Seriös  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 21.02.2008 17:28 Uhr
Thema: Re:Schuld und Sühne... Antwort auf: Re:Schuld und Sühne... von c
Erstmal danke dafür das du dir hier nen Ast geschrieben hast, das passiert hier ja auch nicht alle Tage. Manche von meinen Fragen sind wie du dir sicher denken kannst hochgradig rhetorisch, weil ich so hoffe dich gewieft wie ich bin von meiner Meinung überzeugen zu können.


>Ich auch nicht. Ich zitiere nur hin und wieder solche Sachen in Texten, weil es von mir erwartet wird, aber ich habe keinen Schimmer davon.

... Was genau ist nochmal dein Job? Redakteur bei Spon? Ich weiss, ohne Focault schreiben sich die Filmreviews und Spice Girls Konzertberichte nicht so flutschig.


Deshalb würde es mich auch einige Arbeit kosten (mehr als dich das Buch zu überfliegen)

Naja, das könnte ich, nur ich könnte mich auch zuerstmal über Kants Werk setzen, vielleicht bei Hegel weitermachen und noch gleich für 5 Jahre Philosophie studieren. Und wenn mein Intellekt nicht beschränkt, mein Leben von Erwartungshaltungen geprägt wäre, würde ich das evtl. sogar tun, und danach in ner Mülltonne wohnen, genauso wie dieses Krümelmonster aus der Sesamstraße (oder so). Stattdessen hab ich mich bewusst auf das hier vorgetragenen beschränkt und ohne große Erwartungshaltung mal auf den "Enter" Button gedrückt.


>Eine sehr gute Frage. Ich wünschte das Buch (ich hab's jetzt doch mal zur Hand genommen) hätte einen Index und man könnte irgendwo eine griffige Definition lesen, die diese Frage beantwortet. Die Antwort durchzieht den ganzen Text, ist komplex und vielleicht auch ein wenig überraschend: Der Staat, also der Unterdrücker und die Unterdrückten – oder neutral formuliert die Subjekte einer gesellschaftlichen Hierarchie und die Träger und Befürworter dieser Gesellschaft – sind wir alle.

Ich hätte jetzt eher erwartet, dass der Staat nichtvielmehr als ein Werkzeug ist das je nach Staatsform durch einen "Willen" gesteuert wird, welcher im Extremfall den einer Person wiederspiegelt, im Falle von Demokratie als ganzes gesehen aufhört zu existieren, da die verschiedenen Interessengruppen sich abwechseln, die Mehrheiten sich verschieben, die Umstände sich ändern. Auf jedenfall leuchtet mir nicht ein wieso hier die Funktion des Staates als "Werkzeug" (also Medizinische Versorgung, Straßenbau, Pendlerpauschale...!) auch als Waffe, oder sollte ich sagen als Unterdrückungsinstrument aufgefasst wird. Hier liegt tatsächlich der Kernkpunkt meiner Kritik, alles andere sind eigentlich nur Analysen von bestens bekannten Geschichtlichen/Sozialen/Politischen Vorgängen/Prozessen (nachher ist man immer schlauer), aus denen aber diese für mich seltsame Schlussfolgerung gezogen wird.


>Foucault nimmt also eine Trennung von gesellschaftlichen Subjekten als solchen und ihrer Stellung in der Gesellschaft vor. Um ein abstraktes gesellschaftliches Prinzip (Königtum) zu erhalten, wird auf der körperlichen Ebene gehandelt: dies nennt er die 'Ökonomie der Körper'.

Was versteckt sich hinter diesem Satz? Wer handelt hier? Der Staatsappart wird von dem, den "Staatwillen" konstituiernden Subjekten (also in diesem Fall dem König, den Mächtigen) benutzt um sich selbst zu erhalten. Die herrschenden sorgen für den Erhalt ihrer Herrschaft? Ist das wirklich alles was in diesem Satz gesagt wird?


>Diesem Prinzip folgend kann man auch sagen, der Körper eines Individuums reduziere sich – nämlich dann, wenn es bestraft wird. Es ist nicht mehr Herr über seinen Körper, denn dieser wird seiner Freiheit beraubt, bzw. geschädigt. Hier findet die Figur des Königs ihre Gegengestalt im 'geringsten Körper des Verurteilten'.

Welches Prinzip? Um den Machterhalt zu Gewährleisten veranlasst der Wille den Staat das schädliche Objekt zu "neutralisieren"?


>Strafen sind und waren in dieser Zeit eine Machtdemonstration. Grausame Körperstrafen und öffentliche Hinrichtungen waren häufig und aus heutiger Sicht unangemessen brutal. Sie waren ein Mittel gegen denjenigen, der die Regeln eines Systems verletzt hatte und damit das System selbst herausforderte, denn wenn eine Bestrafung nicht erfolgte, konnte sich das System nicht mehr als Träger der Macht behaupten. Wenn also ein Verbrecher zu Tode gefoltert wurde, war das nicht willkürliche Ausübung von Gewalt, sondern eine wohl kalkulierte Machtdemonstration, mit der gezeigt worden ist, dass der Staat mächtiger und grausamer sein konnte als selbst der brutalste Verbrecher.

