Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 06.04.2018 11:16 Uhr
Thema: A Way Out Antwort auf: Durchgezockt: Senf aus Festplatten für zwei Cent von membran
Während DHL in seinem Laboratorium Zeitreise-Experimente mit meinem Paket anstellt, muss ich mir irgendwie die Zeit vertreiben. Warum also nicht darüber schreiben, dass DrJakoby neulich die Freundlichkeit besaß, mich auf seine Kosten zu einer Koop-Extravaganza einzuladen?

Nachdem ich es unter größtem Einsatz körperlicher Schmerzen schaffte, die Fenstereinstellungen im Grafikmenü auf "Borderless" zu stellen und nicht mehr von einem agressiven grünen Flackern des gesamten Bildes gepiesackt wurde, konnte es auch los gehen.

Das Spiel ist ein seltsamer Vierakter. Es ist schwierig, genau zu benennen, was das Problem des Spiels ist, ohne zu spoilern. Ich finde sowas ärgerlich, weil gerade bei mißlungenen Geschichten man nicht umherkommt, den Finger in die Wunde zu legen, wenn man nicht nur vage um den heißen Brei herumreden will und sich so nur mißverständlich ausdrücken kann. Also nutze ich mal das Spoilertag hier, möchte aber nochmal betonen, dass sich hinter dem Button evtl. viel Text verbirgt bzw. der eigentliche Aussagekern dieses Postings.

Naja, jedenfalls: Vierakter. Wie viele Vierakter fallen euch so spontan aus dem Kopf ein? Nich so viele. Warum auch, ist ja auch ein exotisches Format, seine Erzählung zu strukturieren (Klassisches Modell: 1. Akt: Exposition, Ingangsetzen der Handlung, zweiter Akt: Steigende Handlung, 3. Akt: Abfallende Handlung, Ende).

A Way Out ist die ersten zwei Akte lang echt ziemlich okay. Es ist kaum interaktiv, und die interaktiven Stellen sind nicht der Rede wert, aber das ist okay. Was das Spiel im Vergleich mit der jedes mal gleich unbefriedigenden Quantic-Dream-Soße für sich laufen hat, ist zackiges Pacing: A Way Out lässt keine Pausen aufkommen. Es gibt kein Backtracking. Es geht immer voran. Dieser zügige Flow kommt dem Spiel enorm zu Gute. Selbst, als es sich im zweiten Akt, nach der Flucht aus dem Knast schon im ersten Akt, Zeit für ruhige Momente nimmt, ist das alles völlig okay gepaced. Die Beats der Geschichte kommen zu strukturell logischen und sinnvollen Zeitpunkten, und A Way Out kulminiert hier zu einem Finale, dass leider nur Midpoint sein darf, dass sich gewaschen hat: In einem Krankenhaus liefern sich die Helden, via Splitscreen (Über den auch "geschnitten" wird zwischen den Figuren mittels fadeout der anderen Bildhälfte, ziemlich neat), eine Verfolgungsjagd mit den Cops. Das ist allein von der Kamerainszenierung her eine der visuell-kompositorisch beeindruckendsten Sequenzen, die ich je in einem Spiel gespielt/gesehen habe. Der Wahnsinn. Wäre das Spiel danach vorbei, ich würde sagen "30 Euro sind zwar ein stolzer Preis, aber meine Herren, was für ein Finale!".

Leider ist das Spiel danach erst halb vorbei. Warum auch immer, ich schätze mal zugunsten der klugen Ratschläge von Publisher Electronic Arts wird das Spiel auf einmal zu fucking Scarface. Die Art, wie hier die Gangart gewechselt wird, von "Interaktiver Film" hin zu "Coop 3rd Person Shooter", ist schon... what the fuck, guys? Aber damit nicht genug: Das Ende stellt mit einem saublöden Twist das ganze vorherige Spiel infrage. Der etwas teigigere und ältere der beiden Herren entpuppt sich als Undercover-Cop, der einen Juwelenraub aufklären will. WATZEFUCK. Und direkt nach dem Reveal streiten sich die beiden um eine Waffe, mit der derjenige, der sie als erstes kriegt, den anderen erschießen darf (Selbst der Versuch, dem anderen einen nichttödlichen Treffer in die Eier zu verpassen, bringt das Spiel nicht davon ab, denjenigen zu killen, der die Schüsse kassiert). Der Überlebende des Duos darf dann die Alte des jeweils anderen besuchen, um ihr die Todesnachricht zu überbringen. Ende. FUCK THE OSCARS, MAN!!!1

Was für ein Kappes. Hätte ich dafür Geld ausgegeben, ich hätte mich geärgert. Fares ist sicherlich talentiert, aber wer auch immer erzählen will in Zukunft dass "A Way Out" doch ein Beispiel für "GAMES = ART!!1" sei oder eine "tolle Story" hätte, erzählt komplette Scheiße. Writing ist absoluter Scheißdreck, weil offensichtlich simpelste Anforderungen an integres Erzählen nicht berücksichtigt werden, und spielerisch hab ich schon bessere Gears-Klone gezockt.
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