strid3r  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 15.02.2019 13:43 Uhr
Thema: Re:Kingdom Farts 3 - Oh Gawrsh! Antwort auf: Kingdom Farts 3 - Oh Gawrsh! von Felix Deutschland
>Das Ding ist: Die Story von Kingdom Hearts ist so schwer nicht zu verstehen - es sei denn, man hat krasse Probleme mit Anime Bullshit, und das ist auch wieder so ein Generationen-Ding, wo man ab einem bestimmten Jahrgang hinaus nicht mehr mit einer Bereitschaft rechnen kann, sich mit sowas zu beschäftigen, auf einer ganz grundsätzlichen Ebene. Metal Gear-Lore ist bspw. ernsthaft "broken", weil Kojima quasi Powercreep in seinem eigenen erzählerischen Universum hatte und sich wohl die gesamte Zeit in internen Psychokriegen mit seinen Chefs bei Konami befand. Kingdom Hearts hingegen kann einfach sagen "Magic exists" und gut is'. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Bei MGS kannst du nicht einfach sagen "Magic exists" und alles ist geklärt. "This happens because magic", okay, klar. Jeder, der in seinem Leben mal ein Märchen gehört hat ohne den Erzähler mit dem kritischen Einwurf zu unterbrechen, dass die Geschichte die Logik ihrer eigenen Welt zu krass ignoriert, dürfte das kapieren.
>Allerdings würde ich ohne die sechsteilige Recap-Videoserie, die Squenix in das Spiel Day 1 reingepatched hat, tatsächlich größere Probleme haben. Letztenendes ist die Geschichte aber in einem Satz zusammenzufassen: Ein böser Zauberer will die Welt in Trauer und Dunkelheit stürzen, weil juckt, und ein jugendlicher Held versucht nit Hilfe von Micky Maus und Donald Duck ihn davon abzuhalten. So, war das so schwer? Ist das so dermaßen undurchdringlich, dass man eine kommentierte Version zum nebenher mitlesen braucht? Diese rhetorischen Fragen sind mehr an die Leute gerichtet, die die vermeintliche Komplexität der Story des Spiels als etwas ganz tolles verteidigen, dass auch definitiv existiert. Wie immer muss man hier beachten, dass es sich um das Urteil von Videospielern handelt, und diese können selbst 2019 nicht zwischen Grafik und Artdesign unterscheiden und eben auch nicht zwischen "Komplex" und "kompliziert". Kingdom Hearts ist einfach nur unnötig kompliziert. Metal Gear Solid ist NICHT unnötig kompliziert, aber auch nicht komplex - Metal Gear Solid ist Unsinn. Die Story von Final Fantasy XIII war ja auch nicht kompliziert, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie nicht mal schlecht war - sie war einfach nur beispiellos scheiße erzählt (Und dazu addiere ich auch hinzu, wie das eigentliche Spiel abläuft in den ersten 20 (!) Stunden).


Viele der Dinge, die du hier zu Square schreibst – und vor allem diejenigen aus diesem Abschnitt – sind mir durch den Kopf gegangen, während ich vor wenigen Wochen FFXV neu angefangen und dann nun endlich auch mal beendet habe.
Um es vorweg zu nehmen: ich fand es übel. Es ist für mich eines der mit Abstand schlechtesten RPGs, die ich jüngst gespielt habe, einfach weil es in für mich Kernaspekten des Genres nicht nur versagt, sondern diese teilweise bestenfalls bruchstückhaft liefert, während es nicht einmal die einzigen beiden guten Ansätze konsequent durchzieht. Jenseits der sympathischen Party – welche dies aber auch nur dank der ab und an vorhandenen Dynamik zwischen den Charakteren ist und davon ab ebenfalls nicht viel zu bieten hat – ist das Spiel ein absolutes Trainwreck, welches alle Probleme offenlegt, die du jetzt anhand von Kingdom Hearts 3 beschreibst und Square seit nunmehr knapp 15 Jahren zu plagen scheinen.