Brutale Strafen sollten als Abschreckungseffekt gegen die Feinde dienen, ist das etwas neues? Seit der erste Stammeshäuptling den Kopf seines Wiedersachers auf einen Pfahl gespießt hat, hast du doch schon diese Logik.



>Selbstverständlich ist die Verinnerlichung einer kollektiven Moral die Voraussetzung dafür, dass dieses System funktioniert. Aus diesem Grund veränderten sich auch die Institutionen, ihre Funktionsweise und ihre Aufgaben wie die Erhaltung der öffentlichen Ordnung, Strafen, usw. Straftäter wurden in zunehmendem Maße 'korrigiert' statt bestraft, es wurde versucht sie in die Gesellschaft einzugliedern, die öffentlichen Strafen verschwanden, es wurde auf die Situation des Straftäters eingegangen, d. h. 'Schuld' wurde relativ. Somit wurde der Körper nicht mehr gezüchtigt, er wurde überwacht korrigiert und dressiert.
>
>Diese Entwicklung lässt sich sehr schön am Beispiel des Gefängnis veranschaulichen, denn dies ist, wenn man so will, ein Instrument der Moderne. Statt den Delinquenten zu foltern, beraubt man ihn seiner Freiheit, greift korrigierend in sein Handeln ein, setzt ihm enge Grenzen und hat während des gesamten Zeitraumes die Möglichkeit sein Handeln zu überwachen. Damit schafft man sich ein produktives Mitglied der Gesellschaft, dass sich auch wieder in diese eingliedern lässt. Somit ist die Geschichte des Gefängnisses auch eine Geschichte unserer Gesellschaft, nämlich die Geschichte unserer Befriedung und Zähmung in den Zuchthäusern, die uns als notwendige, nützliche, produktive, lebenserhaltende existenzsichernde Anstalten vertraut sind: Schulen, Kasernen, Betriebe, Krankenhäuser (dieser letzte Satz ist aus dem Klappentext).


Ja, der Wandel hat mit der Aufklärung angefangen und was daraus wurde ist unsere heutige Gesellschaft. Das sind alles relativ bekannte Interpretationen von geschichtlichen Vorgängen und so doch eigentlich ein alter Hut? Was mir dann immer zu denken gibt, und was ich im vorigen Post mit Schwarzmalerei meinte, ist der nächste Schritt, ist dieser Kulturpessimus der die Schulen, die Krankenhäuser und Betriebe sofort zu "unseren Gefängnissen" umdeutet. Was soll das? Der Mensch als solcher unterliegt seit jeher unterschiedlichen Einflüssen, zumindest solange er nicht Mowgli heisst. Also wo ist jetzt genau das Überrschande/Neuartige in dem Gedanken?


>>Substanzlose Schwarzmalerei, was wird hier als Gegenentwurf postuliert? Die Freiheit nach belieben zu töten, zu plündern oder ohne irgendwelche Fähigkeiten einen Top-Manager Job zu bekommen?
>
>Naja, es handelt sich hier um eine gesellschaftliche Analyse, nicht mal um eine Kritik. Ich habe das Buch nicht so verstanden, als wenn eine Wertung vorgenommen werden sollte. Es ist eben eine Beschreibung von gesellschaftlichen Funktionsweisen und Zuständen. Man muss nicht immer einen konstruktiven Gegenentwurf parat haben.


Ok, wie gesagt reagiere ich nur auf das was mir in diesem Post vorgelegt wurde.


>Ich denke eher, diese haben sich innerhalb des genannten sozialdarwinistischen Prozesses herausgebildet, da wird es schwer einzelne verantwortlich zu machen. Davon abgesehen bist du Teil dieses Unterdrückungsapparates. DU DU DU! Ich sagte ja, die Antwort würde dich überraschen. :)

Das ist was ich kritisiere, wieso wird dies als "Unterdrückungsprozess" aufgefasst, nicht als "Förderungsprozess"?  Was wäre als Alternative denn dann bitte die "Freiheit"? Oder hat für studierte Soziologen das Wort Unterdrückungsprozess tatsächlich alle negativen Konnotationen die mit dem Worte "Unterdrückung" einhergehen verloren? Selbst wenn dem so ist, war es dann nicht an erste Stelle als das Wort geformt wurde negativ Konnotiert? Also wieso dieser Pessimismus, wieso eine Wertung vornehmen für etwas das man relativ Wertungsfrei schildern kann?


>>>Foucault beschreibt die Gesellschaft als ein Gebilde, das von kleinsten Machtlinien durchsetzt ist und in der alle Individuen ständig von Machtmechanismen besetzt werden. Macht soll dabei als etwas Vielgestaltiges, Vielschichtiges, Ungreifbares verstanden werden, das Menschen nicht besitzen, sondern höchstens in begrenztem Maße von strategischen Positionen aus steuern können.
>>
>>Oho, George Lucas hatte Focault gelesen.
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>Ich habe das so verstanden, dass die Bindung von Macht und Individuum nicht permanent ist, sondern Macht eine gesellschaftliche Position darstellt, die prinzipiell jeder besetzen kann, z. B. als Politiker, Polizist, etc. aber auch als Lehrer, GEZ Eintreiber oder Leserbriefeschreiber.


Schon klar, ich fand nur, dass war jetzt ein relativ putziger Witz von mir. Ich hoffe du hast kurz mal darüber gelächelt. :)
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