token  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 14.03.2017 06:50 Uhr
Thema: Re:Der geilste Käse stinkt Antwort auf: Re:Der geilste Käse stinkt von Felix Deutschland
>Ich kann das jetzt nicht alles auseinanderdröseln (Bock hält sich da auch in Grenzen), aber da fliegt viel durcheinander. Im Grunde hast du Probleme mit einem Genre, nicht nur Zelda. Das ist legitim. Genauso wie Fetti BotW meinetwegen 1/10 geben kann, idgaf. Ist ja sein gutes Recht.

Nah, ich persönlich denke halt weniger es ist ein Genre an sich, sondern eine genreübergreifende Idee worauf bei einem Spiel zu achten ist.
So wie Gesetze und Ansichten flexibel sind und es auch mal voll okay war jemanden bei lebendigem Leib zu verbrennen weil er rote Haare hatte, gibt es auch darüber wie ein Spiel auszusehen hat und worauf es zu achten hat auch gewisse Konventionen. Ist ja auch normal. Und hier mögen eventuell auch die Entwicklungen hin zu diesem Katalog auch dadurch katalysiert worden sein, dass ein Entwickler in der Welt nach Internet nicht mehr in einer Echokammer lebt. Problematisch an diesem Katalog finde ich dass in diesem Schema die Definitionen von falsch und schlecht und dumm oft genug an gewissen Sperrigkeiten aufgehangen sind. Deswegen hat man ja aber über einen recht langen Zeitraum bei großen Produktionen nichts anderes gemacht, als jede Ecke und jede Kante glattzubügeln und das ganze nochmal schön in Vaseline einzureiben. Persönlich sehe ich da vorwiegend in der Souls-Serie einen Impulsgeber der gezeigt hat dass dieser Irrsinn den es früher in Games gab nicht ausschließlich dazu da war den Spieler zu nerven, sondern auch Effekte darauf hatte wie ein Spiel erlebt wird. Ich hab den Eindruck dass diese Serie schon einen gewissen Einfluss auf diesen Designkatalog hatte, weil es auch der Spielerschaft im Erlebnis demonstrierte dass diese ganze Dummscheiße von einst nicht einfach nur gemacht wurde um einem auf die Eier zu gehen. Und damit recht erfolgreich war.

>Und niemand findet an jedem Punkt in seinem Leben eine Sache, die er irgendwann mal entdeckt hat, gleichermaßen gut. Das liegt auch daran, dass das M! in einer Medienwelt sozialisiert wurde, wo Konsumentscheidungen quasi der Ersatz für Identity Politics waren (Nintendo oder SEGA? Hosen oder Ärzte? Limahl oder was auch immer das Mexican Non-Union Equivalent zu Limahl war?) und Leute sich alles mögliche auf den Steiß tättowieren lassen, im buchstäblichen wie übertragenen Sinne. Statt Benno Ohnesorg halt Killerspieldebatte und Unterschriftenlisten gegen Theo Koll.
>

Das ist für mich aber auch kein Umstand den ich in Frage stellen wollte. Ich prangere die Menschheit an, i don't want to live on this planet anymore, haben wir ja hinter uns, sind lustig durch die Straßen gezogen und haben fuck Chiraq gerufen, hat man halt hinter sich oder auch nicht und echauffiert sich auf Facebook.  
Wer bin ich, was mache ich hier, womit soll ich mich identifizieren? Ich hoffe doch nicht mit meinen Eltern? Kein Problem Junge, schau mal hier, dieses Klopapier ist sehr sehr gut. Und es ist. Es ist das beste Klopapier der Welt. Es ist besser als dein Klopapier. Ich bin ja so der Hakle-Typ. Diese Leute die nicht feucht hinterherwischen sind mir unterlegen!

