Rinoa  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 14.12.2005 09:08 Uhr
Thema: PUH, hier für dich... Antwort auf: Erklärung inside von c
eine wissenschaftliche Abhandlung...

>>>Ich bitte also hiermit um offizielle Erklärungen für jeden einzelnen Strip.
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>>Humor ist wenn man trotzdem lacht?
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>So ungefähr. Ich versuch's mal zu erklären. Humor ist nach landläufiger Definition, wenn ein Gefälle entsteht, zwischen dem zu erwartenden, und dem, was tatsächlich geschieht. Je größer dabei der Unterschied (die so genannte Fallhöhe) zwischen den beiden ist, desto größer ist i. d. R. auch die erzielte Wirkung. Vor allem dort, wo eine gewisse Ehrfurcht eingefordert wird, funktioniert der Witz besonders gut; mit dem Tabubruch verbindet sich die heimliche Freude über die Verunglimpfung von Autoritären. Wenn der zerlumpte Clochard über seine eigenen Beine stolpert und hinschlägt ist das nicht so witzig (ein bisschen vielleicht), als wenn dies einem hohen Würdenträger im Gespräch mit einem Untergebenen widerfährt.
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>Je nachdem, in welchen Lebenswelten sich der Leser bewegt, erkennt er andere Autoritäten an: In unserer medial geprägten Zeit sind es weniger Kirche und Staat als die neuen Autoritäten auf den Bildschirmen: Was Cpt. Kirk sagt, hat Bestand. Als Kapitän eines Raumschiffes unterstehen ihm hunderte von Besatzungsmitgliedern. Auch wenn die Figur des Cpt. Kirk nur erdacht ist so wird sie als Autorität (innerhalb des ihr zustehenden Kontextes) anerkannt. Die Serie genießt bis heute hohe Popularität und die Fans fiebern mit, wenn es um die Frage geht, ob es ihm, Spock, oder dem armen Teufel im roten Sweatshirt an den Kragen geht, wenn sie auf den nächsten Planeten "hinunterbeamen".
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>Es ist nicht nur diese Popularität, die Michael "Bully" Herwig zu einer Parodie auf Star Trek veranlasst haben wird, auch die Infragestellung von "Respektspersonen" wie Kirk, Spock, McCoy und Co. machte das "(T)raumschiff" interessant. Zahlreiche Fanparodien funktionieren nach dem gleichen Muster: In "Spritwoch" werden die Fehler einer Actionserie um einen schwarzen Sportwagen und David Hasselhoff genüßlich ausgebreitet und reflektiert, in der Neuvertonung von "Star Trek - The next Generation", die den sprechenden Namen "Sinnlos im Weltraum" trägt, wird die pazifistische Grundhaltung und der Intellekt von Schiffsführung und Crew in Frage gestellt.
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>Diese Distanzierung darf aber nicht als Zeichen der Abwendung von den Idolen einer Jugendkultur verstanden werden, sondern als augenzwinkerndes Hinterfragen ihrer Autoritäten. Gerade weil die Erlebnisse dieser Figuren jahrelang mit kindlicher Naivität konsumiert worden sind, wirkt es nun besonders komisch sie in Zweifel zu ziehen, oder die jahrelang antrainierten Erwartungshaltungen in Bezug auf Handlung und Charakter bewusst zu enttäuschen.
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>Mögen die Darstellungen dabei auch oftmals geschmacklos und verletztend wirken, die von den Erzählern ersonnenen alternativen Handlungen sind Ausdruck geistiger Reife und Emanzipation; es wird hier deutlich gemacht, dass der eigene Handlungsspielraum sich nicht mehr auf ritualisierte und gesellschaftlich erwartete Handlungen beschränkt. Der Verfasser einer solchen Parodie oder eines solchen Witzes behält es sich vor, dem Subjekt seines Scherzes den von ihm eingeforderten Respekt zu verweigern und dessen Position zu hinterfragen.
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>Die PBF-Strips funktionieren fast alle nach diesem Prinzip, der Leser wird mit einer Situation konfrontiert, die er zunächst in seinen Erfahrungshorizont einordnen muss. Schon beim ersten Bild der den Transformers ähnelnden Robotern z. B. ("Refridgeron and Magnimus") beginnt der Leser bewusst oder unbewusst diese mit seinen Erfahrungen zu vergleichen und entsprechend seinen Assoziationen zu kategorisieren: "bunte, oberflächliche und realitätsferne Action für Kinder, die den Verkauf von Spielzeug fördern soll. Trotz häufiger Darstellung von Kampfhandlungen zwischen gut und böse ist das Gezeigte vollkommen gewaltlos" wäre ein Beispiel dafür.
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>Als im ersten Bild der größere Roboter seinem kleinem Begleiter zuruft, dass dort ein Bürger in Gefahr sei, und sich beide nun transformieren müssten, scheint der weitere Verlauf der Handlung klar: Die stählernen Kampfmaschinen stellen sich der Bedrohung, besiegen oder vertreiben diese und retten den oder die Unschuldigen. Doch es kommt anders: Die neue Gestalt der Roboter ist harmlos, als ein Kühlschrank und ein PKW fahren sie an einem wehrlos am Boden liegenden vorbei, der von zwei Bösewichten verdroschen wird. Die Konfusion des Lesers wird im letzten Bild aufgeklärt: Es war gar nicht die Absicht der beiden, dem Opfer zu helfen, ihre Verwandlung diente vielmehr dazu, unerkannt an ihm vorbei zu kommen und sich so ihrer moralischen Verantwortung zu entziehen.
