dixip  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 24.08.2012 15:53 Uhr
Thema: Heavy Rain (Spoiler am Ende, markiert) Antwort auf: "durchgezockt!" Geschichten aus dem Laufwerk - 2011-2015 von dixip
Schon während des Spielens hab ich mich immer wieder gefragt, was ich von dem Titel jetzt halten soll. Ein gutes Spiel ist es wohl kaum, wenn man Gameplay etc. dafür in den Vordergrund rückt. Eine merkwürdige Steuerung in den "Adventure"-Szenen, dämliches Quick-Time-Gehampel in den "Action"-Sequenzen, das wird kaum jemand ernsthaft gut finden wollen. Mit sehr guten Filmen kann Heavy Rain auch nicht mithalten.

Eigentlich beweist Heavy Rain auch nur wunderbar, warum der Weg, Spiele wie Filme zu machen, nicht funktionieren kann. Allein das Pacing wird ja durch den Spielereinfluss völlig vernichtet. Selbst die fest linearen Action-Szenen von Heavy Rain verlieren durch die Reaktionszeiten, die dem Spieler für den Button-Druck eingeräumt werden, massiv an Dynamik.

Trotzdem war ich teilweise sehr gut involviert ins Spiel, hatte Lust weiterzuspielen, war gespannt, wie es weiter geht. Auch wenn es nicht an gute Filme/Serien herankommt, Story und Charaktere und Handlungen heben sich doch wohltuend vom Spieleeinerlei ab. Da ist zweifellos die Stärke von Heavy Rain.

An einigen Stellen, längst nicht immer, konnte ich auch etwas tiefer ins Geschehen eintauchen, weil sich die erforderlichen Padbefehle den Handlungen der Figuren stärker annähern, also z.B. das langsame Drücken von Buttons für vorsichtige Aktionen oder das Festhalten von 3-4 Buttons, um eine Anstrengung des Helden zu verdeutlichen. Meistens klappt das aber nicht. Da hat mein Getue mehr was von der Gestensteuerung von Wii-Spielen. Eine Sex-Szene in Heavy Rain spielt sich nichts anders als der Sex in God of War. Im "Adventure"-Bereich hätte ich auf die völlig absurde, durch nichts zu begründende "Panzer-Steuerung" gut verzichten können, L.A. Noire hat das klar besser gemacht.

Ich denke trotzdem, dass man Heavy Rain gespielt haben sollte, sofern ne PS3 zur Verfügung steht. Und wenn es nur dafür da ist, um den aktuellen Stand und die Sinnlosigkeit von Interactive Movies zu verdeutlichen.




SPOILER





SPOILER





ernsthaft, ein Spoiler, der die Spannung zerstört, weil es um den Täter/die Täterin geht.






So, das oben war mein Stand vor meiner letzten Session. Ich hatte da aufgehört, wo Shelby seine Lauren am Bahnhof verabschiedet (was man wahrscheinlich auch nicht zwangsläufig sieht), also kurz vor der Auflösung. Ich war sehr gespannt, wie es weitergeht!

Und dann kam die Auflösung, dass der gute Scott der Täter ist und dann kam dieser The Sixth Sense-inspirierte Rückblick auf erlebte Szenen, bei denen man nun noch gezeigt bekommt, was dort auch passiert ist.

Und mit einem Schlag, war jegliche Immersion, die ich teilweise verspürt hatte, weggefegt. Ich kam mir verarscht vor, wie ein Ochse am Nasenring durch die Arena gezogen. Fazit lautet jetzt, dass das Spiel völliger Crap ist und David Cage ein Schwachkopf, der mehr Scheiße labert als Molyneux.

Was soll denn bitte der Mist?

Ich hab Shelby lieb und nett gespielt, ich hab Lauren getröstet, die eine Mutter vor dem Selbstmord gerettet, meinen alten Kumpel, den Uhren-/Schreibmaschinendoktor besucht und nett mit ihm geplaudert.

Und während ich den Uhrendoktor besuche, ich mich dort aufhalte und NICHTS mache, hat die Figur Shelby, die ich eigentlich die ganze Zeit spiele, den Uhrendoktor ermordet!???? WTF?

Bei Ethan haben sie mit den Blackouts ja so etwas angedeutet (die imo auch nicht erklärt werden), aber Shelby ist ein schwerfälliger netter Kuschelbär, sonst gar nichts (auch keiner, der in der Disco in Windeseile auf und davon rennen kann). Und viele seiner Handlungen sind doch dann auch Blödsinn. Warum bedroht er den reichen Vater, der Blumen am Grab seines Bruders platziert?

Und jetzt nur für die große Überraschung wird er zum Massenmörder, was mal null Sinn macht. Und damit schlägt imo auch das Pendel der Einzigartigkeit brutal zurück. Bei Mass Effect 3 mag man auch über das alte Ende lästern, sagt dann aber trotzdem "gutes Spiel". Bei Heavy Rain bricht mit der Bindung zu den Figuren durch so einen erzählerischen Schwachsinn das gesamte Kartenhaus zusammen. Die Immersion, das zarte Pflänzchen, das mit allen erdenklichen Mitteln der Quick-Time-Innovationen, mühsam aufgebaut wurde, verbrennt auf dem Scheiterhaufen der "Jack-in-the-Box"-Auflösung.
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