Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 03.01.2010 19:48 Uhr
Thema: Tannöd Antwort auf: Bücher und Lesestoff Thread part 2 von Michael K.
Wie die total authentisch geschriebenen (HUST) "Augenzeugenberichte" es ausführen würden: "A rechter Scheiß".

Stilistisch ähnlich wie Dan Brown setzt die Autorin Katarina Pia Schenkel (oder so) auf kurze Hauptsätze, die man beim parallelen iPod-Hören noch kapiert. Das führt zu einem dünnen mischmasch aus ein bißchen bayrischer Mundart und Hochdeutsch, die allein schon kritikabel ist, zusammen mit dem ich sag mal "naiven" Schreibstil aber oberflächlich ist und das ganze Buch über so bleibt.

Die postmodern angehauchte Mosaikstruktur hat man sich vom Dokumentarfilm abgeguckt bzw. diversen "Real-Crime-Dokus" wie Akte Mord, wo ja auch die Umstehenden der Tat sich einen absülzen dürfen, unterbrochen von Off-Schilderungen der Tat aus Täterperspektive. Sonderlich clever ist das nicht.

Der Grund, warum ich "Tannöd" überhaupt gelesen hab, war zum einen das gucken einer Doku über den Hinterkaifeck-Fall ([http://de.wikipedia.org/wiki/Hinterkaifeck]) im Zuge des Kinofilmstarts und der Tatsache, dass das Ding halt im Regal meiner Eltern rumstand als ich vor zwei Wochen was gegen die Langeweile suchte. Ein dünnes Büchlein war es noch dazu, also ist es sehr aussagekräftig dass ich es erst nach zwei Wochen durch hatte. Die erste Hälfte hab ich beim Kacken gelesen und die zweite heute nachmittag in einem Rutsch weil ich keinen Bock hatte das Ding mit nach Berlin zu nehmen.

Ich bin nur, auch dank fehlendem Epilog, davon ausgegangen, dass das Geschehen wie der Hinterkaifeckfall (Der hier en detail nachvollzogen wird, vom offenen Maschinenschuppen bis zur Ankunft der neuen Magd am Tatabend etc.) sich in den 1920ern zutrug und dachte, das sporadische Fallenlassen des Namens "Adolf" sich aus der schlampig geführten Chronologie ergab, aber es ist tatsächlich zehn Jahre nach dem ZWEITEN Weltkrieg angesetzt, wodurch die Autorin der dünnen Geschichte ebenso dünn noch eine Portion Hötler-Grusel hinzufügen konnte.

Dabei ist die Prämisse ganz grandios und der Plot auch halbwegs okay, der erzählt wird, aber wie gesagt in einer Oberflächlichkeit, dass ZDF-Zuschauer vor keinerlei Herausforderungen gestellt werden. Das Elke Heidenreich auf dem Buchrücken werbend zitiert wird hätte mir Warnung genug sein sollen, aber das Büchlein ist tatsächlich so unoriginell und pseudoschlau wie dessen Laudatoren. Die Athmo und die "Message" werden einem plump aufgezwungen durch die komplett originalitätsbefreite bzw. "schnörkellose" Prosa und die alle drei Seiten dazwischengeklatschten Fürbitten-Gebete (Jaha, Katholizismus plus Landleben gleich Irr- und Stumpfsinn, ach was!) wurden sofort überblättert. Weil heute keine Sau mehr in die Kirche geht, gilt das wohl schon als exotisch, aber ihren Beef mit Gott haben andere Autoren in viel jüngeren Jahren selbst von größtem Furor benebelt besser ausgetragen als diese im gesetzten Alter nochmal zur Krimimimi berufenen Autorin.

Es gibt genau eine falsche Fährte, die auf dem wackeligen Grund eines nicht erklärten Perspektivwechsels fußt und allein deswegen schon recht billig ist, aber kurz nach diesem "Twist" (Begleitet mit einem Macguffin plus Continuity-Fehler (!)) klatscht das Buch einem den Täter nach 50% der Seiten vor die Schnauze, so dass nur noch Seitenschinden durch Geschwafel den "Spannungsbogen" aufrecht erhält.

Lieber weiter Stephen King lesen, der erzählt zwar auch immer das gleiche, kann das aber wenigstens.
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