von etwas, dass ich früher mal total geliebt habe. Also, im Sinne von "Würde ich wenn ich könnte jeden Tag gucken". Es hat lange gebraucht und benötigte auch Überzeugungskraft von aussen, bis ich begriffen hatte, warum ich Entourage seit der Rückkehr aus dem Writers Strike Hiatus nicht mehr wirklich viel abgewinnen konnte und warum das so war.

Kurz gesagt: Entourage wäre fürchterlich, liefe es täglich. Man hätte nach vier Staffeln schluss machen können, wo man noch Ideen hatte. Jetzt wird die Serie verlogenerweise Character driven erzählt und man spekuliert mit einer etwas umfangreicheren Folgenanzahl wenn man die nächste (und letzte) achte Staffel zusammenzählt auf bessere internationale Vermarktungschancen als sich selbst allzu sehr als solches bewusste "Männer-SatC".

Wenn irgendwann wirklich ein Kinofilm kommt, in dem die Vier erst das alt-europäische Paris oder London durchluxussen, um dann den Rest des Films Shenanigans und Sexy Partys rund um E's Traumhochzeit mit Sloane auf einem maledivischen Luxusresort zu verbringen, während Lloyd in knallgelber "DRAG QUEEEEN"-Badehose versucht auf einem Jetski Aris Smartphone auf dem Grund des Meeres zu finden, dass ihm in einem Wutanfall verloren ging... this horrible shit basically writes itself.

Und es wäre eine mindestens ebenbürtige Zurschaustellung der eigenen Ratlosigkeit, Gefühlskälte und Berechnung der Macher gegenüber ihrem Stoff wie bei den SatC-Filmen, die sich durchaus die Frage gefallen lassen mussten ob irgendeinem der Beteiligten in irgendeiner Form noch klar war, worum es in der Serie eigentlich ging, oder ob sie die Vorschüsse gesehen und sich gedacht haben "Najaaaaaaaaa, bei so nem Budget können wir auch eine zweieinhalbstündige Kleiderwechsel-Montage machen und die dümmsten Klischees die über die Serie existieren in dreitausendfacher Lautstärke einfach mal umsetzen!"

Das erwähnte Zuschauerversprechen gilt im Kino nur im Zusammenhang mit Genre. Welches Genre jeder der beiden SatC-Filme bedient, müssen Wissenschaftler erst noch herausfinden, ich rechne in diesem Jahrhundert nicht mehr mit einem Ergebnis, es sei denn, "Zuckerschock beim Einkaufen kurz vor Einsetzen meiner Periode" ist ein Filmgenre. Eigentlich war das mal so. Aber mittlerweile lockt jeder Kinofilm nur noch mit Versprechungen, die lediglich im allerallerrudimentärsten Sinne eingehalten werden. In Transformers geht es um Transformers, in Shrek um Shrek und in SatC um diese vier Wachteln. Nichts ist interessant, nichts überraschend.

>Ich schau es trotzdem gerne.

Du hast den Segen, dir das am Stück weggucken zu können. Wenn man seit 2004 jedes Jahr wartet auf die neue Staffel, das alles mehrfach gesehen und auch mehrfach durchdacht hatte und auch immer mal wieder mit Leuten reden konnte die Entourage schon immer kacke fanden (Zu denen ich mich ausdrücklich nicht zähle!) hat man da einfach eine Einstellung, die mit einem reifen konnte. No biggie.

Ich finde nur, dass die Serie mittlerweile nur noch aus Symphatie von vielen geguckt wird, und dass wenn man mal fragen würde, den meisten auch nicht einfiele, was ihnen MOMENTAN an Entourage so gut gefällt und warum.

Mädels, guckt Community. Ich schau mir Ent. auch noch bis zum bitteren Ende an, aber irgendwie muss man auch mal klarstellen, das die Serie nicht mehr cool, nicht mehr lustig und allgemein nicht mehr der Rede wert ist. Passiert ständig, machmal erst in den letzten paar Folgen (LOST), machmal schon in der ersten Staffel (Nip/Tuck).
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