Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 28.05.2016 16:00 Uhr
Thema: Reach Out And Touch Faith Antwort auf: "Élite: Dangereux" - Grown Man's Sky von Felix Deutschland
Ich hab Elite jetzt seit sechs Tagen, und seit ca. fünf Spiele ich es "richtig" (War am Sonntag ja zu kaputt um irgendwas zu machen als mich durch die Tutorials zu quälen). Es ist ein wundervolles Spiel, und ich liebe es. Aus einer Vielzahl von Gründen. Grundlagen der Astronomie war das letzte Thema, wo ich im Physikunterricht sowohl noch mitkam als auch mit Interesse gefolgt bin (G9, 9. bis Anfang 11. Klasse), weil Space halt Awesome ist.

Damals gabs keinerlei Spiele in dem Bereich, die mir das boten, was ich suchte; erst recht nicht auf Konsolen. Die 2000er-Jahre waren wohl die dunkelste Zeit für das Genre. Ausserdem hatte ich nie das Gefühl, dass die Spiele jenseits von Fluff ein Interesse daran hatten, Echtwelt-Astronomie allzu sehr in ihre Produkte einfließen zu lassen.

Um so geiler fand ich, dass genau dies zumindest im Fluff von Mass Effect 1 passierte. HARD SCI-FI, BITCH!



Ich guckte N24-Dokus über schwarze Löcher morgens um drei mit ordentlich Erfrischungsgetränken im Arsch genauso gerne wie jeder andere, war aber sehr davon genervt dass das eigentlich 45minütige Buzzfeed-Listicles waren wo man sich alles _wirklich_ interessante nochmal selber nachschlagen durfte.

Da ich ein Idiot bin und kein Mathe kann, werde ich auf Wikipedia regelmäßig von den ganzen Formeln usw. erschlagen. Ich versuche dann immer, weil ich ja von allem am meisten Zeit habe, sowas so gut es mir möglich ist zu verstehen und werde dann von meinem eigentlichen Ziel, mir coolen Space-Shit reinzuziehen, abgelenkt.

Elite Dangerous schafft es derweil, über das Mittel der Fernfahrersimulation, ein Quasi-Religiöses Erweckungserlebnis in mein jämmerliches Spatzenhirn zu projezieren.

Die Möglichkeit, zwischen Sternensystemen hin- und herzuspringen, vor einer Sonne zu verharren, dabei in stiller Andacht einen (kühlen) Eistee zu schlürfen und sich eine Zigarette zu drehen, hat, aus unserer Sicht im Hier und Jetzt betrachtet, höchstens Gott.

Mir gefällt die Vorstellung, die das Spiel mir als Spieler auch selbst nahe legt, ungemein, ein verschwinden kleiner, lächerlich unwichtiger Teil eines größeren Ganzen zu sein. Eine Art intergalaktischer Fahrradkurier, der nur zwei Lieferungen pro Tag macht und sich den Rest der Zeit im Park zwischen seinen Kunden und Lieferzielen rumflätzt und zuguckt, wie Leute mit ihren Hunden Frisbee spielen. Ich habe ein Schiff, das mir quasi kostnfrei ersetzt wird, wenn ich zerstört werde, so simpel ist es.
Nichtsdestotrotz habe ich die Möglichkeit, um die Zehn Lichtjahre/ca. 3 Parsecs zurückzulegen innerhalb von 10 Sekunden. Kein Antrieb, den wir Menschen uns vorstellen können, ist so schnell. Das ganze würde die Physik, wie wir sie kennen, bis zum Bruch dehnen. Es ist geil. Und furchterregend zugleich.

Ich hab hier im Forum ja mal zum Film "Gravity" geschrieben, wie furchterregend und klaustrophobisch ich die Situation eines Astronauten finde. Man ist gleichzeitig Pilot als auch Uboot-Kapitän, Taucher und Schmetterling. Und man ist ganz alleine, umzingelt von tödlichen Giganten.

Gestern oder Vorgestern hatte ich eines der furchterregendsten Momente meines Videospielerlebens, wenn nicht sogar DEN furchterregendsten Moment. Ich bin ja, bekanntermaßen, nicht die hellste Kerze am Weihnachtsbaum, weswegen ich die Tatsache verdrängt hatte, dass Sterne ja nicht nur handelsübliche Sonnen (Gruselig genug!) oder rote Riesen (Gigantisch, aber wegen des toskana-rots irgendwie weniger gruselig) sein können, sondern auch gleißend helle weiße Zwerge. Nach irgendeinem Hyperjump bin ich dann mal vor einem gelandet und, da der Himmelskörper nicht gescannt war, meine Sternenkarte ein wenig erweitern wollte und zwecks untersuchung näher ranflog. GROßER FEHLER.

