Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 15.04.2017 23:20 Uhr
Thema: Eh, why not: "Yakuza 0 - Sex and the City" Antwort auf: Das Spiel ist übrigens wirklich super von Felix Deutschland
Ich fühl mich eh seit Wochen wie 1 Stück Scheiße, also kann ich genausogut 1 Thinkpiece über Sex(ismus?) in Games schreiben wie so 1 weißer Mittelstandsabsteigerdude.

Das ganze Gegrübele im Ausgangspost hat mich ins Grübeln gebracht. Was hat Yakuza 0 denn erhellendes über weibliche Sexualität zu sagen? Genau 0. Yakuza 0, sozusagen.

Vielleicht ist das etwas hart, meinetwegen. Lenkt aber den Blick auf ein anderes, mindestens genausowenig (...auf interessante oder wenigstens unterhaltsame Art) ausgeschöpftes Feld: Männliche Sexualität.

Als ich überlegte, was die Autorin des Polygon-Yakuza-0-Reviews ([http://www.polygon.com/2017/1/19/14193836/yakuza-0-review-ps4-playstation-4-sega-atlus]) jetzt genau meinte mit der Entwürdigung weiblicher Figuren, musste ich an die Video Booths denken (Die im Spiel "Yakuza 0") und erinnerte mich vage daran, dass es (afair! Ich check das jetzt nicht nach, weil ich miserable af bin, nicht für diesen Post bezahlt werde und ihn eh zu wenig Leute lesen werden, welche allesamt zu viel Mitgefühl mit mir haben mich dafür als "unprofessionell" zu bezeichnen, weil es halt ein fucking Forumspost ist in einem Forum, dass drei Leute lesen, so what -> Die Zeit, die es gebraucht hätte, das zu schreiben, hat wohl länger gedauert als es zu recherchieren, aber das hier ist nicht die Bühne für tollen Meinungsjournalismus, sondern für mein bedauernswert nutzloses Gehirn, so please humor me) eine Serientradition gibt: Nämlich die, bei bestimmten weiblichen NPCs die Texturen von... "Fotomodellen" zu nehmen, irgendwelchen japanischen Softsexsternchen mit schönen pillow-weichen C-Cup-Möpsen und den immergleichen standard-hübsch-gesichtern.

So, jetzt interessiert es mich doch, ich gucks jetzt mal nach.

Ah, doch, ich irrte nicht:

"The game's original voice actors are Japanese celebrities which can be voice actors, singers, tarento, film or TV series actors, radio or television celebrities. Cabaret girls and alike characters have featured models, gravure idols and adult actresses as voice actresses and likenesses." ([https://en.wikipedia.org/wiki/Yakuza_(series)#Voice_cast])

Also, die Vermutung: Random NPCs (weiblich) tauchen irgendwann mal als Wichsvorlage in den In-Game Pornokinos auf (Die Softsex-Kinos sind, weil in den ca. 45sekündigen Clips nur Frauen in Bikinis mit einem Luftballon in der Hand posieren, wogegen sich die Sexy Sport Clips auf DSF ausmachen wie "Magma swingt 7: Prignitzer Ritzenklause"). The End. Dieser Zusammenhang ist nur erkennbar, wenn man wirklich deep in diesem Idol-Shit drinsteckt, und nirgendwo im Spiel wird suggeriert, dass es die NPCs sind, die in diesen Videos mitwirken, vielmehr wird durch die Anwesenheit von echten Videoaufnahmen echter Menschen genau dieser Sinnzusammenhang gelöst.

Viel interessanter finde ich den ganzen Teil drumrum, auf den gar nicht eingegangen wird (Bitte nicht verstehen a la "Es wird mir hier viel zu selten über MÄNNERrechte gesprochen!!1"-Blubb!): Den männlichen Eros, der das alles rahmt.

Und, um genauer zu sein, wie explizit schäbbig dieser Eros gerahmt wird.

Yakuza 0 ist unter allen Spielen, die mir in meinem Leben je untergekommen sind, am nähesten dran an einem "dokumentarischen" Videospiel. Und damit meine ich nicht den Inhalt, den Plot, die Minigames oder die Tatsache, dass ich ein Huhn meinen Nachtclub managen lassen kann, sondern in allererster Linie die Szenografie. Yakuza 0 ist sehr akribisch. Ich kann das belegen!



Jeder einzelne Gegenstand in den Regalen ist modelliert. Jeder einzelne Artikel dürfte eine Markenparodie auf real existierende Tampons, Shampoos oder Schokoriegel sein. Schaut euch die Lampen an, die Deckenverkleidung. Alles sieht so scheiße aus, wenn man genau hinguckt. Wie ein DDR-"Konsum" auf Lysergsäure. Der bis auf den letzten Zentimeter zugestellte Krimskramsladen "Don Quijote" sieht sogar noch furchterregender und richtiggehend klaustrophobisch aus.

