strid3r  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 02.12.2018 00:01 Uhr
Thema: Re:Inside (PC), Fazit: unbedingt spielen! Antwort auf: Re:Inside (PC), Fazit: unbedingt spielen! von michelangelo99
>>Es ist schon geil und eine große Leistung für Games, wenn man sich auch eine Zeit nach dem Durchspielen noch mit den Inhalten befasst
>
>Stimmt. Das habe ich nach dem Ende auch gemacht, weil... komisch und so.
>Ich hatte die ersten Spielminuten erst mit meiner Frau zusammen gespielt, saß dann aber ziemlich schnell alleine vorm TV, weil ihr das zu bedrückend und brutal war. Man steuert ja immerhin auch ein Kind.
>
>Das alternative Ende habe ich mir auch angeschaut, bin aber irgendwie auch nicht schlau geworden aus allem, was ich ehrlich gesagt auch schon wieder blöd finde.
>
>War eine interessante Erfahrung, ich kann aber rückwirkend nicht wirklich sagen, dass der achso tolle Payout am Ende mich wirklich mitgerissen hätte und ich dementsprechend viel Bock auf einen Nachfolger hätte.


Ich selbst halte es für unheimlich überschätzt in diesem Punkt. Kann absolut nicht nachvollziehen, warum es ausgerechnet dafür oft mit Lob überhäuft wird. Inside hat ein fantastisches und stimmungsvolles Set Design (samt Scripting), kombiniert mit einem großartigen Szenario, allerdings bleibt es eigentlich eine einzige Aneinanderreihung an isolierten Spannungsbögen und Andeutungen. Gerade auch, weil es im Bereich des visual storytelling eben nicht so gut ist, wie immer behauptet wird. Für mich (und ich nehme an, dass ich da keine Ausnahme bin) gab es zwei große Antriebe, im Spiel voranzukommen. Erstens herauszufinden, welche Motivation den Hauptcharakter vorantreibt und zweitens zu ergründen, was in der Spielwelt eigentlich vorgeht und was die Zusammenhänge der verschiedenen Akteure sind. Und nüchtern betrachtet musste ich feststellen, dass man am Ende eigentlich fast kein bisschen schlauer ist, als nach dem kurzen Demo Abschnitt, welcher mich so neugierig auf das Spiel gemacht hat.

Was visual storytelling angeht, geht das Spiel für mich ausschließlich insofern auf, dass einzelne Momente eine tolle Wirkung/Spannung erzeugen und für sich geschlossen funktionieren. Allerdings bleibt es dabei, dass das Spiel aus Bruchstücken besteht, bei denen man teils selbst die Reihenfolge willkürlich ändern könnte, ohne, dass es sich bemerkbar auswirken würde. Die größte Leistung ist da eigentlich "lediglich", dass diese sich gegenseitig nicht beißen, aber es wird eben auch kaum aktiv ein Zusammenhang hergestellt, weshalb ich in vielen Fällen hier nichtmal von Storytelling reden würe.
Ich mag es zwar durchaus mal, Dinge zu deuten und auch Zusammenhänge zu analysieren, bin aber kein Fan davon, wenn wirklich alles komplett offen gelassen wird. Das, was man dann machen kann, hat letztendlich nicht mehr viel mit Analyse oder Interpretation zu tun, sondern ist näher an Fanfic als sonstwas. Und imo ist sowas meistens eher die Folge von missratenem denn gelungenem Storytelling. Steile Thesen und Theorien ausdenken kann man sich nämlich zu jedem Scheiß. Ich erinnere mich da noch gut an Mass Effect 3. Und das ist entsprechend nichts, was ich dann als Erfolg der Game Designer oder Writer einordnen würde.
Selbst Hyper Light Drifter, welches ich davor gespielt habe, war da weniger kryptisch bei einer noch wesentlich abgefahreneren Spielwelt und abstrakter Pixelgrafik.

Letztendlich hat Inside für mich deshalb insofern versagt, weil aufgrund dieses Makels der (emotionale) pay off praktisch nicht vorhanden war. Weder wusste ich am Ende konkret und in einem relevanten Maße mehr über die Spielwelt, als zum Anfang bzw. nach dem ersten Drittel, noch hat mich das Schicksal des Jungen auch nur in geringster Weise gejuckt, weil da - zumindest für mich - schlicht keine Bindung stattfinden konnte, wenn ich nunmal nichts oder kaum etwas über die Motivationen und Umstände erfahre und somit dessen Schicksal auch gar nicht wirklich einordnen kann. War ein insgesamt trotzdem nettes Spielerlebnis aufgrund der überragenden und stimmungsvollen Präsentation, aber ich hab's für mich eher als vertane Chance eingeordnet und hätte mir gewünscht, dass sich die Entwickler eben doch mehr getraut hätten. In diesem Falle halt ausnahmsweise mal konkreter zu werden. Aber ist ganz offensichtlich nicht ihr Stil.

Das alternative Ende ordne ich selbst btw. eher als netten Meta-Gag ein.

>Limbo habe ich übrigens noch gar nicht gespielt, spielt sich das großartig anders?

Habe ich davor zum ersten Mal durchgezockt und fand es im Gegensatz zu Inside richtig lame, abgesehen vom netten Stil. Wirklich nochmal viel substanzloser, als das aktuellere Machwerk und es setzt deutlich mehr auf trial & error und hat eine träge Steuerung, die fast das Gegenteil von dem sein dürfte, was ich an 2D-Spielen mag. Ist kein schweres Spiel, aber ich fand's aufgrund dieses Umstandes oft ultranervig und letztendlich besteht es halt auch aus nichts anderem als einer Aneinanderreihung von seichten bis mittelschweren Geschicklichkeitstests mit teils tödlich nerviger Physik und dann ist es auch recht abrupt vorbei. Einen Spannungsbogen gibt es praktisch nicht.
Bei Inside bin ich froh es gespielt zu haben, auf Limbo aber hätte ich verzichten können.

***Diese Nachricht wurde von strid3r am 02.12.2018 00:22 bearbeitet.***
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