Seriös  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 21.02.2008 04:09 Uhr
Thema: Re:Schuld und Sühne... Antwort auf: Schuld und Sühne... von c
Ich hab mich in Soziologische Themen niemals eingelesen, man möge also mein dilettieren verzeihen...


>Ich habe das Buch gelesen und ein wenig dazu geschrieben, der Text eignet sich aber nicht gut als Zusammenfassung oder Empfehlung (dafür habe ich den Wiki-Text unten kopiert). Ich fand das Buch hochinteressant, weil es die Machtmechanismen des Staates und ihre zunehmende Verfeinerung im Laufe der Zeit beleuchtet. Dabei kann man, wer hätte das gedacht, Foucault einfach so runter lesen, der Text ist leicht verständlich und alles andere als theoretisch.

Was ist in diesem Kontext der Staat? Wenn ich den Text hier so lese beschleicht mich das Gefühl als würde der Staat als eigenständige Entität mit so etwas wie einem Willen dargestellt, praktisch ein fast übernatürliches, auf alle Fälle übermenschliches Wesen, das seinen "Volkskörper" nach belieben formt?


>In Überwachen und Strafen stellt Foucault eine Repressionshypothese auf, die sich als eine der Grundannahmen der postmodernen Philosophie herausstellen sollte.
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>Laut Foucault kann Repression und Überwachung nicht einfach als einseitiges Verhältnis einer Einwirkung auf einen zuvor "ganzen Körper" oder "ganzen Geist" verstanden werden. Macht, und mit ihr auch Repression, seien so nicht nur unterdrückend, sondern auch produktiv.


Ein Rechtsstaat hat auch Vorteile, wer hätte das gedacht.


Das heißt, dass erst die Machtstrukturen überhaupt die Subjekte konstituieren, die dann eine Gesellschaft bilden. Foucault macht dabei drei große Machttechniken aus:
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>   1. Einschließung der Individuen in einen nach außen abgeschlossenen Bereich, wobei jeglicher Transfer zwischen dem eingeschlossenen Bereich und der äußeren Welt, etwa von Menschen oder Gütern, kontrolliert werden kann.
>   2. Parzellierung, d. h. jedem Individuum wird ein fester Platz und feste Funktion zugewiesen, wodurch eine Kontrolle der Individuen und ihrer Leistungen effektiviert wird.
>   3. Hierarchisierung, d. h. die Individuen werden nach Rang und Status klassifiziert. Jedes Individuum ist dann durch einen ganz bestimmten Abstand zu Anderen definiert und wird versuchen, sich jener Norm, welche der Klassifikation zu Grunde liegt (z. B. gute Noten, hohe Produktivität), anzupassen.


Das würde doch Vorraussetzen das sich der Staat sich willentlich dieser Methoden bedient um seine Bürger zu kontrollieren. Aber wie kann eine demokratischer Staat dessen Wille zumindest theoretisch mit dem Willen des Volkes gleichzusetzen, auf alle Fälle aber niemals auf nur einen Willen (aufgrund der unterschiedlichen Fraktionen, der Aufteilung in Länder, etc.) reduziert werden kann überhaupt den Willen aufbringen um sich dieser Methoden (die allesamt sowieso älter sind als das was man als Staat versteht) bedienen?


>Nachdem diese Machttechniken im 16. und 17. Jahrhundert erst langsam entwickelt wurden und sich im 18. und 19. Jahrhundert in Reinform durchsetzten, ist seit dem eine weitere Optimierung der Disziplinartechniken zu beobachten. Zwar sind die Einflüsse der machtausübenden Institutionen selbst geschwunden (in der Schule durch Pädagogik, in der Firma durch Gewerkschaften und die Lehre vom Angestellten), dafür wurden aber immer mehr und immer subtilere Zwischeninstitutionen geschaffen, die erstens das Individuum durch kontrollierte Zugeständnisse gefügig hielten (Pädagogik, Rechte von Gefangenen, Schülern, Soldaten usw.) und zweitens sich immer breiter in der Gesellschaft verteilten (Schule wird über Zeugnisse und Leistungen mit Firma verbunden, Schule und Jugendamt und Mitbürger kooperieren bei der Überwachung von Familien etc.).

Substanzlose Schwarzmalerei, was wird hier als Gegenentwurf postuliert? Die Freiheit nach belieben zu töten, zu plündern oder ohne irgendwelche Fähigkeiten einen Top-Manager Job zu bekommen? Und was würde das bedeuten, doch lediglich die Videospiel-Freiheit a la Morrowind. Das ganze ließt sich so als hätte der Staat Abschlusszeugnisse und Vorstellungsgespräche aus dem Willen heraus geschaffen seine Bevölkerung besser zu kontrollieren, und das hört sich dann ungefähr so kindisch an wie die Phantasterei in Matrix.


>Foucault beschreibt die Gesellschaft als ein Gebilde, das von kleinsten Machtlinien durchsetzt ist und in der alle Individuen ständig von Machtmechanismen besetzt werden. Macht soll dabei als etwas Vielgestaltiges, Vielschichtiges, Ungreifbares verstanden werden, das Menschen nicht besitzen, sondern höchstens in begrenztem Maße von strategischen Positionen aus steuern können.

Oho, George Lucas hatte Focault gelesen.


Äquivalent vertritt Foucault hier eine systemdarwinistische Position, d. h. Systeme (z. B. Staaten, Firmen), deren Überwachung effektiv sowohl die Produktivität steigert als auch die Kosten für Herrschaft reduziert, setzen sich gegenüber anderen Systemen zwangsläufig durch.

Es gibt also eine "freiheitliche" Überwachung nach Art der westlichen Demokratien und eine überwachende Überwachung wie in Nordkorea oder der UdSSR.
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