PUH  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 13.02.2024 20:47 Uhr
Thema: Re:Karneval bei den Kiddies Antwort auf: Re:Karneval bei den Kiddies von turzilla
>>Du meinst sie hätten Eger sagen sollen, überlegt mal, ob es nicht zeitgemäßer wäre wenn...?
>>Ja stimmt eigentlich. Das klingt sonst so übergriffig irgendwie.
>
>So ähnlich. Es ist schwer sowas übers Internet zu diskutieren, ohne als verbohrte Greisin rüberzukommen. Ich hatte gestern den Nachbarn nebst Frau im Garten, weil vom Balkon des zweiten Stocks im Haus nebenan zwei volle! Dosen "Jack Daniels Cola" in meinen Garten geschmissen worden sind. Eine lag zermatscht auf unserem Tisch und eine am Rand unseres Gartenteiches. Ich vermute mal, es wurde versucht den Teich zu treffen und gehe davon aus, dass das eine Kurzschlusshandlung eines ihrer Söhne war, um nicht mit dem Alkohol erwischt zu werden. Es wurde also in Kauf genommen, dass unser Hund, oder gar wir von so einem Geschoss am Kopf getroffen werden, nur um die eigene Weste "rein" zu halten. Dabei musste ich die ganze Zeit überlegen, ob ich mich auch politisch korrekt ausdrücke und nienmanden diskriminiere, die Nachbarn sind nämlich kurdische Muslime. "Unsere Kinder trinken keinen Alkohol, die können es gar nicht gewesen sein!". Man müsste mit seinen Kindern mal reden und ihnen aufzeigen, dass sie nicht die Einzigen auf der Welt sind. Dass Kröten sterben, wenn sie den Fahrtwind eines vorbeifahrenden Autos abbekommen, auch wenn sie hinter dem Schutzzaun sitzen. Dass man in Kurven Gegenverkehr haben kann. Dass die Aufmerksamkeit im Straßenverkehr rapide sinkt, wenn man auch nur eine Sekunde auf sein Handydisplay guckt, auch wenn man nur Fußgänger ist. Dass Gehwege so heißen, weil man drauf geht. Sie heißen weder Fahr- noch Parkwege. Das gilt auch für E-Autos. Dass man kein besserer Mensch ist, nur weil man korrekt gendert oder vegetarisch lebt Dass man die Menschen nicht herablassend behandelt, nur, weil sie Kind unbeschwert die Abenteuer-Geschichten von Pippi Langstrumpf und dem "Negerkönig" gelesen haben. Ich sage diese Wörter heutzutage nicht mehr, aber ein Zigeunerschnitzel oder ein Mohrenkopf waren in meiner Kindheit eigentlich etwas sehr Schönes, und gar nicht negativ behaftet. Dass man es als unangenehm empfindet, wenn das Gegenüber Oberkörperfrei oder nur spärlich bekleidet ist, auch wenn jeder das tragen kann, was er will. Statt dessen pappt man halt ein Schild hin. Keine Waffen. Weil man "unbeschwert" feiern will. Fäuste sind selbstverständlich davon ausgeschlossen, die sind halt angewachsen.


Ja ist schwierig über sowas im Internet zu diskutieren und ich verstehe auch nicht alles was du da beschreibst, also zB wieso es jetzt wichtig ist, dass das Muslime sind - das könnte doch bei deutschen Kindern genauso sein. Und wieso musst du aufpassen, wie du etwas ausdrückst, drück es doch so aus wie es für dich richtig ist und du dazu stehen kannst und steh auch dazu. Ich glaube du hast da auch eher ein unbestimmtes Gefühl ausgedrückt, was ja auch ok ist.
Aber ich bemerke, dass es wie du schon sagst schwierig ist, darüber schriftlich zu diskutieren, und es bringt nichts, wenn wir uns hier hochschaukeln. Deshalb nur eine kleine rein subjektive Anekdote, sozusagen mein (etwas anderes) Gefühl.

Als Kids war das Wort "schwul" total üblich. "Deine Tasche hat ne schwule Farbe". Da haben wir uns nichts dabei gedacht, ich hab mich auch nie als Schwulenfeindlich gesehen. Gemeint war, ne Kackfarbe, sonst nichts. Ich hab das sogar als junger Erwachsener noch einmal im Freundeskreis benutzt, ist mir eher so rausgerutscht. Ein Kumpel war etwas versteinert und hat nichts mehr gesagt, später wussten wir dann dass der schwul war. Er hat sich auch nie direkt geoutet, sondern so auf Umwegen, dass es für ihn leichter war und es irgendwann einfach alle wussten. Es muss schwer für ihn gewesen sein, und die erwähnte Szene tut mit heut noch leid. Ganz sicher hat der nicht gedacht: die meinen es nicht so.

Wie gesagt, es war ja auch nicht so gemeint. Heute denk ich mir: Eigentlich doch. In meiner Kindheit war es total ok, schwul auch im anderen Sinne abwertend zu gebrauchen. Auch die Elterngeneration hat das durchgehen lassen und zum Teil selber gemacht. Und natürlich war das kacke-"schwul" auch irgendwie das homo-"schwul" in einer Überlappung der Bedeutungen. Rosa war schwul. Das musste ich aber erstmal in mehreren Schritten verstehen: 1. Problematik überhaupt erfahren. 2. Abwehrhaltung überwinden ("mein ich ja nicht so", "sollen sich nicht anstellen", "man darf ja nichts mehr sagen"...).  3. Nachdenken. 4. Entscheidung treffen, wie damit nun umgehen. 5. Dazu stehen.

Bei den Schritten 1-3 haben die ganzen heute schwer gedissten "Woken", Aktivisten, etc geholfen, ohne die wären die ganzen Emazipationbewegungen längst nicht so weit. Und ja, dafür müssen sie manchmal penetrant sein. Wenn mich heute jemand "herablassend behandelt", weil ich was "falsch" gesagt habe, dann bin ich eher neugierig als grumpy. Ja, wir haben "Negerkuss" gesagt, und wenn ich mit Leuten bin, die das auch so kennen und wo ich weiß is ok, dann sag ich es heute noch. Aber sonst nicht, weil "wir haben es nicht so gemeint" glaube ich nicht. Und selbst wenn, es wird von manchen als sehr verletzend empfunden, und erstmal höre ich denen zu. Ich stelle nicht gleich meine Befindlichkeiten in den Mittelpunkt. Und es macht mir Null aus, es nicht mehr zu sagen. Ich persönlich habe da absolut kein Problem mit. Ich habe nicht das Gefühl, dass mir was weggenommen wird. Und wo ich Grenzen dieser Entwicklung sehe, wo mir die Sprachkritik zu weit geht, da kann ich drüber diskutieren. Und natürlich, um die Schleife zurück zu drehen, den praktischen Umgang damit - vielleicht hat es sich dieser Kindergarten zu einfach gemacht. Und vielleicht machen wir es uns dann auch zu einfach.
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