Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 20.06.2018 17:12 Uhr
Thema: Re:mal wieder typisch Web2.0 Antwort auf: Re:mal wieder typisch Web2.0 von Seriös
>>Ja gut, weil's halt ne Binse ist. Das heißt nicht, dass drakonische Strafen sinnvoll sind.
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>Deshalb sollte es nicht binär sein, meistens gilt auch hier die alte 20-80 Regel wonach 20% von etwas (z.B. Strafen) 80% des Effekts erzielt.


Aha. Ich finde im Wikipediaartikel zu dieser Theorie aus der Statistik (?) nichts von einer Anwendung in der Rechtstheorie, erst recht nicht in der Üblichkeit, die du in deiner Wortwahl mitschwingen lässt.

[https://en.wikipedia.org/wiki/Pareto_principle]

Deine Aussage suggeriert, den Kontext mit einbezogen, dass das eine Art Faustregel für das Ausbaldowern für Strafen nach Verbrechen wäre. Ich finde das nirgendwo belegt.

>>Ist der Strom wirklich versiegt? Lassen sich Leute wirklich davon abhalten?
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>Schau dir doch die Asylanträge an [https://tradingeconomics.com/germany/asylum-applications], natürlich machts einen riesen Unterschied.


Was bei mir Kopfschmerzen verursacht: Es ist doch keineswegs ausgeschlossen, dass diese Flüchtlingsströme noch strömen, sie kommen nur nicht mehr in dem Umfang nach Deutschland vor (...um dort statistisch verwertbare Asylanträge zu stellen...), sie bleiben halt in der Türkei kleben, und kein Schwein weiß, was mit ihnen passiert.

Ganz davon ab, was für moralisch-weltanschauliche Verrenkungen nötig waren, um diesen Deal mit der türkischen Regierung überhaupt einzugehen, und den potentiell die Region destabilisierenden Konsequenzen.

>>Gerade vor ein paar Tagen wurde ein Schiff mit 600 Flüchtlingen aus Seenot gerettet; Italien und Malta wollten es beide nicht in ihren Häfen haben, bis sich das mittlerweile wieder links regierte Spanien erbarmte. Ich denke, das Wetter im Mittelmeer hat größeren Einfluss als der Erdogan-Deal. Menschen finden immer einen Weg, und sie werden sich, angesichts dessen was in ihren Herkunftsländern auf sie wartet, nicht davon abhalten lassen.
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>Deswegen bleiben auch 99.9% der Leute zuhause nehme ich an, weil Menschen "immer einen Weg finden".


Wie kommst du auf die Zahl "99,9%"? Ich weiß, es ist das rhetorische Stilmittel der Übertreibung. Aber warum sollte ich Statistiken, die du dir buchstäblich und demonstrativ aus der Unnerbüx ziehst, für Brief und Siegel nehmen?

>>Das man Flüchtlinge ersaufen lässt, was die EU seit über einem Jahrzehnt halt so passieren lässt, anstatt einen sinnvollen, legitimen Weg zu ermöglichen, kommt noch dazu.
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>Man sollte sie auffassen und dann in Lager setzen, am besten auf Inseln, diese Lager sollten gut ausgerüstet, hygienisch, mit guter Verpflegung etc. sein.


Illusorisch. Die Art von Politik, die Leute auf den Azoren einbunkert, schert sich auch nicht darum, ob sie gut verpflegt, gut ausgerüstet und in hygienischen Verhältnissen leben. Die philosophische Grundlage besteht schon darin, Leute von der Restbevölkerung räumlich fernzuhalten, auf eine Weise, die das Asylangebot wie einen schlechten Witz darstehen lässt.

Wie sollen die Leute überhaupt auf so eine Insel kommen?

Und ja, mir ist Ellis Island ein Begriff, und nein, auch wenn das ganze vielleicht bürokratisch ein Erfolg war (Auch das kann man differenziert sehen), ich war selber da, das sieht aus wie ein Knast, und die Dokumentation dort macht auch keinen Hehl darum, wie sehr Leute dort wie Vieh behandelt wurden.

Der entscheidende Unterschied war nur, dass es sowas wie moderne Einwanderungspolitik (Also de facto Einwanderungsverhinderungspolitik) so noch nicht gab.

Aber zurück zum europäischen Fall: Wem hilft das, abgesehen davon, dass das Konzept an sich seine inhärente Menschenfeindlichkeit bereits nicht verleugnen kann, sich solche Fantasie-Planspielchen auszudenken? Soll jetzt etwa Korsika geräumt und eine Seerettungs-Mission ad infinitum laufen gelassen werden, die alle dorthin bringt? Würde Korsika ausreichen, oder müssten es schon die ganzen Balearen sein? Oder Zypern? Und kann man den Menschen dann in der EU eine Perspektive anbieten? Wie gesagt, ob deine Idee populärfaschistoide Symbolpolitik oder echte, organisierte Einwanderungspolitik ist, hängt entscheidend von dieser Frage ab.