>Problematisch finde ich die Nutzung und Gewichtung des Wortes "Innovation", der besonders bei im weitesten Sinne tech-relatierten Themen mittlerweile komplett bedeutungslos geworden ist. Auch und gerade wenn es um Spiele geht. Innerhalb eines Genres kann man vielleicht noch differenzieren, aber allein der Genrebegriff (eine sehr wichtige Frage!) ist bis heute nicht befriedigend beantwortet worden, weil der akademische Diskurs zu Games auch zu bräsig und oft extrem abgekoppelt von der Wirklichkeit ist. Ob du jetzt Patiencen legst, Halma spielst, Candy Crush oder Counterstrike, ist halt im weitesten Sinne auch alles derselbe Lack und macht weder satt noch produziert es Nachkommen. Aber die Debatte "Ist es nicht voll krass, das wir so gerne Spielen, obwohl es sinnlos ist?" ist schon drölf mal durch, und ab und zu schreit irgendein Kasper rein das Videospiele fucking KUNST sind und richtig widersprechen will ihm zwar keiner aber interessieren tut es auch niemanden. Just fucking GAMES, man. Unterhaltungsprodukte. "KONG - Das Film" ist es auch egal, was ich von ihm denke. Spielejournalismus war schon IMMER Influencer-Marketing. Die Suche nach "Realness", "echter Liebe" usw. usf. ist halt auch irgendwie Quatsch. Man sucht halt immer nach dem "next best thing close to it", aber es wird nie erreicht werden, diese Rolle gebührt auf immer dem leckeren Heroin.

Joa, ich weiß jetzt auch nicht ob das ein Umstand ist der jetzt irgendwie bei Games sonderlich ausgeprägt wäre, oder im Endeffekt eine zwingende Begleiterscheinung jedes gestalterischen Werkes. Wir brauchen mehr Katharsis, Katharsis it is, dieses Bild ist schön, dieses Bild ist hässlich, das ist die Definition von Schönheit.
Fuck this shit, dadadadada.
Willkommen im Wellenbad des Outputs von Geschöpfen die sich nicht auf Fressen und Ficken reduzieren. Ich weiß jetzt nicht ob das was rund um das Medium Videospiel passiert grundsätzlich anders ist als bei anderen Medien.

>Inhaltlich dürfte klar sein, was ich denke. Spätestens mit Skyward Sword waren die 3D-Zeldas unzumutbare altmodische Scheiße geworden, die aus reinem Fahnengehorsam Zehnerwertungen kassierten (Oder die 9/10, weils halt nicht ganz so perfekt ist, anstatt dass man ehrlich ist und sagt "5/10 mit gutem Willen, Fußmedizin ist spaßiger"). Die OoT-Formel ist in Spiele wie Darksiders, die Arkham-Spiele von Rocksteady und was weiß ich nicht alles geflossen. Ubiworld, Schmubiworld halt. Jetzt bedient sich Zelda zurück. Das man die Spiele, von denen Zelda widerum kopiert, selber bis zur Vergasung gezockt hat, ist halt occupational hazard. Nachvollziehbar, aber unvermeidlich, wenn einem solche Spiele Spaß machen.
>

Im Endeffekt sehe ich es aber schon so, dass Nintendo selbst auch den grundsätzlichen Designtrends gefolgt sind. Natürlich in nintendoesquer Manier, aber nichtsdestotrotz. Die Kunstgriffe des Mediums zur Immersion etwa. Da war man doch an dem Punkt zu sagen, hey, ich weiß dass das hier ein Videospiel ist. Macht mal bitte den ganzen Unsinn weg der keinen anderen Zweck erfüllt als mir meine Zeit zu stehlen. Und done. Ich sehe in BotW nicht nur einen Gegenentwurf zu Industriestandards, sondern eben auch einen zu dem was Nintendo selbst in den letzten Jahren getrieben hat. Skyward Sword fand ich vor allem deswegen so enttäuschend, weil es dieses Spiel irgendwie geschafft hat zuverlässig an den Dingen festzuhalten die schon zig fach kopiert wurden und von den Copycats auch vorangetrieben wurden während sich Nintendo lustig um die eigene Achse gedreht hat, und all das was im Endeffekt das Zelda-Abenteurer-Gefühl triggerte entschlackte, abriss oder gnadenlos vernachlässigte. BotW ist ja schon eine wie ich finde ziemliche Antithese zu Skyward Sword. Auf der einen Seite hielt man es nicht mal mehr für nötig eine Welt zu illusieren und fragmentierte das Ganze in Stages, auf der anderen Seite kann man nun jede N64-Texturtapete hochkraxeln. Auf der einen Seite erklärte man jeden Schmonz, JEDEN Schmonz, und hielt es nicht mal für nötig diese Erklärungen abzuschalten, sondern brachte die mit jeder Session erneut auf die Tapete. Auf der anderen Seite gibt es genügend Leute die auch nach 10 Stunden darauf warten dass dieses Spiel einem endlich diese Fähigkeit des ominösen Kochens beibringt. Usw.

