Bullitt  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 10.07.2020 21:56 Uhr
Thema: Horizon Chase Turbo Antwort auf: Fight the Backlog - PPler gegen die Langeweile! von Don Cosmo
Ging wohl lange an mir vorbei, jetzt bin eher zufällig im Steam-Sale drüber gestolpert.

Sieht ja echt aus wie Outrun! Gut, mit einer Prise Virtua Racing dabei weil nackte Polygone statt Sprites, aber im Prinzip fährt man auf einer aufgemalten Strecke mit schickem Hintergrund und einzelnen Objekten, die am Rand aufploppen. Und das sieht fantastisch aus! Und flott, sehr flott.
Die Steuerung ist passend dazu auch wunderbar knackig und präzise. Der Sound ist ebenfalls klasse und es gibt viel Abwechslung.
Auch die Autos sind wirklich schick gemacht und kein Auto scheint ein Über-Auto zu sein, sondern alle haben irgendwo ihre Stärken und Schwächen.

Also alles gut?
Hm, leider nicht.

Das Grundproblem, welches mich gerade _massiv_ ankotzt: Das Spiel sieht zwar aus wie ein klassischer Arcade-Racer, hat aber grundsätzlich nicht verstanden, was einen klassischen Arcade-Racer im Kern ausmacht. Es spielt sich eher wie ein F2P-Handyspiel. Es zwängt vermeintlich klassisches Gameplay in ein modernes Korsett. Es verschwendet meine Zeit mit nervigen nicht-Features und "Content", welcher völlig unnötig ist.

Zum Beispiel muss man erst eine ziemlich längliche Karriere spielen, um die "richtigen" Arcade-Modi erst freizuspielen - was im Falle eines Outrun-Klons halt ein Modus ist, in welchem man Punkt-zu-Punkt durch grundverschiedene Umgebungen unterwegs ist (Ich gehe mal davon aus, dieser "Endurance"-Modus ist genau das - ich habe ihn nach rund 10 Stunden noch immer nicht freigespielt).
Diese Karriere besteht ausschließlich aus Rundkursen. Nun sollten 12 grundverschiedene Settings grundsätzlich für Abwechslung sorgen, aber wenn man in jedem Setting noch einmal ein knappes Dutzend 0Kurse fahren muss, wird das doch ziemlich ermüdend und fühlt sich nach Arbeit an. Hier wäre "Weniger" _deutlich_ "Mehr" gewesen. Vor allem wäre es mehr Qualität im Streckenverlauf gewesen, denn so ist locker die Hälfte der Strecken angelehnt an lahme Formel1-Strecken oder sonst lame.

Ein weiteres Problem, welches in so einem Spiel absolut gar nix verloren hat: Tuning. So spielt man im Verlauf der Zeit immer weitere Tuningteile frei, die für alle Autos gelten. So ist Zeitenjagd auf Leaderboards grundsätzlich sinnlos, weil man nie die selben Autos haben wird. (Nicht, dass irgendjemand überhaupt auf die Idee nach Zeitenjagd gekommen wäre bei mehr als 100 Kursen...)

Auch kacka: Aus irgendwelchen Gründen scheinen die Entwickler "echte" Rennen nachbauen zu wollen. Warum sonst startet das gesamte Feld als Pulk, was bei dieser Kollisionsabfrage sehr nervig wird. Überhaupt ist das Überholen häufig reine Glückssache bei den Gegnern, vor Allem auf engen Strecken. Das ist teils echt frustiges Hin-und-her-Gerempel.
Nun kann man die eher simple Kollisionsabfrage dem Spiel nicht per se zum Vorwurf machen, denn die Vorbilder haben das auch nicht besser gemacht. Was ich aber den Entwicklern vorwerfe: Dass sie überhaupt so ein Standard-"Überhole-alle-Gegner-in-3-Runden"-Modus gewählt haben, welcher diese Probleme mit KI und Kollisionsabfrage erst so groß in den Fokus stellt.
Bei Outrun werden Checkpoints genutzt und damit die Zeiten in den Fokus gestellt. Die Gegner würden entsprechend nur nach und nach auf die Strecke geworfen werden, was aus gutem Grund hier der meilenweit bessere Modus wäre.

Und irgendwelche Dinge einsammeln, um die volle Punktezahl zu bekommen? Ernsthaft?

Besonders blöde wird es, wenn Benzin ins Spiel kommt. Ja, Benzinverbrauch! In einem Outrun-Klon! Das ist DERART bescheuert, darauf muss man wirklich erst mal kommen.
Zumal diese Benzin-Icons häufig irgendwo abseits der Ideallinie liegen, oder dank gleichfarbigen Randobjekten quasi nicht erkennbar sind... Herrje.

Kleinere, aber auch Arcade-unlike Nervigkeiten sind die teils nicht abbrechbaren Animationen in den Menüs oder die Tatsache, das das Spiel meist nicht beendet werden kann und im Task-Manager abgeschossen werden muss. Wenn es sich dann doch mal sauber beendet lässt, dauert der Steam-Clound-Sync ewig. Wie man ein technisch nach heutigen Maßstäben simples Spiel derart unsauber programmieren kann, ist mir ein Rätsel.

Das klingt jetzt alles nach Komplett-Beerdigung. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob ich es nochmal spielen soll. Vielleicht wird's noch was, daher noch nicht im "nicht durchgezockt"-Thread.
Das wirklich Ärgerliche daran: Es hat im Grunde alles an Board, um die geilste Outrun-Hommage seit Ewigkeiten zu sein. Absolut alles!
Aber dann wird es zerstört, indem man so viele so große wie unnötige Haufen Kacke mit dazu gibt, dass es echt ungenießbar wird. Weil man einfach nur dachte, mehr sei automatisch besser.

Nein, echte, klassische Arcade-Racer sind das genaue Gegenteil: Reduziert auf den Punkt. Wenige Strecken, diese aber perfekt designt. Content ist sofort zugänglich, kein Freispielen. Keine unnötigen Features, sondern easy to play, hard to master.

Das alles haben die Entwickler ganz offensichtlich nicht verstanden. Was extrem schade ist.

Christian
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