Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 16.11.2017 16:42 Uhr
Thema: Wohl! Antwort auf: Auf der Basis braucht man nicht zu diskutieren, Felix. von membran
>Sicherlich konntest du es humorvoll darstellen, wie heiß es sein muss, als in Deutschland wieder Hakenkreuze "legal" zu machen gesehen zu werden und die Uncutmeute als dumpfe blutgeile Vollidioten hinzustellen (bwhahaha, haben sie denn nix besseres zu tun, die Deppen, nech!),

Neinein, Moment, da muss ich entschieden widersprechen, ich habe nicht Uncut-Fans als dumpfe, blutgeile Vollidioten versucht hinzustellen, sondern, so wie es sonst auch immer meine (komplett unironische) Absicht ist, einen überwiegenden Großteil derer, die Videospiele spielen. Himmelweiter Unterschied! Und dieses Distinktionsmerkmal hat sich das Publikum nunmal hart erarbeitet, auch wenn du diesen Aspekt des Mediums und vor allem seines Standes in der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung wie du selbst eingeräumt hast ignorierst. Das macht dich selber zu einem zweifellos glücklicheren Menschen, aber wes ändert nichts daran, dass der Beitrag von Gaming zu unserer Kultur und unser Zusammenleben als ganzes (!) bisher in meinen Augen kein besonders positiver war. Das ist kein Kulturpessimismus, das ist eine Bilanz, stand Heute. Wenn mir wirklich egal wäre oder ich 0 Hoffnungen hätte, dass die Möglichkeit bestünde, dass sich das bessert, würde ich in dieser hintersten Ecke des Internets keine Textwüsten darüber verzapfen. Es wollen aber, so realistisch muss man sein, auch nur wirklich die einskommafünf bis zwei leute lesen, die hier darauf antworten.

>aber der springende Punkt ist doch nunmal Zensur und Kunstfreiheit und dass es schlicht für alles gelten muss (oder meinetwegen: so gut wie alles, denn "offensichtlich" - und wer das wie bestimmt ist sicherlich nochmal ein ganz anderes Thema -  Ausnahmen in Film und andern Künsten), frei nach dem Amerikanischen Free Speech Prinzip auch und gerade für den Trash. Man segnet den Schund ab, damit die "wichtigen" und "ernsten" Vertreter vor Zensur geschützt sind.

Ich persönlich bin der Meinung, dass man in Deutschland Volksverhetzung und Holocaustleugnung ruhig weiter unter Strafe lassen sollte. Dank ihrer wunderbaren Meinungsfreiheit haben die USA mittlerweile eine wunderbar florierende Neonazi-Szene, in der Gaming sehr auffällig als sozialer Klebstoff hervorsticht, das mal nebenbei erwähnt (Und das kann man so oft trotzig leugnen wie man will, es ist schlicht so). Und auch in Deutschland verbietet niemand Nazi-Trash, solange sich dieser eben in einem vom Gesetzgeber als besonders schützenswert betrachtetes Medium abspielt. Dies kriegt man nur geändert, wenn genügend gesellschaftliches Interesse an einer solchen Änderung besteht, und dieses Interesse kann nur entstehen, wenn diejenigen, die es vorbringen, ernstzunehmend sind. Man kann aber natürlich auf solche harten Fakten auch scheißen und in seiner Echokammer darüber rumheulen, dass das alles nicht schon längst erlaubt ist, aber man kommt damit in der Welt jenseits der Gaming-Bubble keinen verdammten Zentimeter weiter. Und das kann man nur veraffen mit Vorsatz oder weil man sich nicht aus der Wahrnehmungssphäre seiner Gaming-Bubble rausbewegen will.

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>Und keiner würde versuchen, explizit "Hakenkreuze" wieder zu erlauben oder es so darstellen.