>Was ich noch nirgendwo gelesen habe, dass es einem aufgefallen ist, aber was schon einen größeren Unterschied macht als man denken mag: Bei BotW gibt es keinen Progress Counter. Keine Statistik-Funktion. Es gibt die 12 Fotos, ja, aber es wird nicht in der Form dargestellt: "XX/12 Fotos" sondern man hat gleich eine Übersicht.
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>Das hat fast was Apple-mäßiges, dass man das Wissen um die Echsenhirne der User gegen sie verwendet. Simple Bauerntricks, damit die Leute es nicht zwangsläufig wie ne Excel-Tabelle zocken, weil der für sie wichtigste Bildschirm buchstäblich eine Excel-Tabelle ist. Aber wie gesagt, eine Kleinigkeit.
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Ich wüsste jetzt nicht was daran eine Kleinigkeit wäre. Denn es beschränkt sich in diesem fast schon anarchistischen Ansatz nicht auf Progress Counter, sondern zieht sich in dieser Form doch durch das komplette Spiel. Fast jedwede Guidance des Spielers wurde ganz bewusst abgebaut. Bewährte Automatismen dieser auch bewusst auf einen analogen Charakter umgemünzt, zeichne deine Karte halt selbst du faules Schwein.

>Ein Spiel, dass ich letztes Jahr sehr gehasst hab, obwohl es eigentlich genau mein Ding sein müsste, war das neue (Rise of the) Tomb Raider. Ich fand es furchtbar. Unter anderem auch, weil ständig Popups kamen: "18/20 Missing Relics found in area!" und so ne Kacke. Grauenhaft. In BotW sind wahrscheinlich am Ende sogar mehr (!) Sammel-Kacksachen drin als in RotTR, aber boy, wird es einem nicht alle 20 Sekunden unter die Nase gerieben.
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Das ist ja auch irgendwo die niederste Form der Suchtmechanismen, aber zweifelsfrei eine in der Breite funktionale. BotW geht ja noch weiter und baut mal eben 900 Krogs ein. Jetzt erklär den Leuten mal warum. Sofern sie schon das Trauma überwunden haben eine Hardware zu bekommen die darauf verzichtet ihnen den Wert ihre Gamerexistenz in einer Punktzahl transparent zu machen.

>Bei mir macht das jetzt einen Unterschied, beim Nächsten ist so Kleinkram wurscht, ist doch okay. Letztens gelesen, dass irgendein Spezi "Horizon: Forza Dawn" nicht spielen wollte, weil er die Frisur der Hauptfigur zu häßlisch fand. "Linksversiffte Dreads-Fotze, WÄHLT BESTIMMT DIE GRÜNEN!!!1", so stell ich mir so jemanden dann vor der Konsole vor, ich kann halt nicht anders, ich bin ein dummes Schwein.
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Ist ja auch voll in Ordnung. Zum individuellen Luxusproblem kann es halt dennoch werden, wenn du Bock auf bestimmten Content mit einer bestimmten Idee dahinter hast, dieser jedoch nicht mehr produziert wird, weil man gemeinhin feststellt dass diese Idee dumm ist. Und wenn dem so ist, dann ist man halt ein Freak mit perversen Interessen und flüchtet sich fortan in die Saunabars des Spieleoutputs. Deal with it.
Aber ich denke eben dass das nicht der Fall ist. Sondern dass man sich im Hinblick auf Designprinzipien in weiten Teilen ein wenig verrant hat, und sich damit selbst im Weg steht. Und nun zunehmend feststellt dass man mit dem Abbau gewisser vermeintlich überholter Designrichlinien mehr abgebaut hat, als überflüssige Pfunde sondern damit auch eine bestimmte Form von Faszination entsorgt hat.

>BotW ist jedenfalls für Leute, die woke af sind wie auch für Red-Piller gleichermaßen konsumierbar.

Das ist halt der springende Punkt.
Mir geht es weniger um diese Feststellung als vielmehr um die Frage danach warum das so ist.
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