Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 19.05.2007 18:57 Uhr
Thema: Re:Ich hasse Lost Antwort auf: Re:Ich hasse Lost von Gilgamesh
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>>Einige Chars wie Mohinder oder Nikki (plus Micah macht das Würstchen) scheinen ätzend zu sein, sinds auch in vielen Belangen, aber wenn man dann noch die Story von Fanliebling Hiro mit seinem Vater George Takei hat, Peter Petrelli und Jim Profit, Matt Parkman, und der verfuckte Horn Rimmed Glasses Man, dann muss man einfach feiern. Das wird ziemlich schnell sehr spektakulär, ab Folge zwei war ich hooked.
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>Ich gucke Heroes immer mal wieder ganz gern in etwas größeren Schüben am Stück, aber unendlich begeistert bin ich auch nicht. Claires Paps ist vielleicht der spannendste Charakter, und Hiro ist niedlich, aber die meisten anderen sind mir ziemlich schnurz. Peter verfällt etwas zu sehr in die weinerliche Emo-Rolle (ich bin weitaus weniger allergisch gegen solche Charaktere als viele andere, aber dann müssen diese auch anderweitig interessant sein), da finde ich sein Bruderherz noch besser. Nikki, gegen die Michelle Rodriguez die Mimik einer Shakespeare-Aktrice hat, ist meiner Ansicht nur die Spitze des Eisbergs. Ja, in Lost nervt der ein oder andere, und gerade viele von den (ehemaligen) A-Hauptrollen haben in letzter Zeit etwas blasser gewirkt, aber Heroes ist es da noch meilenweilt voraus.


Ja sicher. Heroes hat im Moment einige Figuren, die ich umfassend am spannendsten finde: Hiro, Horn Rimmed Glasses, Linderman, Scylar etc.

Das schöne bei Heroes: Dadurch, das die Serie nur zwei im Vergleich zu Lost kurze Unterbrechungen in der Ausstrahlung hatte, bin ich näher drangeblieben. Die Erwartungshaltung war auch nicht so übergroß in meinem Umfeld wie bei Lost, so das man das ganze etwas "befreiter" gucken konnte ohne aus irgendwelchen im Grunde belanglosen Gründen enttäuscht zu sein. Die ganze dritte Staffel ist aus meiner persönlichen sicht einfach doof gelaufen: Die erste Folge habe ich verspätet geguckt, und dann noch auf einem Laptop, wo ich nur 30% des Bildes sah weil der seitliche Blickwinkel zu steil war. Davon genervt entfuhr mir auch kein "Oh wie geil der neue Blickwinkel boah!" und ich wurde gezwungenermaßen lockerer. Dann kamen irgendwann die nachzügler, die nach anderthalb Staffeln Lost auch mal begriffen haben, was so anscheinend im Free-TV aus irgendwelchen Gründen völlig unmöglich war, und da kam dann ein ganz neuer enthusiasmus rein, den ich gar nicht mehr teile. So derbe abgegangen wie hier oder anderswo bin ich auf die erste Staffel. Die zweite war auch toll (so wie auch die dritte), aber man war das ganze mehr gewohnt. Ab der dritten sind dann auch die ganzen Taschenspielertricks der Autoren noch offensichtlicher geworden, weil das Universum nicht mehr durch irgendwelche neuerungen komplett gekippt wurde (Wie durch das entdecken von Dharma am Ende von S1 oder die Existenz der Others am Ende von S2), man sich stattdessen nur noch auf das Katz-und-Maus-Spiel von Fantheorien und Drehrealität konzentrierte und das zwei mal auf den Kopf gestellte Universum nur durch Details ergänzte.

Man fühlt sich nicht mehr so wie wenn man in einem überdimensionalen Trinkglas stecken würde, das plötzlich jemand herumdreht. Vielleicht ist man das auch mehr gewohnt, ich weis es nicht. Nichts läge mir ferner, als etwas schlechtes an Lost zu suchen, für mich ist es aber nicht wirklich der neue Heiland. Es ist im Grunde fast eine Space-Opera, die in denkbar kleinster Raumzeit stattfindet, mit neuen Planeten und Rassen, die entdeckt werden. Aus der Perspektive finde ich Lost supergeil, gerade auch weil ich mit Science Fiction eh kaum was anfangen kann.