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>Auf diesem Wechselspiel vom Aufbau einer Erwartungshaltung und der bewussten Zerstörung derselben lebt diese Art von Humor. Ein weiterers Element ist der Wechsel der Perspektive: Im achten Strip werden die Sonne und die Erde als Mann und Frau personifiziert dargestellt. Die Liebeserklärung der männlichen Sonne ("I love you") wird von der weiblichen Erde erwidert ("I love you too"). Schließlich bittet die Erde um einen Kuss der Sonne. Ihre simple, beinahe symbolisierte Darstellung und der ebenso einfache Dialog erinnert an Kinderbücher, in der eine solche Szene ebenso erzählt werden könnte wie hier. Im letzten Bild aber bricht ein Inferno los.
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>Der naiven Zuneigung der zwei Himmelskörper wird ein erschreckender Realismus entgegengestellt: Was wäre, wenn die Sonne nun tatsächlich versuchte, die Erde zu küssen? Die verbrennenden Menschen zeugen von einem apokalyptischen Szenario, welches den Tod von Millionen von Menschen zur Folge hätte. Die Darstellung eines brennenden Kinderwagens verdeutlicht noch das Schrecknis einer solchen Vorstellung.
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>Hier stehen sich die positive Grundstimmung einer naiven Liebesbeziehung zwischen zwei Planeten und das Bild von der Auslöschung der Menschheit gegenüber - eine größere Fallhöhe lässt sich kaum denken. Mag aber dieser Witz auch geschmacklos sein, so funktioniert er doch hervorragend.
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>Kurz und gut, die Scherze sind nicht geeignet, um laut loszulachen, sie unterhalten aber, wenn man sich vor Augen führt, ob, und inwiefern man sich vom Verlauf der Geschichten hineinlegen oder überaschen lässt. Um denjenigen, die dieses Muster bereits kennen, trotzdem etwas unerwartetes zu bieten, greift der Autor auf eine Überhöhung der Fallhöhe zurück, die das Gezeigte zuweilen ins Absurde abdriften lässt.
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>Wenn nun jeder den von Yann genannten Witz mit dem Cowboy kennt, in der eine Reihe von Schicksalsschlägen nicht unterbrochen, sondern fortsgesetzt wird, was dann?
>Erzählt würde sich der letzte Strip vielleicht so anhören: "Stellt Euch ein Waisenkind(!) vor, dass seine Trauer über den Brand(!) des Waisenhauses und das Ausbleiben der Weihnachtsfeier(!) zum Ausdruck bringt. Was könnte da noch passieren? Es ist nicht ein Ziegelstein, das diesem Kind auf den Kopf fällt oder etwas ähnlich profanes, nein, es ist ein sechsbeiniges Monster mit vier Augen und furchterregend großen Mandibeln, das mit zwei seiner Vorderbeine gleich zwei Menschen, den Protagonisten der Handlung und noch einen Unbeteiligten aufspießt."
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>Die groteske Überhöhung eines bekannten Szenario vermag so vielleicht doch noch den einen oder anderen zum Schmunzeln anzuregen.
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>Soweit meinen grundsätzlichen Überlegungen zum Thema (hätte ich eventuell doch Soziologie studieren sollen?).
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>Hier noch in Kurzform die Erklärung der restlichen Comics als Belohnung für diejenigen, die sich durch meinen Text gequält haben:
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>10 s. o.
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>09 Gegensatz: Die Efahrung von Schmerzen wird als positiv dargestellt, wenn sie in Verbindung mit Videospielen erfolgt ("Awesome!"), selbst als der erste Spieler schon deutlich unter seinem Videospiel 'gelitten' hat, ist seine Faszination ungebrochen.
>Das zweite Kind erkennt in den Verletzungen immer noch nichts Negatives, sondern scheint vielmehr begierig darauf, auch diese Erfahrungen zu machen.
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>08 In Harry und die Schokoladenfabrik werden Kinder durch eine Traumwelt geführt: Die Schokoladenfabrik wirkt wie ein Schlaraffenland. Ließe sich der Erfolg dieser Idee mit einer Schlachterei fortführen? ODER WÜRDE DER ANBLICK VON BLUT UND TIERKADAVERN NICHT VIELLEICHT EHER ABSCHRECKEND WIRKEN?
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>07 Tylor benimmt sich wie auf dem Sterbebett, seine Eltern entsprechen aber dennoch nicht seinem Wunsch wieder zusammen zu kommen, und am Ende hat er sich nicht einmal den Fuß gebrochen. War die dramatik dieses Auftritts also gerechtfertigt? War es sein Wunsch?
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>06 Kann ich gerade nicht sehen, weil mein Browser Probleme macht (keine Lust).
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>05 Ähnliches Muster wie 'Sun Love': Verlagerung der Ebene von einem kindlichen Szenario in ein realistisches. Oh no!
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>04 sollte klar sein
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>03 s. o.
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>02 "Heute ist mein Geburtstag!", ruft Sascha und springt vor Freude auf dem Bett herum. Was er nicht ahnt: Während er seinen Freudentag feiert, fügt auch Gevatter Tod ein weiteres Klötzchen auf seinem Rechenschieber hinzu. Gegensatz: Der Geburtstag ist einerseits Ausdruck naiver Freude, andererseits Zeichen dafür, dass die Lebensuhr immer weiter tickt - der Feiernde ist seinem unvermeidlichen Ableben nun wieder ein Stückchen näher gerückt.
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>01 s. o.
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>Wer bis hier durchgehalten hat, hat selber schuld. :p
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