c  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 20.02.2008 19:08 Uhr
Thema: Schuld und Sühne... Antwort auf: Bücher und Lesestoff Thread part 2 von Michael K.
... lautet der dt. Titel eines russischen Romans, der wörtlich übersetzt aber 'Verbrechen und Strafe' lautet. Ganz ähnlich klingt der Titel des 1975 vom frz. Soziologen und Philosophen Foucault herausgegebenes Werk 'Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses'.

Ich habe das Buch gelesen und ein wenig dazu geschrieben, der Text eignet sich aber nicht gut als Zusammenfassung oder Empfehlung (dafür habe ich den Wiki-Text unten kopiert). Ich fand das Buch hochinteressant, weil es die Machtmechanismen des Staates und ihre zunehmende Verfeinerung im Laufe der Zeit beleuchtet. Dabei kann man, wer hätte das gedacht, Foucault einfach so runter lesen, der Text ist leicht verständlich und alles andere als theoretisch. Nachdem ich mich ein wenig mit Bourdieu, einem anderen frz. Soziologen auseinandergesetzt habe, der m. M. nach schwer zu lesen ist, hatte ich erstmal genug, war dann aber überrascht, wie zugänglich F. doch ist.

Wer also mal etwas abstrahieren möchte, der kann ja mal unverbindlich reinblättern, das damit gewonnene Wissen lässt sich sicherlich bei vielen politischen Debatten verwenden. Außerdem gibt's anschauliche Beispiele von mittelalterlichen Strafen für Horrorfilmgucker und Killerspielespieler.

aus [http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cberwachen_und_Strafen]:

In Überwachen und Strafen stellt Foucault eine Repressionshypothese auf, die sich als eine der Grundannahmen der postmodernen Philosophie herausstellen sollte.

Laut Foucault kann Repression und Überwachung nicht einfach als einseitiges Verhältnis einer Einwirkung auf einen zuvor "ganzen Körper" oder "ganzen Geist" verstanden werden. Macht, und mit ihr auch Repression, seien so nicht nur unterdrückend, sondern auch produktiv. Das heißt, dass erst die Machtstrukturen überhaupt die Subjekte konstituieren, die dann eine Gesellschaft bilden. Foucault macht dabei drei große Machttechniken aus:

  1. Einschließung der Individuen in einen nach außen abgeschlossenen Bereich, wobei jeglicher Transfer zwischen dem eingeschlossenen Bereich und der äußeren Welt, etwa von Menschen oder Gütern, kontrolliert werden kann.
  2. Parzellierung, d. h. jedem Individuum wird ein fester Platz und feste Funktion zugewiesen, wodurch eine Kontrolle der Individuen und ihrer Leistungen effektiviert wird.
  3. Hierarchisierung, d. h. die Individuen werden nach Rang und Status klassifiziert. Jedes Individuum ist dann durch einen ganz bestimmten Abstand zu Anderen definiert und wird versuchen, sich jener Norm, welche der Klassifikation zu Grunde liegt (z. B. gute Noten, hohe Produktivität), anzupassen.

Nachdem diese Machttechniken im 16. und 17. Jahrhundert erst langsam entwickelt wurden und sich im 18. und 19. Jahrhundert in Reinform durchsetzten, ist seit dem eine weitere Optimierung der Disziplinartechniken zu beobachten. Zwar sind die Einflüsse der machtausübenden Institutionen selbst geschwunden (in der Schule durch Pädagogik, in der Firma durch Gewerkschaften und die Lehre vom Angestellten), dafür wurden aber immer mehr und immer subtilere Zwischeninstitutionen geschaffen, die erstens das Individuum durch kontrollierte Zugeständnisse gefügig hielten (Pädagogik, Rechte von Gefangenen, Schülern, Soldaten usw.) und zweitens sich immer breiter in der Gesellschaft verteilten (Schule wird über Zeugnisse und Leistungen mit Firma verbunden, Schule und Jugendamt und Mitbürger kooperieren bei der Überwachung von Familien etc.).

Foucault beschreibt die Gesellschaft als ein Gebilde, das von kleinsten Machtlinien durchsetzt ist und in der alle Individuen ständig von Machtmechanismen besetzt werden. Macht soll dabei als etwas Vielgestaltiges, Vielschichtiges, Ungreifbares verstanden werden, das Menschen nicht besitzen, sondern höchstens in begrenztem Maße von strategischen Positionen aus steuern können. Äquivalent vertritt Foucault hier eine systemdarwinistische Position, d. h. Systeme (z. B. Staaten, Firmen), deren Überwachung effektiv sowohl die Produktivität steigert als auch die Kosten für Herrschaft reduziert, setzen sich gegenüber anderen Systemen zwangsläufig durch.

****Diese Nachricht wurde von c am 20.2.2008 19:14 bearbeitet.***
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