Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 06.06.2008 20:53 Uhr
Thema: Re:Lost S04E09 "The Shape of Things to Come" Antwort auf: Re:Lost S04E09 "The Shape of Things to Come" von Sascha
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>> Fand ich auch klasse den Spruch. Ich hab mittlerweile nen richtigen Hass auf
>> Locke, fast schon so schlimm wie auf Ben. Dabei war Locke in den ersten beiden
>> Staffeln mein absoluter Held
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>Ja, und dabei ist es noch nicht einmal die Tatsache das er so beharrlich seinen
>eigenen Weg irgendwie geht, sondern eher das er das auch mit der Waffe durch-
>setzen will. Das macht es so befremdlich.


Ich hab jetzt letzte Woche Lost endlich weiter geguckt und hab nach anderthalb Folgen schon keine Lust mehr. Es hat der Serie einfach geschadet, dass sie so zerstückelt wurde ab der dritten Staffel. Plötzlich werden elementare Sachen aufgeklärt und Offscreen Figurenziele eingelöst (Nadja!), auf die man als Zuschauer lange und extrem behäbig vorbereitet wurde, sie haben das Inselszenario anscheinend zu 50% ad acta gelegt genauso wie die Dharma Initiative, was übrig ist erinnert frappierend an das späte Schicksal von Alias. Zumal (ich hab das Finale und anderthalb folgen davor glaube ich nicht gesehen, ich bin ausgestiegen als Locke seine Flashbackfolge hatte, in der Mitte) offenkundig alles auf ein internationales Spionageduell vor wechselnden, in Kanada/Mexiko gedrehten Kulissen. Allein das sie in zwanzig zusammenhängenden Minuten Rousseau, diesen hirnfrittierten Stecher von Alex und schlußendlich auch noch letztgenannte relativ kommentarlos hinrichten. Hallo? Ihr habt ewig und drei Tage lang die Liebesbeziehung von Alex als erzählerische Grundlage benutzt, und jetzt mussten die Schauspieler weg? Jammerschade. Aber behindert 2 da max. Genauso wie die Tatsache, dass der Black Smoke maximal Fleischwunden verursacht, so lange und laut wie die geschrien haben fand ich es schon doll, dass die da mit nur einem Verletzten anscheinend wieder rauskamen. Locke's Figurenentwicklung ist genau wie die von Sayid billig begründbar durch die ohnehin zwielichtige und rastlose Natur der Charaktere, dass sie daraus aber so schamlos kapital schlagen ist schon wieder behindert.

Am Ende geht es um irgendeinen zum börsennotierten Unternehmen mutierten Kult, der vor 200 Jahren den Jungbrunnen gefunden hat, der aber derbe powerful ist und sich wahllos Auserwählte sucht, um ihr Leben zu ruinieren, einzig und allein zu dem Zweck dass die Heldenfiguren ihn am Ende vernichten. Geil, sie haben Lost zu Indiana Jones 3 gemacht. Sorry, es ist so.

Was Lost in einigen Punkten besser macht als Alias: Der Look. Die Sets sind im Dschungel immer noch voll hochwertig (Das London widerum zB. ausschließlich durch ein schwarzes Taxi und ein lächerlich pompöses Hotelfoyer (Wie es nur Amerikaner hinkriegen würden) sowie eingespielte Klassik dargestellt wird kennt man ja aus Alias, wo in Kanada dieselben Straßenlampen stehen wie in München oder Berlin), und die Besetzung ist besser bzw. deren Spiel ernster und manchmal auch cooler. Bis die Armee-Idioten die Insel gestürmt haben (Warum noch mal? Warum kommen acht Söldner nicht an gegen Ben Linus, Locke, Hurley und Sawyer - aber gegen den Black Smoke????) fand ich die zum Beispiel supergeil. Jetzt sind sie ziemlich albern benutzt worden, wie auch jede der jetzt gerade neuen Folgen bisher visuell grundsätzlich ansprechend war, aber total enttäuschend. Das ich darüberhinaus die übersicht über die Handlungsfäden verloren hab macht es nicht einfacher, jetzt, wo sie offenbar durch äußere Bedingungen gezwungen waren die komplette Serie auf den Kopf zu stellen zugunsten eines mythisch fundierten "Race-Around-The-World"-Plots, auf den ich scheißen kann. Was ich lustig fand bei der Szene wo das Camp gestümrt wurde war weniger Sawyer und seine Kevlar-Gartenbank als die Redshirts, die nacheinander ins Bild kamen und sofort erschossen wurde, wovon der letzte (der vierte oder fünfte, they kinda took the piss out of it) tatsächlich ein rotes T-Shirt trug. LOL!