Beide Protagonisten wohnen in Appartments, die ungefähr so groß sind wie die Badezimmer in den Häusern all meiner Schulfreunde. Ein sehr enges Land.

Was ich bei dem ganzen Komplex aber interessant fand, waren die Wichskabinen. Nicht wegen der Videos, meine Güte. Aber wegen der Inszenierung.



Die Erotik kann man geradezu von der Rauhfasertapete lecken. Nicht.

Mit diesem Bild, und einem je nach Figur etwas, erm, "femininerem"... erm... "Seufzer", wird man nach erfolgtem Videogenuss entlassen:



Großartig. In keinem Spiel habe ich die Tristesse des Wichsens besser dargestellt erlebt. Warum geht kein Review darauf ein? Es gibt einen ganzen Subplot dazu. Wenn man oft genug Wichsvideos guckt, freundet man sich mit dem Mann hinter der Theke an, selber ein eifriger Konsument von Rubbelfilmchen. Am Anfang behandelt er einen so distanziert wie ein Shop-NPC in jedem anderen Spiel, aber nach dem fünften Video oder so fängt man an, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Die Spielerfigur wirkt die ganze Zeit hindurch peinlich berührt, fast so, als würde eine fremde Macht dazu zwingen, Dinge zu tun, die sie gar nicht will (*direktindiekameraguck*). Auf die Gefahr hin, eine der weirdesten Nebenquests des Spiels zu spoilern: Man bekommt von ihm dann irgendwann auch eine Questline, in der es darum geht, ein legendäres Wetzvideo aufzutreiben, das einem die Sacksoße nur so aus den Klötzen schießen lässt. Das Spiel macht sich einen sehr großen Spaß daraus, an jeder Stelle anzudeuten, dass es sich dabei um das Video aus "Ringu" handelt, was sehr zu der VHS-Ära passt, in der das Spiel spielt.

Das alles wäre fast (!) nicht der Rede wert, wenn es die einzige Instanz wäre, in der das Spiel sein maßgeblich männliches Publikum fast unangenehm direkt mit der unverleugnenbaren Lächerlichkeit der eigenen Libido konfrontieren würde.

Enter "Mr. Libido".



Wo in der GTA-Serie Einsamkeit und Isolation in erster Linie Zeichen von Schwäche waren und sich die Armseligkeit der männlichen Protagonisten in ausnahmslos jedem Teil darin ausdrückte, wie sie sich in der Gegenwart von Frauen verhielten (Siehe: Stripclub) haben wir in der Yakuza-Serie Hauptfiguren, die stark nach einem zwar abstrakten, aber dennoch allgegenwärtigen Ehrenkodex handeln (Hence the title). Dieser schließt ausdrücklich die Rolle der Yakuza als (extrem mangelhafter) Ersatz für sowas wie ein "soziales Sicherheitssystem" im allerweitesten Sinne, also als Leute die "das Viertel sauberhalten" und "sich um die Sorgen der einfachen Leute" ""kümmern"". Zwischen diesem tradierten Anspruch und der davon stark abweichenden Realität findet Yakuza seinen erzählerischen Kern abseits der Beziehungen zwischen den Protagonisten; es stellt quasi dessen erzählerisches Universum in Eckpunkten ab. Ein Eckpunkt davon ist, dass die Figuren keineswegs inhärent gewaltgeil werden. Eine der Punkte, die mich erzählerisch am meisten begeistern bei Yakuza 0 ist das Gewicht, welches Gewalt besitzt. Das in der Welt von Yakuza 0 ein Mord immer noch ein sehr sehr großes Tabu ist, auch unter Verbrechern, und etwas, mit dem beide Hauptfiguren sehr ringen. Interessanter als in SEHR vielen Hollywoodfilmen zumal.

Der Tod wiegt viel, und bei aller Gewalt, die man in Yakuza verübt (Man prügelt seine Feinde wie in den Arkham-Spielen "querschnitssbewusstlos") wird das auch immer vermittelt, mal direkt, mal vergleichsweise subtil (In den ganzen Kämpfen im Spiel tötet man fast (?) nie). Die bloße Präsenz einer einzigen Schußwaffe ist selten; eine Ausnahme, die fast immer kontextualisiert wird. Allein die Behandlung dieses Aspekts ist, abseits von ihren Wurzeln in der Echtwelt, sehr interessant, zwingt sie doch die Handlung in Konfliktlösungsszenarien, welche in der Regeln versuchen, tödliche Gewalt zu vermeiden und Probleme anders zu lösen als den oder diejenige, die sie verursacht, "auszulöschen". Unter diesen Bedingungen könntest du ein Gangster-Milleudrama "sogar" in Deutschland spielen lassen und es wäre interessant.

