Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 30.05.2018 20:06 Uhr
Thema: Re:Die Buchpreisbindung kann weg Antwort auf: Re:Die Buchpreisbindung kann weg von Seriös
>>Uuuuuh... also, einerseits gibt es die Rundfunkorchester, andererseits kann selbst ich als Klassik-Banause dir sagen, dass es einen himmelweiten Unterschied gibt zwischen einem Konzert in einem entsprechenden Saal und einer MP3 von, kein Plan, "Konferenz der Tiere" oder so.
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>Sollte heutzutage kein Problem sein binaurale Aufnahmen zu produzieren und diese jederzeit verfügbar zu machen, evtl, dann auch bald mit 360 Grad Video


Naja, soll dann der Staat Bedürftigen eine Surround-Anlage sponsern?

>Der bildungsbürgerliche Anspruch vom unersetzbaren Live-Theater mit dem Dialog zwischen Künstler und Publikum ist in der Theorie wunderbar, nur in der Praxis leben die meisten Leute nicht in Metropolen und können entweder ein oder zweimal im Leben Top Performer Live sehen oder halt Zweitklassige Performer 4 mal im Jahr in der nächstgrößeren Kleinstadt.

Nirgendwo rede ich davon, dass es um eine Erhaltung des Ist-Zustands ginge, oder das der Ist-Zustand geil wäre. "Bildungsbürgerlicher Anspruch", damit wischst du mit einem Totschlagbegriff gleich alle Alternativen zu diesem "Wir gucken jetzt den Faust!"-Mufftheater gleich mit weg vom Tisch. Theater wäre lebendiger, wenn es dezentraler, näher am Menschen wäre. Wenn 20, 30 Leute reichen, damit eine Aufführung sich rentiert. Es geht ja nicht um Blockbuster, du kannst Mutter Courage mit zwei Wäschekörben und vier alten Bettüchern aufführen. Aber das gälte dann nicht als Förderungswürdig. Das Theater ist ein Ort, wo es nicht verpönt sein sollte, wenn einer aus dem Publikum so sauer auf eine Figur ist, dass er sie laut "Arschloch" rufend schmäht. Nicht jede Aufführung sollte Raum dafür geben, aber es sollte einen Raum dafür geben. Das geht auch, ohne dass es ins Kaschperltheaterhafte abdriftet, oder ins volkstümliche. Das geht auch ausserhalb von Metropolen, wo meist Freiwillige das als Hobby machen, aber auch nur so weit wie es die Erwerbsgesellschaft zulässt. Teilweise geht staatliche Kulturförderung mit guten Projekten ja genau da hin und macht genau das. Offene Bühnen zum Beispiel, wo Onkel Friedrich sein Ein-Mann-Stück über den Ottomotor aufführen kann, zum Entzücken von vier Zuschauern. Auch das ist Kultur, für die es einen Platz geben muss, und der nur durch öffentliche Förderung ermöglicht wird.

Das sowas immer aus der humanistischen Bildungsbürgerecke gedacht wird, ist ja gerade das Problem, weil es der Idee einer lebendigen, zeitgemäßen "Kultur" im weitesten Sinne zuwiderläuft. Aber jede Game Jam, jede "Nacht der Computerspiele", jede NDR-Lesenacht, wo Kinder afaik sogar in Büchereien übernachten können während bis spät ihnen vorgelesen wird, sind Sachen, von denen es unbedingt mehr geben sollte. Imo auch, weil es einen durchaus bei der dringend nötigen Realitätsbewältigung ermächtigt.

Das ist der Unterschied zwischen dem Kulturpupertum, bei dem man Schillers Glocke auswändig lernen und eine Meinung zu Bach haben muss, und bspw. Brecht.

>Aber ich mein, Öffentliche Leihbibliotheken würden wahrscheinlich auch nicht existeren wenn es vor 150 Jahren schon Disney und Co. gegeben hätte.

Ja, Jesus, allein der Gedanke... fuck ey...
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