Aber vieles findet auch in den Figuren statt, und viele davon kann ich einfach nicht sehen. Die Koreaner öden mich seit Tag 1 an, Henry Gale wird zwar gut gespielt, ist mir aber auch irgendwie egal, nachdem er das kleine Finale am Ende von Folge sechs überlebte. Kate hasse ich, bei Jack nervt es mich, das sie die Figur so lange einfach verlassen haben kurz nachdem er seine Badass-Seite zeigte und jetzt wieder der alte Tussi-Jack ist. Wieso man Locke seiner inneren Handlung derart beraubt, die eine schön traurige Geschichte über einen schön traurigen Mann birgt, und stattdessen ihn als weißes Kaninchen nutzt das als letzte Hauptfigur einen signifikanten Kontakt zu den Others und deren anderen ungesehenen Schandtaten unterhält, weiß ich nicht und finde es persönlich schade. Charlie haben sie mit einer für mich bis heute nicht wirklich verständlichen "Ich baue mit dem Neger eine Kirche" Arc irgendwie uninteressant gemacht, Claire hasse ich auch schon seit Tag 1, und die erzählte Zeit ist zu kurz, um meine Theorie zu beweisen, das Aaron der zweite Hitler ist.
Früher standen mir die Figuren näher, jetzt wird alles irgendwie Bürgerkrieg in Grünbraun, die Geheimnisse sind nicht mehr so geheimnisvoll bzw. das was dahinterliegt egal. Das ist keine Kritik an den Autoren, sondern am Publikum: Nur weil hinter jedem Fragezeichen nicht gleich eine Antwort mit dem Befriedigungsgrad einer Orgie mit neun geilen Weibern hat muss man nicht gleich rumweinen.

Mir ist als Zuschauer einfach das Gefühl verloren gegangen, das ich mir das ganze unbeschwert angucken und nachher ähnlich unbeschwert darüber reden kann. Stattdessen vergleicht man Theorien wie Sammelkarten, was ich seit den ersten paar Folgen von Staffel 2 nicht mehr mache, weils einfach am schönsten ist, sich darauf einzulassen und verwirrt zu werden. Stattdessen werde ich aufgeklärt, und das Gefühl mag zwar irgendwas befriedigen, aber nicht meine Neugier auf und meine Freude am Ungewissen.

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>Heroes gucke ich wegen der schön durchplanten Story, die sich zumindest bisher nicht zu sehr in Füller Subplots verfängt, und anderen Faktoren, die eher handwerklicher Natur sind.


Das ist der Grund, der mich in der Mitte bei der Stange hielt. Das alles anscheinend kopiert ist von Watchmen (kenn den Comic nicht) ist mir egal (eben drum), ich finds geil, das man Leute mit krassen Fähigkeiten sieht und wie diese miteinander umgehen.

HRG (Mr. Bennet) ist zwar die ganze Zeit geil, gewinnt aber nach einiger Zeit als Shapeshifter sogar noch dazu. Claire, die ich zuerst völlig kacke fand, ist irgendwie putzig. Micah hat geile Skills, seine Eltern sind Scheiße, aber Nikki als fleischgewordener Trickster ist eine Figur, die ich allein schon wegen ihrer Funktion nicht missen möchte - ihr Stelldichein mit Matt Parkman fand ich schon ziemlich cool.

Scylar ist als Bösewicht auch sehr cool gewählt, und obwohl Peter zu Anfang nervt, wird er später einfach nur fett geil. Seine Fights mit Scylar müssen einfach jedem Comicfan das Herz höher schlagen lassen.

Und Hiro und Ando als putziges Otaku-Duo, das die Welt retten will, ist tierisch charming. Ein bischen My Name Is Earl in der ansonsten eher emotional bemüht oder distanziert wirkenden Heroes-Welt, wo zwei knuffige Taugenichtse lernen, was Freundschaft bedeutet, auch wenn man währenddessen die Welt retten soll.

Sowas fehlt Lost mittlerweile. Der Comic Relief, der sowieso extrem selten war, wäre aber angesichts der Kriegsstimmung schon irgendwie nötig, stattdessen sind die Hauptfiguren die ganze Zeit nur am Wehklagen gegen den großen Feind, der fleißig Intrigen spinnt.

Heroes betreibt viel weniger Geheimniskrämerei, im Gegenteil: Man zeigt sogar die Welt in fünf Jahren und wie die Figuren sich entwickelt haben. Aber dadurch, das eine Figur die Zeit beeinflussen kann, spielt das alles keine Rolle mehr. Es könnte sich der gesamte Storyverlauf jederzeit in jede Richtung ändern, und das spielt man dem Publikum auch noch vor. Irgendwie ziemlich cool, aber wie du richtig sagst, eher Handwerk.

Aus nichts anderem besteht übrigens Lost.

>Aber zum absoluten Knüller fehlt mir da halt ein symphatischeres/interessanteres Ensemble-Cast.

Wie gesagt, so interessant finde ich den Lost-Hauptcast gar nicht mehr. Das sind aber Dinge, die einfach nur von meinem Geschmack her kommen und meiner Laune. Ich hab keinen Bock einen lächerlichen Lost vs. Heroes-Bashfight zu starten, ich sage nur, man sollte beides gucken. Dann ist man einerseits nicht mehr traurig, wenn Lost mal ne schwache Folge hatte, und andererseits nicht so festgefahren in der eigenen Wahrnehmung. Ausserdem hat man dadurch einfach mehr Spaß, man guckt zwei hervorragende Serien statt nur einer. Andere Sichtweisen sind reines Fanboytum, und das war nie mein Fall. Ich hab in der Regel immer sechs Sachen gleichzeitig gefeiert, und das ist auch gut so, denn wenn ich eins liebe wie ein dickes Kind Kuchen liebt, dann hervorragendes Fernsehen.
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