a gentle breeze  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 27.02.2020 16:05 Uhr
Thema: Doragon Kuesuto 11 Antwort auf: Durchgezockt: Senf aus Festplatten für zwei Cent von membran
(Spoiler)

Dragonquest 11 ist das erste echte JRPG der Serie seit DQ 9 von 2010 und es ist ein äußerst umfangreicher Mix aus traditionellen und modernen Elementen geworden. Das ganze spielt sich wie ein JRPG von 1996, das einer Verjüngungskur unterzogen wurde. Hätte man mich damals gefragt, welches RPG ich mir wünschen würde, es wäre vielleicht so etwas wie DQ11 herausgekommen: Es sieht mit seiner großartigen Präsentation aus wie ein spielbarer Trickfilm (musikalisch hat es dabei nicht so viel zu bieten), man kann in begrenztem Maße auf diversen Monstern reiten und eine riesige Welt wartet darauf, entdeckt zu werden. Heutzutage wirken viele der traditionellen Gameplay und Story-Elemente allerdings schon a weng altbacken und überholt.

Wieder ist man eine Art wiedergeborener Heiland und wieder spricht die eigene Figur kein Wort, was zu 8- und 16-Bit Zeiten noch entschuldbar war, heute aber als bewusstes Stilmittel für mich nicht funktioniert. Unser "Luminary" wird von wohlgesonnenen und feindseligen Figuren umschwirrt und ist trotz aller offensichtlichen Passivität Mittelpunkt des Geschehens, obwohl der Held wirkt wie ein verstockter Teenager, der sich seiner Umgebung verweigert. Naja, es wurden in Videospielen schon schlimmere Fantasien ausgelebt als das. Unverständlich, warum hier aber nicht dem langjährigen Wunsch der Fans entsprochen wurde, die eigene Figur zu gestalten oder wenigstens eine weibl. alternative Heldin anzubieten. An den Kosten für's voice acting kann es nicht gelegen haben.

Dann ist das ganze "Rollenspiel" stark ge-streamlined: Nirgendwo kann man runterfallen, weil es das Spiel nicht erlaubt, in jedem nächsten Dorf, und mag es noch so klein sein, wartet die nächstbessere Waffe auf ihren Besitzer, Fragen an den Spieler sind rein rhetorischer Natur und werden bei einem "nein" einfach wiederholt, etc.
Ganz ehrlich: Ich kann dem ganzen schon etwas abgewinnen, wenn man sich nicht verrennen kann, sondern gut unterhalten wird. Was Kindern und überarbeiteten Japanern recht ist, soll mir billig sein. Wenn ich die Wahl habe, lasse ich mich lieber sanft durch das Spiel leiten, als am anderen Ende des Spektrums in einem Bethesda-Spiel wie Fallout in grauen Müllhaufen wichtige Quest-items zu übersehen, weil das Spiel mir in dieser Hinsicht gar nichts abnimmt. So wandert man von einer Stadt in die nächste, erlebt dort typisch DragonQuest-like die jeweilige Ministory und zieht dann weiter. Wenn dann die NPCs schon darauf hinweisen, was die nächste Stadt zu bieten hat und die eigenen Kumpanen auch auf Aufbruch drängen, hat das was von einer Reisegruppe und Pauschaltourismus. Durch diese "vorgegebene" Reihenfolge der Locations öffnet sich die Welt aber leider erst spät (wenn überhaupt) und es geht dadurch ein wenig das Gefühl der Freiheit verloren.

Was die Skilltrees angeht, bin ich nicht ganz überzeugt: Diese verändern sich mithin und spiegeln damit den "Zustand" der jeweiligen Figur, welcher sich mit der fortschreitenden Geschichte verändert, was so selten wie cool ist. Andererseits ist das ganze sehr simpel gehalten und man wird gezwungen in nutzlose Skills zu investieren, um an nützliche Fähigkeiten heranzukommen. Das Job-System von DQ9 gefiel mir da weitaus besser.

Die einzelnen Geschichten sind nett erzählt und bieten, wieder typisch für die Serie, viel Herz-Schmerz. Das kann ich wirklich goutieren; wo in Videospielen gibt's denn sonst kleine ausgestaltete Dramen, die nicht existentiell bedrohlich oder Aufhänger für Racheaktionen wären? Die mal heitere, mal melancholische Stimmung und die netten, menschlichen Figuren sind m. M. nach die große Stärke von Dragon Quest, wie auch der spezielle, schön alberne Humor, der das starre Konzept erträglicher macht. Sollte man sich wie gesagt, bei einer der unsinnigen Fragen für ein "nein" entscheiden, wird gelegentlich damit eine lustige Reaktion provoziert. Das ändert allerdings auch nichts daran, dass man zu keinem Zeitpunkt irgendwie auf den Handlungsablauf Einfluss nehmen kann. Ohne diese Wahl ließ mich aber auch die persönliche Geschichte des Protagonisten, dessen Kindheit u. a. beleuchtet wird, recht kalt, schließlich hakte ich als Spieler nur die vorgegebenen Stationen ab.
Das ganze ist ziemlich leicht was die Kämpfe und Dungeons betrifft. Zudem gibt es bei jedem Start des Spiels eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse, Statuen geben Tips zum Spielablauf und auch die eigene Party kann um Rat gefragt werden -- hier kann man eigentlich nicht steckenbleiben. Das es dennoch seine Zeit braucht, bis man alles gesehen hat, liegt am immensen Umfang von DQ11. Wer auf der Suche nach einer Herausforderung ist, kann den Schwierigkeitsgrad auch heraufschrauben und sich ins Post-game stürzen, das es nochmal in sich hat (mir war's dann schon fast zuviel). Für wochenlangen Spielspaß ist gesorgt.

Über den allgegenwärtigen Seximus will ich gar nicht mehr sprechen. Natürlich gibt's eine Figur in der eigenen Party, welche mit ihrer großen Oberweite fan-service bietet, Figuren im Spiel bieten "Puff-Puff" an, was strenggenommen eine Form der Prostitution darstellt und man schleicht mitunter nachts in einem Mädchenpensionat herum. Wer's mag.
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