sui  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 17.12.2016 20:37 Uhr
Thema: Re:The Last Guardian Antwort auf: The Last Guardian von Clubmaster
Scheinen ja nicht viel hier zu spielen. Keiner? ;)
Jedenfalls bin ich mal so unverschämt und crossposte mein Resümee aus einem anderen Forum:

Ich will nicht allzu lange um den heißen Brei rumreden: die glühenden Eindrücke die ich nach ein paar Stunden Spielzeit gepostet habe und all die Versprechungen die ich mir daraus abgeleitet hatte, kann das Spiel leider nicht ganz einhalten :/

Da mir das Spiel weiterhin sympathisch bleibt, will ich in meinem Fazit nicht nur Kritik anbringen, sondern auch die Stärken hervorheben die es zweifellos hat.

Zunächst mal - und das wird schon relativ schnell klar - ist Trico das alles dominierende Element des Spiels. Alles ist auf Trico ausgerichtet. Und machen wir uns nichts vor, Trico wird, in all der technischen Brillianz in der es umgesetzt ist, auf Jahre hinaus ein Meilenstein bleiben: die Meßlatte an der sich alle NPCs ab jetzt messen lassen müssen.
Trico IST das Spiel. Das Problem dabei: das Spiel ist Trico und ansonsten ist da auch nicht so wirklich viel Substanz. Nachdem man sich erst mal satt gesehen hat an dem Tierchen, genug auf ihm rumgeklettert ist, und auch die erste Neugier und das Staunen über den Umgang mit dem virtuellen Schoßtierchen abgeflaut ist, setzt viel Leerlauf ein.

Selbstverständlich hat man da noch die Welt in der es spielt. Und diese ist gekonnt in Szene gesetzt. Vieles bleibt mysteriös, das meiste nur angedeutet. Selbst simple Szenen mit rauschenden Baumgruppen in sonnendurchfluteten Ruinen üben eine bemerkenswerte impressionistische Faszination aus: sorgfältig inszenierte Baumkronenbewegungen die den Wind physisch erlebbar machen und nicht wie eine Objektinstanziierung aus dem 3D-Designer wirken, der Blütenschimmer und Pollenflug in der atmosphärischen Luft, die krabbelnden Eidechsen und die fliegenden Schmetterlinge über sich sanft wiegenden Gräserwiesen. Eingebettet in einer jederzeit überzeugenden ambienten Soundkulisse wie ich sie nur selten in japanischen Produktionen erlebt habe, erweckt das die surrealen Landschaftsbilder um die letzte Jahrhunderwende zum Leben.
Gerade so wie seltene magische Momente in den Ruinen von Ostia an einem Junitag.
All das schafft eine imposante Bühne für die Geschichte um Trico und den kleinen Jungen.

Es hätte so wunderbar funktionieren können wenn die Geschichte ineressanter wäre (diese bleibt erschreckend banal), straffer erzählt würde, sich nicht in Wiederholungen verlieren und den Spieler nicht ein paar Mal zu oft die ersehnte Karotte vor die Nase halten würde um sie ihm doch noch in letzter Sekunde wegzuziehen. TLG ist mir einen Ticken zu oft Dragons Lair und zu wenig Tomb Raider. Das Spiel war mir auch schlicht zu lang. Erschwerend hinzu kommt dass die spielerischen Elemente bis auf wenige Highlights blass bleiben. Im Gegenteil arten sie zuweilen in Arbeit aus. Mit Erschrecken musste ich bei mir feststellen dass magisch angedachte Setpieces (für die ich durchaus empfänglich bin) im Laufe der Zeit ihre Wirkung verloren. Zu beliebig wirkt dazu das Worlddesign, in das man als Spieler orientierungslos hineingeworfen wird. Zu willkürlich stürzen die Ruinen vor einem kurz vor dem Ziel ein.

Wo ich zu Beginn des Spiels noch voller Sorge um "meinen Kumpel" Trico war, hat sich dieses Gefühl gegen Ende des Spiel immer mehr einem zu "Gott sei Dank ist es bald vorbei" gewandelt. Mir tut es leid dass ich das so sagen muss. Die Spiele die mir in bester Erinnerung geblieben sind, sind die die es geschafft hatten in einem grandios inszenierten Finale den nötigen Payoff zu liefern. TLG schafft das nicht. Und nein, TLG schafft das nicht weil es sich diesem Anliegen bewusst verwehrt. Es gelingt schlicht nicht.

Jetzt klingt mein Beitrag doch arg negativ :( So ist er bitte nicht zu verstehen. Technisch schafft es in Teildisziplinen wahre Glanzleistungen. Ich bin sicher, das für Trico als virtueller Char am Ende nicht wenige Ehrungen raus springen werden. Ich habe es gerne durchgespielt. Und werde es sicherlich noch das eine oder andere Mal anschmeissen. Dafür ist die aufgebaute Stimmung zu sehr auf den Punkt. Mir sind nicht mal die 200 EUR zu schade die mich die Spiele gekostet haben. Sie werden sicherlich einen Ehrenplatz in meiner Sammlung einnehmen, denn das Spiel selbst ist eines der letzten Vertreter einer aussterbenden Spieleart. Und Sony ist hoch anzurechnen dass sie es durch gezogen haben.

Aber ein Meilenstein ist das Spiel letzten Endes für mich nicht. Wahrscheinlich spielt bei dieser Einschätzung die Enttäuschung ob der vielversprechenden Ersteindrücke rein. In einer Nachbetrachtung wird es sicherlich wohlwollender bei mir in Erinnerung bleiben. Vielleicht landet es sogar in meinen Top3 des Jahres. Weiter oben? Keine Chance!

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