Was hat das alles mit Sex zu tun? Kein Plan, Mann. Eros und Thanatos halt, nech? Irgendwo ist das Ende des einen immer der Anfang des anderen und umgekehrt, man kriegt es nicht auseinander. Es spiegelt ohne Frage auf sehr fundamentale Weise die Weltsicht der Macher wieder, welche Haltung sie zum Sterben haben, genauso wie um die zentrale Frage, was den nun Leben ausmacht. Selbst und gerade, wenn man es wie die beiden leidenschaftlichen Junggesellen in dem Spiel explizit nicht erschafft, sondern bestenfalls in ein frisches Kleenex feuert (Und das so explizit wie es halt möglich ist im Rahmen eines Mainstream-Videospiels).

Womit ich wieder bei Mr. Libido wäre. Kein Plan, was sein Game ist. Ich hab seine Questline noch nicht ganz durch.

Trotzdem freue ich mich jedes mal, wenn ich ihn sehe. Er steht immer irgendwo im Viertel rum und feiert seine eigene Geilheit. Er ist ein krasser Freak und superverstörend, aber keineswegs unsymphatisch. Auf jeden Fall ist der Dude notgeil ohne Ende, und weil das Spiel mit Tokzo und Osaka zwei Handlungsorte hat, in denen sich vieles spiegelt, gibt es auch zwei Mr. Libidos. Can't have enough of them!

Mr. Libido redet mit einem nur über Sex. Das er ständig kann, ständig unterwegs ist mehr von seiner Supsche in irgendwelche Weiber zu klatschen usw. usf.

Zwar reagiert der Protagonist auch hier in der Regel widerwillig bis leicht herablassend, aber er öffnet sich auch ihm in gewisser Hinsicht, und Mr. Libido sagt ihm, dass es doch angenehm ist, über solche Dinge zu reden. Das ist es zwar den meisten Menschen (Mich nicht ausgenommen!) sowohl vor Fremden als auch vor guten Freunden sehr, sehr unangenehm, aber ich suche bis heute noch nach einem Zugang, der mir Mr. Libido richtig unsymphatisch macht. Klar, er behandelt Frauen wie Objekte (...falls man, ich sag mal, so naiv sein sollte und ihn als "reliable narrator" seiner eigenen Sexskapaden betrachtet...), aber er tut niemandem was und der in Osaka lässt in der Öffentlichkeit wenigstens noch den Schlüppi an.

Aber Mr. Libido verkörpert auch so eine Art Utopie, wo man wirklich mit random Fremden auf der Straße über Sex reden kann wie über gutes Essen oder wie schön das Wetter heute ist. Es ist nicht unnatürlicher als Essen oder Wetter.

Ausserdem ist Mr. Libido... halt ein Freak. Er ist kein megapotenter Superheld, kein "Mr. Testosteron", sondern ein kleiner, spiddeliger Heini mit krassem Hormonproblem. Die Helden der Spiele, das sind krasse Hengste die Sarah Connors Mutter schon schwanger machen, wenn sie ihr einen Blick zuwerfen würden, aber die Helden der Spiele sind solo und, wenn überhaupt, nur am onanieren. Es gibt ein Flirt-Minigame, in dem man mit Frauen "ausgehen" kann, aber nur ins Restaurant oder so. Kein "Hot Coffee", und man denkt auch nicht, dass hier erheblich saftigerer Content der Schere zum Opfer fiel, sondern dass es ausdrückliche Absicht ist. Sex ist "messy", unordentlich, kompliziert und halt fast immer auch lächerlich (Je nachdem, wie objektiv geil man ist), und ich kann Yakuza 0 nur dazu applaudieren, dem auf seine eigene, sicher nicht perfekte und ausdrücklich aus männlicher Perspektive erfolgende Weise Rechnung zu tragen. Kein Kunstwerk kann alle Lebenswelten abbilden, jedes Soziotop schiedlich-friedlich paritätisch bedienen. Aber innerhalb seiner Wahrnahmungswelt aufrichtig, originell sogar sein.

Ich kann nicht genau sagen, wo das Herz der Yakuza-Spiele und ihrer Macher genau liegt. Aber so verkehrt, mein Eindruck, kann der Fleck, an dem es sich befindet, nun auch wieder nicht sein.
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