Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 02.05.2018 16:05 Uhr
Thema: Re:"Multipliziere zuerst aus Antwort auf: Re:"Multipliziere zuerst aus von membran
>>>wenn's doch im Matheunterricht eben auch um Entwicklung zur Fähigkeit von Problemlösung und logischem Denken geht.
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>>Steile These ;)  Bei uns hatte das immer mehr was von Tierdressur.  Lehrer lehrt ein paar Tricks, ein paar Wochen/Monate später muss man bei ner Prüfung dann erkennen welcher der Tricks für welche Frage verwendet werden muss und gut ist.
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>Ja, ich weiß, was du meinst. Man muss immer die gängigen "Tricks" im Hinterkopf behalten, nur stehen die nie mal gesammelt irgendwo, die klaubt man sich so über die Jahre zusammen. Ich fand den Aufbau eines typischen Mathematik-Schulbuches auch immer total irre. So eine wirre Mischung aus rumplig formulierten Erklärtexten, rotumrandeten Info-Blöcken (wohl dem der geblickt hat, dass sich auf diese konzentrieren sollte) und endlose, kaum kommentierte Aufgabenkolonnen; vereinfache, 12a bis r.
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>Und bei einer Stelle dieser Aufgabenkolonnen musste man sich dran erinnern, dass man zur Vereinfachung des Bruches im Zähler und Nenner mit (X - 1) zu erweitern oder whatever, das war dann der Trick, anders ging's nicht. Die Aufgaben davor oder danach folgten Schema F, aber für diese eine Aufgabe mittendrin brauchte man diesen "Trick" und der war in dem Mathe-Buch, das diese Aufgabe enthielt, schlicht nicht abgedruckt. Ich fand das immer etwas irre.
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>Vielleicht ist das heute ja besser, aber ich glaub's nicht.


Nö, der Mathe-Lehrplan ist glaube ich überall in der entwickelten Welt gleich beschissen. Das Problem von Mathe ist auch, dass deren interdisziplinäres Potential komplett verkannt wird. Mathematik kann man super als Laberfach in Tandem mit den Grundlagen der Philosophie unterrichten, zumindest ab der 5. Klasse. Würde man, nach dem einbimsen der Grundrechenarten, frühestmöglich anfangen, Mathematik als eine Art abstrakte Sprache über "reine" Gedanken und Logik zu etablieren, fände die auch jemand interessant. Stattdessen wird Mathematik so unterrichtet, das möglichst großer Mehrwert für Industrie und Wirtschaft bei rausspringt und lediglich die Auswändiglern-Formelgrundlage für "komplexere" Naturwissenschaften in der Mittel- und Oberstufe geschaffen wird. Das ist total fucked. Auch im Hinblick auf gegenwärtige Nutzung von Mathematik und der Ambivalenz zwischen "Mittel der Knechtschaft für ganze Völker" und "Extreme, teilweise jahrhundertealte Brainteaser ohne wirklichen Mehrwert für die Zivilisation, ausser zu demonstrieren das man selbst die härtesten Nüsse mit Geduld, Spucke und einem menschlichen Gehirn lösen kann" wird das ganze Lernen von binomischen Formeln, Algebra und komplexen Zahlen zu ner elaborierten Hundedressur mit Menschen und keineswegs das, was Mathematik eigentlich sein soll: Die Befreiung menschlichen Denkens von Sprache und die Möglichkeit, extrem abstrakte Gedanken und Konzepte auszuprobieren und zu prüfen. Den Satz des Pythagoras in erster Linie als smarte Methode zu verkaufen, die Proportionen von Dreiecken ausrechnen zu können, ist in etwa so, als würde man Einstein in erster Linie dankbar dafür sein, dass er die Reisemikrowelle ermöglicht hat.
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