Weniger cool sind dann prätentiöse Shoutouts an die Lieblings-Kindheits-Literaten. Wenn Ben Linus als "Moriarty" in Tunesien/Mexiko eincheckt, wirkt das irgendwie peinlich und trashy, so wie Alias halt. Deren Trashyness ich allerdings mochte, das war ja der Kniff der Serie: Trashige Over-The-Top-Agentenplots mit an seinen besten Stellen lustvoll zelebriertem Wahnsinn. Ich dachte mit Lost wäre den "Machern" was ganz anderes gelungen, vielleicht sollte es das auch werten. Es war halt zwei Staffeln lang ein gekonntes Spiel mit Zuschauererwartungen, bis es dann Bullshit wurde, bzw. kurz gefasst: Die dritte Staffel war die komplizierteste denkbare Möglichkeit, eine völlig neue Geschichte einzuführen, welche man aber in ihrer Art schon dutzend mal gesehen hat. Das Springen in den Zeitebenen ist mittlerweile völlig verwirrend geworden, weil man neben dem Ensemble, dass sich mit jeder Staffel verdoppelt hat (Auch mit der vierten) noch drei verschiedene Zeitebenen im Kopf haben muss, plus X. Das konnte nur ne Weile gut gehen, genau wie man in Alias auch nur geschafft hat, zwei Staffeln lang das ganze vor dem Einsturz zu retten.

Ich find die Serie nicht schlimm oder so, sie macht nur kaum noch mehr Spaß zu gucken. Genau wie Prison Break, das nach nur einer Staffel einknickte. Nur dadurch, dass die sich aus welchen Gründen auch immer nach zwei Staffeln alles (scheinbar) zu raffen, aber auf eine Art und Weise die mir das zuschauen ab irgendnem Punkt komplett erschwert, haben die mich als begeisterten Zuschauer verloren. Ich war anderthalb Staffeln gewillt, mich auf "was neues, cooles" einzulassen, aber mittlerweile sieht man deutlich, dass die Autoren nur noch billige Tricks wissen um einem ansonsten auch gar nicht mehr zu bändigendem Wust aus allen möglichen Storypfaden beizukommen. In den ersten zwei Staffeln haben sie mit all dem Andeutungshype ein narratives Monster geschaffen, das ihnen gerade vor unseren Augen um die Ohren fliegt, hab ich das Gefühl. Da Abrahams seit Staffel 1 Ende nicht mehr wirklich dabei ist, es viele unterbrechungen gab und deswegen wohl auch fluktuation, und das die Headwriter jeder besetzung sich wohl für noch geiler hielten als die vorherige ist wohl der Grund dafür, warum ich von Lost in der Regel nur noch kopfschmerzen kriege sowie zwischendurch mal ein gelungener Gag.

Aber langsam erreicht das ganze Matrix Revulutions-Niveau. Wenn die nächste Staffel eh wieder damit anfängt, auf eine unangenehm dreiste Art Sachen scheinbar beiläufig aufzulösen, die bei Charakteren drei Staffeln lang der einzige Grund waren, warum die noch an ihrem Leben hingen, und ich das einfach so kaufen soll nach dem Motto "Naja, die Figur ist seelisch gebrochen. Sie hats halt nicht geschafft, nach der Insel. War doch immer klar, dass sowas passieren würde?! *lölz*" & "Warum das jetzt so gekommen ist - das erfährst du in demselben 'Teer läuft die Decke runter'-Tempo, in dem die Serie sonst voran gebracht wurde!"... das macht mich wirklich wütend. Ich kriege von der Serie selber also die essentiellen Plot-Points durch das Zukunfts-Flashback-Ding de facto gespoilert, und soll dann noch gespannt sein, was in den vier Jahren/Monaten/Tagen dazwischen passiert ist? Ihr habt doch ein Ei am Wandern. Ich hab Lost bisher allein aus der Perspektive geguckt, dass ich Spoiler möglichst vermeiden wollte - jetzt sind sie der alleinige Inhalt.

Alias wurde ab einem bestimmten Punkt sehr auffällig, Folgen mit einem Höhepunkt anzufangen (Sydney soll erschossen werden oder irgendeine Bombe wird gleich explodieren, wir haben keine Ahnung was los ist, wissen aber gleich, das alles auf dem Spiel steht und die Kacke mächtig am Dampfen ist, kurz bevor der Abzug an ihrer Schläfe betätigt wird, Cut zu den Opening Credits, dann gehts weiter in gemächlichem Tempo und der Bildunterschrift "72 Hours Earlier"). Das kann man nicht beliebig oft machen. Lost hat's echt mal nötig mit der nächsten Staffel spätestens auserzählt zu werden, noch zweieinhalb Staffeln lang diese Kacke, die entweder konfus oder doof ist, bis sie endlich die Insel mit einem irgendwo verbauten Atomsprengkopf weghauen muss ich nicht haben. Ich erinnere mich unter großen Schmerzen an die letzten zwei Staffeln Alias, die sie brauchten, um die zu erwartenden Hauptfiguren umzubringen und den zu erwartenden Hauptfiguren ein fast schon grotesk happy'es' Ending zu bescheren, das war nicht schön.

Und mir ist es mittlerweile auch völlig schnuppe, ob Ben Linus oder der Urururenkel des Entdeckers der Insel am Ende wieder dorthin zurück kommen, oder ob er dessen Tochter umbringt. Die sollen sich wie alle reichen Irren, die nen Beef miteinander haben, entweder schlagen wie Mädchen oder sich gegenseitig verklagen. Oder Jetpack-Polo auf dem Mond spielen, oder sich halt mit U-Booten, angeklebten Schnäuzern, Hubschraubern und Auftragskillern darum zoffen, wer als erstes zurück zur Zauberinsel kommt. Es ist mir scheißegal.
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