Wie gesagt, ich bin ein Depp. Nicht nur in der Schule, auch im Spiel selber wurde ich daran erinnert, dass Graviation eine Naturkraft ist, die existiert. Zuvor war ich an einem gigantischen Planeten vorbeigeflogen und hing ein bißchen in dessen Gravitationsfeld fest. Kein Ding, einfach geduldig sein, bis der Frameshiftantrieb wieder beschleunigen kann.

Bei besagtem weißen Zwerg kam, nachdem ich mich genähert hatte, sofort der Alarm "FALLING!" und wäre in dem Moment genug Inhalt da gewesen, ich hätte meinen Darm in diesem Moment auf meiner Sitzgelegenheit entleert und dem Wort "Bürostuhl" eine neue Bedeutung verliehen. Heilige Scheiße! Sofort um 180° gedreht, ich war im Supercruise, muss eigentlich reichen, aber sogleich geht ein anderer Alarm los, nämlich die Temperaturkontrolle. Der Frameshiftantrieb entwickelt Hitze, genauso wie der Aufenthalt in der Nähe einer Sonne (Und ein weißer Zwerg ist vielleicht keine klassische Sonne mehr, WAR DAS ABER vor nicht allzulanger Zeit (so'n paar milliarden Jahre) und produziert immer noch tüchtig Wärmeenergie.

In meinem kleinen papierfliegerförmigen Weltraumvehikel fängt es mittlerweile an zu dampfen; die scheiben beschlagen, ich visiere panisch das Ziel im HUD an, das nächste Sternensystem, um eventuell mit letzter Kraft einen Hypersprung zum nächsten Stern zu machen und wenigstens meine Maschinen kühlen zu können. Natürlich hab ich in dem Moment auch bedenklich wenig Treibstoff dabei. Der Ladebalken für den Hypersprung füllt sich quälend langsam, dann der 5-sekunden-Countdown zum Sprung und BAMMM ich bin in diesem wurmlochtunnelähnlichen limbo in, soweit ich das verstanden habe, einem Zylinder exotischer Masse um mich herum die als eine Art Raumzeitmaschine wirkt und mich in Sekunden Distanzen zurücklegen lässt, für die das Licht fast zehn Jahre braucht, und komme heil vor irgendeiner halbwegs normalen und weniger lovecraftschen Sonne raus. Muss erstmal klarkommen. Bin vage dankbar, dass mir sowas nicht auch noch in VR passiert ist, sonst müsste ich wohl professionelle Gebäudereiniger anrücken lassen, weil ich wohl auch noch an die Decke geschissen hätte.

Ich denke an die SciFi-Literatur der 50er und 60iger, wo sich in all die Fortschrittsversessenheit der Zeit immer noch dieser Horror vor der "Welt da draußen hinter dem Horizont" erhalten hatte. "Space Madness".

[http://www.seeker.com/why-space-madness-fears-haunted-nasas-past-1765739692.html#news.discovery.com]

Diese höhlenmenschliche Angst vor dem Unbekannten; die profunde Panik, die Dinge auszulösen vermögen, die unsere "Vorstellungskraft" (Was immer diese sein mag und wie immer man diese misst) übersteigt. Der Gedanke, dass uns das alles (Die eigene Kleinheit, die Größe des anderen, die endlose Komplexität usw.) irgendwann derart überfordert, dass wir durchdrehen. Existenzialisten würde evtl. die Birne explodieren. Und wir reden hier nur von der Milchstraße, unserer freundlich-netten Heimat inmitten des Was-auch-immers, selbst widerum nur ein Fliegenschiss innerhalb des sichtbaren Universums.

Das sind natürlich alles keine sonderlich nützlichen Gedanken. Vor dreißig Jahren hätte so ein Schwachmat wie meinereiner solchen Sülz auch auspressen können, nachdem er ne dreiviertelstunde auf dassselbe Schwarzlichtposter geglotzt hat.

Aber was für ein Segen, dass ich nicht vor 30 Jahren gelebt hab (Naja, technisch gesehen schon... seufz...) sondern heute, und mir Elite Dangerous reinziehen kann und nicht irgendwelchen Nippes ausm Headshop!
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