Sie schaffen es zum einen nicht, fokussiert eine Geschichte von Anfang bis zum Ende zu erzählen und dabei die relevanten Charaktere zu etablieren bzw. angemessen deren Hintergründe, Beziehungen und Motivationen zu beleuchten. Dabei gehen schlechtes Writing (bei einem so dumm konzipierten Villain samt Background und Einführung wäre zumindest in dessen Falle aber auch bei der besten Umsetzung immer noch Hopfen und Malz verloren gewesen), unschlüssige Konzepte und deren Umsetzung Hand in Hand. Ich bin sicher kein Experte in dem Bereich, aber die Geschichte von FFXV und die Perspektive, aus der selbige erzählt wird, ist imo konzeptionell schon eine Totgeburt, weil sie den Spieler ständig von den eigentlichen Geschehnissen distanziert. Wie oft man in dem Spiel erzählt bekommt, was anderswo für krasser shit abgegangen ist, ist jenseits von Gut und Böse. Auch hier kommt der von dir bzgl. KH3 angesprochene und völlig verkorkste Media-Mix ins Spiel, allerdings kommt auch hinzu, dass man bei Square eigentlich nur noch gewohnt ist, dass sich Charaktere gegenseitig die eigene Spielwelt, in der sie leben, erklären und es selbst innerhalb von 20-40 Stunden nichtmal ansatzweise schaffen zumindest dies abzuschließen. Was wiederum meistens die Folge einer völlig überverkomplizierten Spielwelt samt politischen Hintergründen, Mythologie, Regelwerk und hassenichgesehen ist, womit wir auch hier beim Thema Komplexität vs. Kompliziertheit wären. Man hat seit spätesens FFXII ja den Eindruck, dass erst die Spielwelt konzipiert und anschließend versucht wird, irgendeine Handlung in deren Rahmen zu pressen, welche aber auch dann eher zweitrangig und zweckmäßig ist. Dass Charaktere normale Gespräche miteinander führen und so deren Beziehungen etabliert wird: absolute Ausnahme wenn nicht direkt Fehlanzeige. Ich nehme an in KH3 werden sich 99% der Dialoge ebenfalls nur um konfusen Unsinn drehen, der in anderen Spielen nicht weniger konfus und unsinnig ist, von diesen aber nicht derart in den Fokus gesetzt wird.

Zum anderen merkt man schlicht an jedem Aspekt des Spiels, dass es bei Square offenbar keinerlei Balance in der Planung zu geben scheint. Was einen zu der Frage bringt, ob es an einer völlig falschen Aufstellung der Firma und ihrer Abteilungen, oder an überforderten Projektleitern liegt. Es wäre für mich wirklich sehr interessant, einen Vergleich zwischen der Vorgehensweise und Teamaufstellung von Monolith und Square bei solchen Projekten zu sehen, wobei es Square selbst viel eher interessieren sollte (womit ich nicht ausschließen will, dass man sich auch dort der Problematik zumindest in Ansätzen bewusst ist).
Es ist in jedem Fall schwer nachvollziehbar, wie FFXV ein derart schlechtes RPG sein kann (und das ist es bzgl. Handlung, Storytelling, Writing, Charakterentwicklung, Questdesign, Dungeons, Spielstruktur und Traversal, Charakter Customization, Kampfsystem etc. zweifellos), während es gleichzeitig über weite Teile als Grafikdemo herhalten könnte und ein absurd detailreiches Art und World Design bietet. Die Prioritäten scheinen völlig falsch gesetzt.
Beim Venedig Abschnitt saß ich fasziniert und ratlos vor dem Spiel, weil der Eindruck, den das Spiel visuell vermittelt und das reale Maß an Interaktion, welches es dort letztendlich bietet, nicht weiter auseinander liegen könnten. Selten habe ich eine derart detailliert ausgearbeitete Kulisse gesehen, die darüber hinaus eigentlich keine wirkliche Funktion besitzt, welche ein derartiges Ausmaß an Detailliebe rechtfertigen würde und wodurch der Effekt einer überzeugenden Lebendigkeit, trotz all des Aufwands, in Windeseile komplett verpufft.

Das Resultat war (wieder einmal), dass mich zum Ende hin keine Wendung und fast kein Charakter gejuckt hat – weder im positiven, noch im negativen Sinne – und ich müsste mit der Lupe nach Szenen suchen, die ich als einprägsam oder gut hervorheben könnte. Und das ist nun seit langer Zeit symptomatisch für Spiele von Square (wobei FFXII ja immerhin ein ordentlicher Grinder gewesen zu sein scheint. Hatte halt wie bei XIII nach 10 Stunden keinen Bock mehr auf den Schmarrn). Die Faszination geht wirklich ausschließlich von der absurd aufwändigen Präsentation ihrer Spiele aus.
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