michelangelo99  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 25.01.2019 12:32 Uhr
Thema: Red Dead Redemption 2 * markierte Spoiler Antwort auf: Durchgezockt: Senf aus Festplatten für zwei Cent von membran
So, nachdem ich nun mit 100% Story und ca. 86% Spielfortschritt den Abspann gesehen habe, bin ich fürs erste wohl durch.

Spoiler werde ich unten kenntlich machen, bis dahin schieße ich erstmal alles locker aus der Hüfte, was mir so lose zum Spiel einfällt.

Es war ein schöner Ritt durch die beeindruckendste, schönste und glaubwürdigste Videospielwelt ever. Und trotz der unzähligen Stunden, die ich in RDR2 verbracht habe, habe ich am Ende das Gefühl, diese Welt nicht mal ansatzweise ausgereizt zu haben.

Ich habe immer noch einige unentdeckte Gebiete auf der Map, unzählige Hütten und Türen, an die ich noch nicht geklopft habe, da warten mit Sicherheit noch einige schöne, skurille und spannende Geschichten. Das Kompendium habe ich gerade mal zu einem Fünftel durch, die Herausforderungen bin ich noch gar nicht richtig angegangen, weil mich das von vornherein aufgrund der Fülle einfach erschlägt. Hier mache ich mich demnächst an verregneten Sonntagen mal dran .

Aber auch schön, dass man den ganzen Kram am Ende des Tages nicht zwingend machen muss, aber dennoch immer wieder zurückkehren kann und eigentlich immer genug zu tun hat.

Ich werde mich mit Sicherheit noch oft wieder im Spiel blicken lassen, um zu jagen, zu angeln oder einfach durch den Morgennebel in Richtung der aufgehenden Sonne zu reiten. Mit Letzterem habe ich ohne Witz Stunden verbracht, das war für mich pure Entspannung und Genuss pur.

Ich habe mich dann im letzten Viertel aber quasi nur noch auf die Story konzentriert und mich von dieser mitnehmen lassen, hat mir richtig gut gefallen. Das Tempo zieht dann doch noch um einiges an, und die Dramatik nimmt bis zum Showdown schön Fahrt auf. Mir ist die ganze Bande an Charakterköpfen echt ans Herz gewachsen, großen Respekt dafür, wie das erzählt wurde.

Man kann natürlich in dieser Welt Sachen machen, die einen überhaupt nicht weiterbringen und die völlig sinnlos für das weitere Vorankommen sind.
Pferde striegeln, baden, Waffen reinigen, Munition craften und haufenweise anderen Tünneff. Alles kann, nichts muss.

Natürlich kann man sich fragen, warum der ganze Krempel überhaupt drin ist, wenn vieles davon einfach auch an einem vorbeigeht. Gerade das macht imho aber auch diese Welt so glaubwürdig. In der "echten" Welt muss ich auch nicht alles machen, bloß weil ich’s kann. Dennoch kann ich meinen Spaß haben und meinen Weg so gehen, wie es mir gefällt.

Würden all diese optionalen und bis aufs Kleinste ausgetüftelten Details und Möglichkeiten nicht im Spiel sein, würden alle wieder diese typische Open-World-Leere kritisieren und sich über mangelnde Interaktionsmöglichkeiten beschweren.
Von daher kann ich für mich sagen, dass Rockstar es so, wie es am Ende geworden ist, ziemlich perfekt auf die Kette bekommen hat und ein in der Gesamtheit unvergleichlichen Titel abgeliefert hat.

Ich habe (anders als in manch einem GTA) von Anfang an versucht, mich hier wirklich zu benehmen und einer von den Guten zu sein. Vor allem, weil einem recht schnell die Konsequenzen des eigenen Handelns vor Augen geführt werden.

Als Dorfkind bin es einfach gewohnt, hier alles und jeden freundlich zu grüßen, um mein Ehrenlevel zu pushen, und genau das hab ich auch bis zum Ende durchgezogen und das Maximum an Strahlkraft erreicht. Klar, manchmal hat man einfach mal einen Cowboy umgeritten, weil man so schnell die Bremse am Gaul nicht gefunden hat oder jemandem das Gesicht weggeschossen wenn man einfach nur Moin sagen wollte.