Es gibt nicht wenige Fälle derzeit in den USA, die an den entsprechenden Grenzposten Asyl beantragt haben und dann abgewiesen wurden. Weil gar kein Interesse besteht, Asyl zu gewähren.

>Hier werden die Asylanträge bearbeitet. Wessen Antrag bewilligt wurde kann dann einreißen.  Wenn das konsequent durchgezogen wird haste bald keine Wirtschaftsflüchtlinge mehr und den Leuten die tatsächlich verfolgt werden gehts dadurch immerhin besser als im Heimatland.

Allein der Begriff "Wirtschaftsflüchtling" ist doch schon so ein Scheißbegriff. Der ganze Lall vom American Dream, der uns auch hierzulande entsprechend selbstbewusst verkauft wurde, basiert auf "Wirtschaftsflüchtlingstum". Alle menschlichen Wanderbewegungen ließen sich auf dieses Prinzip zurückführen. Das dieser entscheidende Fakt ignoriert wird oder eben für bestimmte Leute sich von vornherein zu akzeptieren verbittet, ist meiner Meinung nach das entscheidende Problem dieser ganzen Geschichte, und "der Westen" entscheidet sich, mal wieder, dafür, seinen rassistischsten Impulsen freien (oder auch nur gebremsten, schlimm genug) Lauf zu lassen.

>>Da einfach zu sagen, dass Leute, die das empört, "hysterisch" sind, da schießt man meines Empfindens nach weit ich übers Ziel hinaus
>
>Es ist das Äquivalent zum afrikanischen Blähbauch Kinderfoto in den 80ern.


Ach komm. Das ist jetzt wirklich Stammtisch nach dem siebten Herrengedeck.

>Theoretisch ist es wunderbar dass einen das berührt und dass man in einem post-rassistischen Utopia leben will, nur funktioniert es halt nicht.  

Ja echt, ich Trottel, dass ich mich überhaupt aufrege!

Wie gesagt, ich weiß nicht, ob deine Herangehensweise nicht viel mehr "self-defeating" ist. Aber you do you.

>Länder wie Nigeria legen pro Dekade um 30-40 Millionen Leute zu.  Der einzige Weg für diese Länder ist ihre Sachen auf die Reihe zu bekommen und 4-Dekaden lang nonstop Wirtschaftswachstum zu verbuchen (Äthiopien ist z.B. gerade auf dem Weg).

"So einfach ist das!"

>Was wir gegenwärtig betreiben ähnelt eher dem "Todesspiel" als Nächstenliebe, wer genug Kohle zusammenrafft und sein Leben riskiert hat eine Chance als Asylbewerber Jahre oder Jahrezehnte lang eine Schattenexistenz im gelobten Land zu verbringen.
>
>Das ist so ziemlich die dümmste und grausamste Art der Einwanderungspolitik die ich mir vorstellen kann und dafür klopft man sich hier auch noch auf die Schulter und rühmt sich ob seiner Humanität.


_Ich_ tue das nicht. _ICH_ hätte gern, wenn man "Give me your tired, your poor, your huddled masses yearning to breathe free" beherzigen würde, weil das eine schöne und sehr gute Idee ist. Ich demonstriere nicht in Blankenese gegen Asylbewerberheime oder habe Angst davor, durchrasst zu werden. _ICH_ bin für die globale Umverteilung von Wohlstand, und finde es nur folgerichtig das wenn dieser ausbleibt der Mensch eben zum Geld geht. _DAS_ ist auch nichts anderes als "pure ratio". Wenn du keine Wirtschaftsflüchtlinge willst, dann riegel die Städte ab - was sollen die ganzen schwäbischen Dorfkinder in Berlin leben und den Leuten da die Mieten teurer machen? Erstmal alle auf Schwanenwerder internieren, zur Entlausung und zum Berlinerisch-Unterricht!

Ich persönlich kann nachvollziehen, wenn Leute, die bei der Geburtslotterie ein weitaus beschisseneres Los gezogen haben als ich, daran gern aus eigener Kraft etwas ändern möchten. Und da, so wie du es teilweise tust, aufgrund der Schleuserkosten zu implizieren, dass das ja eh nur die wohlhabenden und gepamperten, die Elite ihrer jeweiligen Herkunfstländer ist... dazu fällt mir wirklich nicht mehr viel ein.

Man kann natürlich alles komplett technokratisch betrachten, wenn einem Menschen mehr oder weniger egal sind, und dann im Umkehrschluss jeden damit "pwnen", dass derjenige zu weich und zu gefühlsselig ist, weil er zwei Ficks um Menschenleben gibt.

>Mal davon abgesehen könnte man mit dem Geld was man hier für den Unterhalt eines Asylbewerbers aufbringt locker 5 in Jordanien oder Bangladesh durchfüttern, würde man natürlich nicht weil dem Deutschen diese Leute im Prinzip auch scheißegal sind, aber man könnte.

Ich möchte da mal realpolitische Umsetzungsvorschläge sehen, die NICHT auf "Kolonialismus" hinauslaufen.
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