Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 30.05.2018 18:56 Uhr
Thema: Re:Die Buchpreisbindung kann weg Antwort auf: Re:Die Buchpreisbindung kann weg von PUH
>>Ich wüsste zudem auch nicht, warum kleine Buchhändler (!) mehr für die Kultur tun als Amazon. Diejenigen, die die Kultur schaffen, sind immer noch Autoren. Und obs denen nach einem Ende der Buchpreisbindung besser oder schlechter geht, ist natürlich wayne, weil: Wer gibt einen Fick auf Autoren?
>
>Ich höre da ein gesundes Maß an Kulturpessimismus heraus!


Wie du schon sagst: Gesund. Wenn in diesem Land Kultur so einen hohen Stellenwert genießen würde, warum sind die Leute trotz geförderter Kultur so unkultiviert? Weil das Geld vielleicht manchmal (ähem) zwischen den Ritzen versickert, anstatt da anzukommen, wo es gebraucht wird, nämlich bei den Dödeln, die am Ende ihren Arsch auf der Bühne hinhalten. Das gilt für die Musiker in einem Symphonieorchester genauso wie für Theaterschauspieler oder eben Autoren, Regisseure, Maskenbildner etc., also die, die das tatsächlich sich ausdenken und umsetzen. Aber denen direkt das Geld zu geben und zu sagen "Macht mal, seid kreativ!" ist irgendwie nicht (oder nur mit sehr großem bürokratischen Aufwand, bspw. in der individuellen Drehbuchförderung) möglich, weil DIE LEUTE JA NICHT MIT GELD UMGEHEN KÖNNEN. Alle würden's eh versaufen und vervögeln. Nee, lass uns das mal lieber den Leuten von Droemer-Knaur, Bertelsmann, Rowohlt usw. geben, die kriegen das viel besser hin.

>Das ist eigentlich meine Rolle, aber nun gut. Ich denk ma mit "kleinem Buchhändler" ist halt auch gemeint: Ladenkultur, der urbane Mensch will nicht immer im Garten vorm Hipstergrill sitzen und auf den Carport gucken, sondern eben manschmal auch Medschen gucken beim Lattetrinken, und da sitzt man lieber neben solchen Läden als neben der Dönerbude. Was ja auch ein Aspekt ist.

Sicher, aber die Buchhandlungen würden dir wohl auch sagen, dass sie mehr Umsatz mit Kaffee machen als mit Büchern. Und so viele dieser Buchhandlungen gibts ja auch nicht. Es wäre viel smarter, einfach sowas wie ne informelle Leihbücherei oder so eine "Büchertauschstation" in einem Cafe aufzustellen, als sich diesen ganzen Buchverkauf auch noch aufzuflatschen. Und ich kenn in Berlin Buchhandlungen, die gleichzeitig auch Blumenhandlungen UND ein Cafe waren. Ja, sehr schön, sehr bereichernd, aber in spätestens zehn Jahren waren die auch weggentrifiziert und durch nen Starbucks oder vergleichbares ersetzt.

>Vielleicht kann man auch sagen, dass  Kultur halt auch sichtbar sein muss, Kinder müssen Bücher halt sehen, und Menschen sehen, die viele Bücher *lesen* statt Handy zu spielen oder so.

Dann sollte man vielleicht Büchereien mehr fördern? Ich hab als Kind sehr viel Zeit in Büchereien verbracht. Das sind gute Orte. Vielleicht kann man dort auch Kaffee-Ausschank erwägen. Büchereien sind auch sozial inklusiv, weil sie nicht viel kosten. Bei der Buchpreisbindung geht es auch mit darum, dass Bücher einen gewissen hohen Preis kosten MÜSSEN. Dabei ist gegen billige Bücher nichts zu sagen, Autoren würden wie gesagt immer gleich wenig verdienen, da ändert die Buchpreisbindung nüscht wirklich viel dran. Buchpreisbindung ist überproportional zum Dienst der Verlage, nicht der Allgemeinheit oder derer, die die Texte liefern.

Das Kinder keine Bücher zu Gesicht bekommen, ist kein Problem, an dessen Ursache zu wenige innerstädtische Buchhandlungen sitzen, sondern Eltern, die nicht lesen und Kindern den Wert des Lesens nicht vorleben. Du kannst ausschließlich Bücher bei Amazon kaufen und belesene Kinder haben. Du brauchst kaum Geld für Bücher ausgeben und keinen Fuß in eine Buchhandlung setzen, um dasselbe zu erreichen.

Wenn irgendwer seinen Paul Auster lieber in den Alsterarcaden anstatt neben Euro Döner lesen will, dann geht es da erstmal um Lifestylebedürfnisse dieser Person, nicht um Kultur, Bildung oder sonstwas.

>Aber ja, generell ist das vermutlich nur wenig relevant. Das mit den Antiquariaten stimmt schon, aber die Hemmschwelle ein solchen zu betreten ist schon enorm. Wer da reingeht, der ist schon auf Droge. Zum anfixen taugen die nicht. Übrigens scheinen die ganzen Antiquariate auch zu verschwinden, zu Amazon Shops, dort gibts dann die Versandkostenbindung.

Joa, stimmt schon. Aber wer betritt die Vintage SciFi-Buchhandlung? Natürlich auch nur Leute, die dieses Special Interest haben. Die Alternative davon ist, eine Bahnhofsbuchhandlung ohne Bahnhof zu werden, und die ganze Jo-Nesbö-Eckhart-Scheiße zu verkaufen. Ein vermeintlich einladender Allesverkäufer-Gemischtwarenladen wie Dussmann an der Friedrichsstraße finde ich auch nicht viel einladender. Dussmann-Gutschein ist in meinem Bekanntenkreis der Amazon-Gutschein für Kapitalismuskritiker. "Keine Ahnung was der will, aber er ist ein Normie, also wird er es eh bei Dussmann kriegen". Dabei geht mir Dussmann am Arsch vorbei. Das ist Teil einer städtischen Infrastruktur, die mich persönlich abschreckt und die ich nicht schätze.

>UND wenn ich unseren Buchhändler betrete, dann muss ich an einem Eckhart-von-Scheißhausen-Gedächtnistisch vorbei, der nur Benjamin vom Stuckrad-Barre und sowas auslegt, um mich zu demütigen. Schafft man es bis zum Philosophieregal (Beispiel), dann haben sie da Precht, oder sogar Markus Milchbrötchen-Gabriel! Kurzum, im Grunde können die auch weg. Ja.

Darauf wollte ich hinaus.

>Läden mit fachlich qualifizierter Beratung sind eigentlich mehr oder minder tot, außer vielleicht im Grillshop. Rest kann auch bequemer downgeloadet werden. Die ganzen Wichsbücher für junge Frauen und so, das kann man sich jetzt eh nicht wirklich gedruckt vorstellen. Rest interessiert keinen. Meine Schwester sagt, ich zitier es gern: Die Menschheit ist halt schlicht. Nichtmal punkten kann man damit, weil das anrüchig ist, wenn mansichfürwasbesereshältoderwas. Hingegen kann man problemlos dafür geflamed werden weil man zu fett oder zu sonstwas ist.

Ich in in den Augen der Gesellschaft ohnehin irgendwo zwischen "abschreckende Kuriosität" und "Untermensch"; wer mich für eingebildet hält darf gerne mal fünf Minuten in meinem Gehirn verbringen. Spoiler-Alarm: Bedingt vergnügungssteuerpflichtig.

Und so, wie die Dinge laufen, gibt es für mich keine sichtbaren Gründe, Optimist zu sein.
< Auf diese Nachricht antworten >