D@niel  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 02.11.2006 20:00 Uhr
Thema: Re:Sammelantwort auf die "Experten" unter mir Antwort auf: Re:Sammelantwort auf die "Experten" unter mir von Gilgamesh
>Ich weiß, worauf du hinauswillst, aber ich weiß nicht, ob ich all den Beitragsschreiben pauschal so etwas unterstellen würde.

Also ich unterstelle ihnen nichts, ich habe nur ihre Beiträge gelesen. Und da muss ich nichts mehr hinzudeuten.

>Ich weiß, daß ADS sicher kein reines Hirngespinnst oder eine Modekrankheit ist (wobei bei psychologischen Themen freilich immer nur gemutmaßt werden kann, solange man noch niemandem komplett in den Kopf kucken kann ist die Diagnose in diesen Bereichen eigentlich vor allem Mustererkennung), daß es aber überdiagnostiziert wird, glaube ich gerne.

Gerade, was die Ursachen angeht, ist im Moment noch ziemlich wenig bekannt. Inwieweit die Verhältnisse in der Familie ursächlich sind oder ob sie nur zur Ausprägung der Symptome beitragen, ist AFAIK auch nicht bekannt. Insofern stimmt das mit den Mutmaßungen. Was aber die Syptomatik angeht, ist das Ganze schon ziemlich genau abgegrenzt. Ein seriöser Arzt diagnostiziert eben nicht auf der Türschwelle ADHS und gibt gleich ein Ritalin-Rezept mit. Was mich zu Deinem Beispiel führt.

>Ich habe einen Kumpel, der auf einen Verdacht hin eine sogenannte "Expertin" aufgesucht hat, die ihm dann nach einer Sitzung Ritalin verschrieben hat. Er hat es dann selber nach kurzer Zeit abgesetzt, aber daran sieht man, daß es eben nicht nur verantwortungsbewußte Psychologen gibt, die, wie es eigentlich sein sollte, erst nach viel Zeit und gefestigter Diagnose irgendetwas verschreiben.

Nach einer Sitzung? Ich weiß nicht, was bei Erwachsenen ADHSlern gemacht wird. Bei Kindern dauern allein die Untersuchungen für die Diagnose mehrere Sitzungen. Sie beinhalten Gespräche mit Kind und Eltern, EEG und Intelligenz- und Konzentrationstests. Dann wird die Diagnose gestellt und i.d.R. nicht gleich Methylphenidat verabreicht. Wie ich schon schrieb, wird es erst mit Ergotherapie und Training für die Eltern im Umgang mit ADHS-Kindern versucht.
Da Dein Kumpel vermutlich erwachsen ist, läuft das sicher anders, aber die Diagnose wird sicherlich auch nicht nach einer Sitzung zu stellen sein. Bei einem Erwachsenen kommt Erziehung und Ergotherapie wohl nicht in Frage. Aber irgendwelches Training gibt es sicher auch für Erwachsene. Allerdings glaube ich, das Erwachsene hauptsächlich den Arzt aufsuchen, um die Konzentrationsschwächen zu überwinden. Und viele davon werden wohl schon mit Ritalin liebäugeln, weil sie es als Wundermittel ansehen. Ein Arzt, bei dem die Rezepte locker sitzen, hat da ein leichtes Spiel. Aber es ging hier hauptsächlich um ADHS bei Kindern.

>Leider muß man eben mit allem gebührenden Zynismus sagen: Wo ein aus Ignoranz hervorgebrachter Bedarf da ist - in diesem Falle der Bedarf, für Kinder, die nicht in das Wunschbild ihrer Eltern passen, eine Patentlösung zu finden - da gibt es auch Menschen, die ihre Profession ausnützen, um davon zu profitieren. Bei aller Polemik haben die, über die du dich da echauffierst mit Sicherheit nicht völlig unrecht.

Sicher gibt es die, die Profit daraus schlagen und leichtfertig mit ADHS-Diagnosen umgehen. Ich kann hier auch nur von diesem einen mir bekannten Fall sprechen, und da lief es, wie ich es beschrieben habe. ADHS ist aber eben nicht eine Abweichung vom Wunschbild der Eltern, sondern sehr viel mehr. Und ich glaube auch gern, dass es genug Eltern gibt, die ihr Gewissen über ihre verzogenen Bälger gern mit einer ADHS-Diagnose beruhigen wollen. Ein seriöser Arzt sollte das aber erkennen. In Konstellation mit einem, der sein Geschäft wittert allerdings... Ich will ja auch gar nicht bestreiten, dass es schwarze Schafe gibt. Mich stört aber die Pauschalität, mit der das hier behandelt wurde: ADHS? Ach das sind doch die verzogenen Kinder aus Unterschichtfamilien, die man mit Psychopharmaka vollpumpt. Ganz so ist es nicht.

D@niel
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