Mir tat es jedesmal ein bisschen weh, wenn direkt das rote Minus am Bildschirmrand aufpoppte und mein Ansehen dadurch beschmutzte. Tja, dermaßen sensibilisiert habe ich mich bis zum Ende bemüht, mich hier angepasst zu verhalten.

Was natürlich ganz im Gegensatz zu den Missionen steht, bei denen aus Nichtigkeiten oder für eine Handvoll Dollar auch oft genug halt mal halbe Dörfer ausgerottet werden und man zwangsläufig zum Massenmörder mutiert, ob man will oder nicht.
Dies stand zwangsweise oft genug natürlich im krassen Kontrast zum Verhalten abseits der Missionen, hier hätte ich mir ab und an doch etwas mehr Freiheit bzw. Feinheiten im Ablauf der Missionen gewünscht, das war dann meistens doch zu sehr auf der Schiene.

Nun nochmal kurz zur Technik, weil ich deren Großartigkeit und den Gesamtimpact auf die Immersion einfach nicht oft genug erwähnen kann.
Ich habe RDR2 an einem 65" TV in 4k und über die XboxOneX gespielt, in 5.1 und aufgedrehter Anlage. Das war mit großem Abstand das Fetteste, was ich in meiner Zockerlaufbahn erleben durfte.
Einen Großteil des Spiels habe ich in der Egoperspektive verbracht, vor allem in den Städten, in Gebäuden und an besonders schönen Plätzen. Jedes Mal, wenn ich das Spiel angeworfen habe, war ich platt, wie geil das ausschaut und wie sich das alles anhört.

Wenn man durch die Sümpfe schleicht, die Sonnenstrahlen durch den Nebel brechen, die Grillen zirpen, exotische Vögel zwitschern und irgendwo neben einem plötzlich das tiefe Brummen eines Alligators zu hören ist und gleichzeitig krachend eine feindliche Kugel von hinten in einen Baum einschlägt, geht einem schon mal der Kackstift. Und das Herz auf ;)
Von sowas hab ich als Kind immer geträumt, seit meinem C16 und Schwarz-Weiß-Röhre. Heute kann ich sagen, dass ich wohl "angekommen" bin. Besser geht’s derzeit nicht.

Ab hier folgen Spoiler zum Ende, also bitte mit Vorsicht weiterlesen, falls ihr nicht durch seid.









SPOILER














Das Finale fand ich insgesamt ziemlich beeindruckend. Der Ritt mit den Indianern Richtung Ölfelder, Arthur’s letzter Ritt zum Camp, dabei DIESES LIED(!!1), die vorherige, manchmal subtile, manchmal unmissverständliche Verabschiedung von allen Weggefährten, der Fight auf dem Berg, die Bilder… großes Tennis.

Der Epilog hat dann für meinen Geschmack viel zu heftig auf die Bremse getreten und für mich zu weit ausgeholt. Das dauerte ja noch Stunden, bis wirklich Schluss war.
Das zweite Finale war zudem dann für mich letztlich doch etwas unbefriedigend, aber hat den letzten Storystrang  wenigstens vernünftig zuende gebracht.

Ich hatte die Story von RDR 1 noch einigermaßen gut vor Augen, von daher hatte ich natürlich bei allem, was ich da am Ende auf der eigenen Farm noch so veranstaltet habe, ein leicht sentimentales, ungutes Gefühl und hätte mir letztendlich gewünscht, dass das Spiel mit Arthur’s Story abgeschlossen worden wäre. Nunja.

Ich hatte das Spiel ja bereits nach wenigen Stunden zu meinem Goty gewählt und kann jetzt locker behaupten, dass der Abstand zu Platz 2 noch mal dramatisch angewachsen ist. Ebenso kann ich alle verstehen, die mit dem Spiel aus verschiedensten Gründen nicht klar kommen oder enttäuscht wurden. In seiner Gesamtheit hat RDR2 für mich weitaus mehr richtig gemacht als dass es mich mit seinen unbestreitbaren Macken irgendwie abgeschreckt hätte. So, wie es ist, hat es mich -wie sagt man- auf ganzer Linie abgeholt.

Großartiges Spiel.

***Diese Nachricht wurde von michelangelo99 am 25.01.2019 12:37 bearbeitet.***
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