D@niel  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 08.11.2018 18:07 Uhr
Thema: Unsortiertes Konglomerat von Eindrücken Antwort auf: Red dead 2 incoming? von membran
Was habe ich mich auf dieses Spiel gefreut. Ich habe Teil 1 geliebt und hätte es auch blind gekauft. Als ich einen Tag vor Release erfuhr, dass es MM und Saturn schon haben, war es meines. Zu Hause angekommen erst einmal ca. 1,5 bis 2 h Installation. WTF. Danach durfte ich endlich loslegen. Es folgen weitere 2 Stunden Einführung, in denen R* dem Spieler Einiges mehrfach und Vieles gar nicht erklärt. Oder es wird irgendwo oben links eingeblendet, während ich irgendwohin laufe oder reite und gleichzeitig die Übersetzung der Dialoge lese, weil der Akzent teilweise grenzwertig ist. An letzteren habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Vier geschlagene Stunden nachdem ich die Disc eingelegt habe, beginnt das eigentliche Spiel. Und es ist... langsam. Und umständlich. Und hakelig. Ich hatte ganz vergessen, dass R* keine Steuerung kann. Und als ob man sich durch die Steuerung an sich nicht behindert genug fühlt, ist sie auch noch gnadenlos überladen. Ein kleines Beispiel: Um ein Lagerfeuer zu errichten muss ich L1 drücken, dann L2 drücken, mit dem rechten Stick nach unten drücken. Wenn ich Glück habe, ist das Lagerfeuer hier schon ausgewählt. Andernsfalls muss ich es mit L2/R2 noch auswählen. Dann L1 loslassen. Fertig. Hey, das ist ja einfach! Nicht. Und so fühlt sich die komplette Steuerung an. L1 kann abhängig davon, ob man eine Waffe gezogen hat, zum Eröffnen eines Gespräches oder aber zum Zielen mit der Waffe führen. Vergisst man schnell mal und plötzlich schießt Alles auf einen. Was uns zum nächsten Kritikpunkt führt: Die NPCs haben alle eine extrem kurze Lunte. Kommt man denen zu nahe, reagieren sie häufig grantig. Dann kann man versuchen zu deeskalieren oder den Konflikt halt anfeuern. Das funktioniert bei manchen, bei manchen nicht. Überhaupt passiert es schnell, dass man ungewollt in Konflikte gerät, die einem entweder das Leben oder Karma kosten. Verbrechen, die ich begehe, werden mit einem Kopfgeld geahndet, welches schnell so hoch ist, dass zu bezahlen mein ganzes Vermögen kosten würde. Also zahle ich es nicht. Die Quittung: In irgendeinem unaufmerksamen Moment, wo ich den roten Glow am Rand des radars nicht bemerke, spawnen in meiner Nähe Kopfgeldjäger. Tot. Tja. Das letzte Mal Speichern ist schon eine Weile her, also muss ich wohl damit leben, einen ordentlich Betrag meines Vermögens abgezogen zu bekommen. Zudem scheißt das Spiel mich Kilometer weit entfernt von der eigentlichen Stelle, wo ich mich befand, auf die Karte. Das passiert übrigens auch beim Laden eines Speicherstandes. Überhaupt ist das Speichersystem Grütze. Autosaves werden viel zu selten durchgeführt und ständiges manuelles Speichern stört das Eintauchen in die Welt. Die ist nebenbei bemerkt fantastisch. Eine so schöne und glaubhafte Welt habe ich in einem Spiel noch nicht gesehen. Wahnsinn, was R* hier abgeliefert hat. Nur leider will das Spiel einfach nicht, dass man sie erkundet, in ihr spielt und sich ausprobiert. Angefangen beim Missionsdesign. Das ist starr wie eine Eisenbahnschwelle der Western Railroad. Missionen haben so erledigt zu werden wie R* das vorgesehen hat. Abweichungen davon werden mit Missionsabbruch bestraft. Das passiert meist völlig unerwartet, bis einen das Spiel endlich darauf konditioniert hat, ihm zu gehorchen. Das führt dazu, dass ich es nicht spiele wie ein Open World Game. Die Missionen, ja. Die bestehen meist daraus, dass man ewig irgendwohin reitet und es dort entweder direkt oder über einen Umweg zu einer Schießerei kommt. Unterwegs sabbelt Euch meist ein Gefährte voll. Letzteres finde ich grundsätzlich gut, weil einem hier die Story näher gebracht wird. Was zu einer Stärke des Spiels führt: Das Storytelling. Die Geschichte selbst ist bei mir noch nicht richtig in Fahrt gekommen, die Art und Weise wie sie erzählt wird, finde ich großartig. Meist halt, weil Euch jemand vollsabbelt, manchmal auch über die Umgebung. Die Sprecher sind super. Insgesamt frustriert mich das Spiel aber häufig. Neben den Instant Deaths, der überladenen und ungenauen Steuerung und dem starren Missionsdesign gibt es eine Vielzahl völlig sinnfreier Aufgaben, die meist einfach den Flow vermasseln statt das Eintauchen in die Welt zu fördern. Paradebeispiel: Man kann oder sollte sein Pferd regelmäßig striegeln. Eine Aufgabe, ähnlich unterhaltsam wie Farbe beim Trocknen zuzuschauen. Davon gibt es noch einige. Apropos Flow: Jede Aktion, die Ihr auslöst, ist aufwendig animiert. Ihr werdet jede Menge Gelegenheit haben, dieses zuzusehen. Irgendwann hat man sich aber sattgesehen und dann sind sie nur noch nervig. Ob das Looten von Leichen, das Häuten von Tieren oder das Aufsteigen aufs Pferd. Alles wird von einer ansehnlichen aber langen Animation begleitet. Und weil wir gerade beim Pferd sind: Zwar kann man den gaul heranpfeifen, der kommt aber nur, wenn er nicht allzuweit entfernt ist.  Und dann kommt er in einer Arschruhe. Das ist realistisch. Genau wie dass einen die O'Driscolls einen dann halt über den Haufen schießen als man gern mit dem Pferd fliehen wollte. Ist das Pferd zu weit weg, darf man hinlaufen. Solche Opferungen des Spielspaß an den Realismus gibt es zuhauf.

Das liest sich jetzt sicher Alles recht negativ, aber irgendwie habe ich dennoch immer noch Lust weiterzuspielen. Weil die Welt so geil ist. Und weil ich wissen will, wie es weiter geht. Aber da ist schon ein spürbarer Nervfaktor da, was mich darob wundern lässt, warum das den meisten Spielepublikationen nicht aufgefallen ist. Und irgendwie habe ich RDR1 auch deutlich zugänglicher in Erinnerung. Sicher ist das auch ein wenig durch die 8 Jahre dazwischen verklärt, aber ganz so umständlich kann das nicht gewesen sein.
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