Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 30.07.2008 20:11 Uhr
Thema: "Nixon" anyone? Antwort auf: W...the fuck? von comicchaser
Ich hatte irgendwann im Mai oder so (oder noch früher) auf SPON ein Interview mit Stone zu dem Film gelesen. Da fand ich es ganz spannend, wie fair er der Figur gegenübertreten wollte. Er sagte, das Bush ja auch definitiv positive Charakterzüge hat, wie seinen Humor bzw. Charisma im persönlichen Umgang. Sicher wird der Film Bush-Bashing, aber auf höchstem Niveau und einer zumindest im Kontext des Films angepeilten Ganzheitigkeit der Figur (Also keine reine Bush-Persiflage, sondern die filmische Annäherung an einen Menschen). "Nixon", auch von Stone, ist in der Hinsicht auch ein Klasse Biopic, das nicht wirklich den Anspruch erhebt, historisch genau zu sein oder die PErson Nixon 1:1 abbilden zu wollen, sondern eher anhand der Öffentlichkeit bekannten Eckdaten eine filmische Biografie schuf, die eine Theorie liefert, wieso dieser Mensch so war (Oder, wie im Trailer: Wie er dort hin kam). Ich wäre von Stone enttäuscht, wenn er das verkacken würde, aber auch angesichts des Trailers klingeln bei mir keine Alarmglocken, im Gegenteil. Der Trailer zeigt ja sehr deutlich den biografischen Kontrast von W. bzw. den Bruch in seiner Biografie, er zeigt die Antagonisten (Bush sen.), er zeigt die allseits bekannten Szenen seiner Flegeljahre (Besäufnisse, Nacht im Knast, Besoffen Auto gefahren, fast mit seinem Vater geprügelt als Erwachsener etc. etc.), eigentlich erwarte ich da jetzt eine funktionierende Konstruktion aus beidem und ein paar anderen Sachen: Das Profil (Charakterstudie fänd ich persönlich bei Bush auch komplett uninteressant) eines Menschen, der von seinem Vater "hate-respected" wird, bestenfalls, eine Giftspritze als Mutter hat und mehr als sein halbes Leben lang von allen um ihn herum als Taugenichts betrachtet wurde, bis er durch eine Fügung der Geschichte (Und spektakulär schwache demokratische Kandidaten) sowie mächtige "Freunde", die allesamt zwar besser gebildet und scheinbar intelligenter waren als er, es aber trotzdem hinbekamen etwas, das eigentlich "ihr" (Gemeint sind die "Falken" um Wolfowitz, Rumsfeld und Cheney, wobei letztere Bush eigentlich mit am meisten eingeschüchtert haben müssen, da sie ja quasi väterliche Freunde waren und de facto für Doubya Autoritäten waren, die mehr von seinem Vater hielten als von ihm selbst, und sich dieser Position sehr bewusst waren) Projekt war, eine Agenda zur gewaltsamen Durchsetzung von Demokratie im nahen Osten nach US-Vorbild zwecks Stabilisierung der allgemeinen Weltsicherheit, nach dessen Scheitern komplett dem armen Kind reicher Eltern in die Schuhe zu schieben und sich selber noch halbwegs ehrenhaft aus der Misere rauszurückzutreten.

Edit: Das impliziert ja auch die Montage des Trailers: Die Hauptfiguren werden nicht mit ihrem Darsteller, sondern ihrem Rollennamen quasi aufgezählt, und der Trailer schließt mit einem Bild von Doubya beim Joggen, dass zumindest suggeriert, dass er von den vorweg genannten Personen davonrennt. Und das Bush die Hosen voll hatte vor all diesen Leuten, aber nunmal in der Position war, genau das nicht sein zu dürfen, ist angesichts des vermeintlichen Fokus auf die "Familienehre" (Vertreten durch seinen Dad) ja schon ein recht episch angelegter Konflikt. In etwa das was ich nach dem SPON-Interview mir erhofft hatte, nämlich eine etwas differenziertere Betrachtung von jemandem, der gerade hierzulande schnell mal mit Hitler verglichen wird, ohne dass das irgendeine Substanz hätte.

Es ist eigentlich diesselbe Geschichte wie bei The Shield, nur mit anderen Darstellern

>Oliver Stone macht eine (ernstgemeinte?) Filmbiografie über das Leben von George Bush und somit die (noch) amtierende Regierung?

Wieso nicht? Machen kann er alles, ich neide den Amis ihre verfassungsmäßige Meinungsfreiheit. In Deutschland verstößt glaube ich schon das Denken an so einen Stoff gegen neuntausend Persönlichkeitsgesetze.