Doch, exakt das wäre der Versuch und natürlich würde es keiner so darstellen. Aber es ändert nichts daran, dass man für ein bestimtmes Medium das Verbot verfassungsfeindlicher Symbole aufhebt. Was man semantisch genauso "Erlaubnis" nennen darf. Von Hakenkreuzen, SS-Runen, you name it. Man sollte ganz offen und (selbst)bewusst auch genau das ansprechen, wenn man eben die entsprechenden Argumente hat, dies so zu verteidigen. Und die gibt es, wir haben sie seit zehntausend Jahren gebetsmühlenartig immer und immer und immer wieder durchgekaut, besonders das Indiana-Jones-Beispiel. Die Frage, die man sich stellen sollte ist vielmehr, warum dieser bestechenden Logik noch niemand Gehör geschenkt hat. Ist ja schon seltsam!

>Es sindnatürlich die "Spiele als Kunstform legitimieren"-Versuche von verschiedenen Organisationen und (iirc sogar Museen?), und es würde unter der Flagge (höhö) durchgewunken werden und wenn das Kind in trockenen Tüchern ist, würde die Erlaubnis für die Kreuzdarstellung von ganz alleine folgen.

Was genau bedeutet "wenn das Kind in trockenen Tüchern ist"? Es gibt keinen klar definierbaren Punkt an dem man sagen kann "So, jetzt ist diesunddas gesellschaftlich akzeptiert." Ab wann war es gesellschaftlich akzeptiert, offen seinen Lack-und-Leder-Fetsich auszuleben, oder an Heiligabend den Kirchgang zu skippen? Man kann da beim Thema "Gesellschaftlicher Wandel" nicht mit irgendeiner Form von Anspruchshaltung oder konkreten Wunschvorstellungen was den Zeitrahmen angeht ankommen. Natürlich ist das eine komplett unerhörte Ansicht in einem derart an Instant Gratification gewöhnte Peer Group wie die der "Gamer". Intersektionalität ist auch ein sehr spannendes Thema in der ganzen Geschichte, aber keine Sau interessiert sich dafür. Weil so ein komplexeres Interesse auch über Jahre und Jahrzehnte reifen muss.

Aber dieses Bewusstsein, wie Kultur funktioniert, oder was Kultur überhaupt ist, ist im Gaming-Bereich fast überhaupt nicht vorhanden, und wenn, dann in der Regel in Form von Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen und nicht in Form kritischer Analyse, dem Gemüse auf dem Mittagsteller des Diskurses. Stattdessen immer und immer wieder der Verweis auf die Hakenkreuze in Indiana Jones, was auch SEHR VIEL über den Horizont derjenigen sagt, die diesen Vergleich immer wieder auspacken. Ja, was gibts denn sonst noch so für Filme mit Bezug zum dritten Reich? Seit wann gibt es die? Wo kommen die her? Weiß mal wieder keiner!

Und da wundert man sich darüber, dass kein gesellschaftliches Klima existiert, dass einem die eigenen Worte und Ansichten quasi per Diktat in Gesetzestext gießt? Ach weh!

>Ich weiß jetzt auch spontan gar nicht, wie die das bei Film gelaufen ist, wie lange das hierzulande schon als Kunstform und damit geschützt gilt, Indiana Jones Nazi Action geht ja stilecht klar mit Flaggen und Armbinden und all dem Zeug.

Seufz.

>Und auf den Vergleich läuft's ja nun wohl offensichtlich hinaus (ich kann deine Argumentationsweise dahingehend immer noch nicht ganz nachvollziehen).

Ich hoffe, ich habe mich verständlicher gemacht.

>Ich meine, klar, die AAA Spieleindustrie macht es mit ihren Scheibchenverkaufsprinzip wirklich schwierig, das Zeug als Kunst und nicht als reines Produkt darzustellen, aber die Spielelandschaft ist weit, weit gefächert, nicht alle sind Hollywood-EA und selbst bei EA haste so'n artsy fartsy Kram wie Unravel. Ich glaube, das kam sogar ohne DLC und MTX aus! Grafikblender, sicherlich, aber so wertvoll wie ein kleines Steak.

Ja, aber die Wahrnehmung von "Games" als Medium wird nicht nur durch die reinen Werke bestimmt, sondern auch durch diejenigen, die sie rezipieren. Beides resoniert miteinander und mit seiner "Umgebung". So viele tolle Paradebeispiele man auch aus dem Kopf runterattern kann, das macht einem zu einem guten FAN, aber nicht zu einem guten ANWALT des Mediums.
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