>Nach mehrfachem anstarren des ersten Trailers weiß ich immer noch nicht was ich davon halten soll. Die gezeigten Szenen und die Musik wirken irgendwie...schmalzig?

"Polemisch" mag der Ausdruck sein, aber zeig mir bitte einen einzigen unpolemischen Filmtrailer. Wenigstens verlange ich nicht, mir einen unpolemischen Filmtrailer zu einem Streifen von Stone zu nennen, dass ist denke ich unmöglich.

>Ich bin mir aber auch nicht sicher ob das jetzt am Filmstil liegt, oder ob GWB's Werdegang irgendwas mit dem Hollywodcliché an sich gemein hat.

Mit "Hollywoodcliché" meinst du wohl, dass sich so ziemlich alle Filme auf ein gutes dutzend Grundformeln bringen lassen, in diesem Fall wohl "An sich ganz netter Typ baut ohne viel zutun große Scheiße" und in diesem Sinne wohl so die Kategorie "Ödipus" einzuordnen. Sorry, bin da auch nicht sehr fit drin, aber es hat seinen Grund, warum einem sowas bekannt vor kommt: Man hat es oft gesehen. Und man hat es oft gesehen, weil es funktioniert. Was nicht funktionieren würde (Nämlich den Zuschauer aufzuwühlen, aufzuregen, zu nerven, ärgern, begeistern etc.) wäre mit einer trockenen Doku oder einem Histotainment-Ansatz wie bei diesen Geschi-Reenactments aus Deutschland dieses Ansinnen zu stemmen. Es ist ja durchaus Stones absicht, Leute vor den Kopf zu stoßen, und das wäre mit einem Film einfach nicht möglich, der denselben Spannungsbogen hat wie das echte Leben.

Kein Mensch möchte wissen, wie die anderthalb Jahrzehnte ausgesehen haben, als er mit Laura als wiedergeborener Christ eine Baseballmannschaft geführt hätte. Stattdessen wird er dem Teil wohl nicht denselben Raum im Film einräumen, wie er ihn prozentual in Bushs wirklichem Leben einnahm.

Wie gesagt, das funktioniert. Und würde btw. auch erklären, warum in der Bibel nichts steht über Jesus zwischen seiner Pubertät und seiner Zeit als Guru.
You gotta edit that shit, man.

>Je nachdem wann der Film rauskommt, könnte das ganze ein glorifizierender Abgesang oder ein Abschieds-Arschtritt sein, wertfrei wird das ganze bestimmt nicht.

Nee, Oliver Stone ist schließlich Oliver Stone. Weshalb man auch nicht davon ausgehen sollte, das der Film ein Meilenstein wird, aber Biopics kann der Kollege, und "Alexander" würde ich weniger als Biopic sehen denn als Historienschmonz, mit dem sich der Kollege offenbar übernommen hat. "JFK" war ja auch kein Kackfilm. Es gibt halt, wie bei JEDEM guten und bekannten Regisseur, immer wieder Filme die man Scheiße findet.

>Josh Brolin und James Cromwell als Bush Junior und Senior sind aber auf jedenfall Knaller. ;)

Ich find Cromwell gut besetzt, Josh Brolin hat mir einfach nicht die Fresse dafür. Den jungen Bush kauf ich ihm ab, aber der grau(weißhaarige Bush sieht so aus wie Ted Danson in "Curb Your Enthusiasm". Ich fand ja den Typen von "Hier Kommt Bush" riesig, der hat ihn sehr gut getroffen, aber Stone wollte sicherlich einen Typen, der sowohl den jungen als auch den alten spielen kann, ohne dabei groß zu chargieren. Ich find Brolin aber vom Typ her nicht albern genug, um diese Seiten aus Bush rauszukehren, ich bin sowieso ein bischen Josh-Brolin-Hater, weil er und diese andere Mumu "Hollow Man" im wahrsten Wortsinn kaputtgemacht haben.
In "No Country For Old Men" fand ich ihn super, aber da musste er ja auch einen ganz anderen (weniger komplexen) Typen spielen wie in "W."
Ich find auch Rumsfeld und Carl Rove leicht fehlbesetzt, umso überzeugender sind Condi, Cheney, Barbara Bush und Powell.

Einer der wenigen Hype-Filme, auf die ich Bock hab. Dark Knight my Ass. Spiderman 3 hat auch alle möglichen Rekorde gebrochen, und von Nerds lasse ich mir lang nicht mehr sagen was ich gutzufinden hab. Diese Nerds!***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 30.7.2008 21:29 bearbeitet.***
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