Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 08.04.2018 08:47 Uhr
Thema: Nuclear Fire Noodles Antwort auf: Futtern wie bei Muttern... sensationelle Rezepte! von turzilla
[https://www.amazon.de/Samyang-Doppel-Chicken-Instantnudeln-scharf/dp/B07119KZZJ/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1523168246&sr=8-1&keywords=samyang+ramen]

Relativ einfach zuzubereiten.

Sollen wohl der Goldstandard an Mainstream-Schärfe sein, ich fand, sie waren nur das zweitschärfste, was ich je gegessen habe. Das Schärfste waren immer noch die Currys, die ich damals in der alten Wohnung im Prenzlauer Berg gemacht habe, die habe ich teilweise unter hörbarem Wimmern gegessen, weil sie so lecker, aber auch im Grunde eine mutwillig selbst zugefügte chemische Verbrennung waren.

Zu diesen Fertignudeln gibt es etliche Challenge-Videos auf Youtube, einfach "Nuclear Fire Noodles" oder "Nuclear Fire Ramen Challenge" eingeben und durchklicken. Das erste Suchergebnis hat schon was von einem potentiellen Wetten,Dass-Wettkönig-Beitrag:



Ich habe im Zuge der Recherche über diese Nudeln eine niedrigschwellige Obsession mit Youtube-Mukbang angefangen, aber das tut hier jetzt nichts zur Sache. Belassen wir es hier erstmal dabei, dass diese Frau der verfluchte Terminator ist, allein schon deshalb, wie sie sich mit Servier- und Koch-Esstäbchen (Das Diminuitiv wirkt hier bereits deplaziert) die Scheiben eingelegten Daikon reinballert. Trve Hardcore.

Denn auch, wenn die Nudeln nicht das Schärfste sind, was ICH jemals gegessen habe, heißt es nicht, dass sie nicht sehr scharf sind. Ich musste beim essen aber nichtmal schwitzen und habe nur zwei Schluck (Fanta, nicht Milch oder Kakao) getrunken. Es hat ziemlich okay geschmeckt, soweit Gochujang-basierte Gerichte gehen (Eine koreanische Würzpaste aus reinem Chili und fermentierten Bohnen, welche eher süßlich-rauchig schmeckt und eine dem indischen Curry nicht unähnliche "Kaminfeuer"-Schärfe entwickelt). Ah, da fällt mir ein: Tteokbokki fand ich auch nochmal schärfer. Vielleicht wird aber die Schärfe subjektiv beeinflusst durch die eher milderen Gerichte, die man dazu isst (Ich sehe Tteokbokki als Beilage, aber eigentlich ist es ein eigenständiges (Snack-)Gericht, so wie ne Currywurst bspw.), in meinem Fall fein geschnittenes zuvor eingelegtes Schweinefleisch mit Reis. Also das Drittschärfste, was ich je gegessen habe.

Meine Lieblings-Fress-Youtuber sind übrigens TabiEats, und die haben diese Nudeln natürlich auch mal probiert. Über deren Schärfechallenges hatte ich hier ja schonmal was geschrieben, aber was ich jetzt mit meiner näheren Beschäftigung mit japanischer Küche interessant fand war, dass Japaner mehr oder wengier genauso gern "fad" essen wie wir Deutschen. Die einzige Schärfe, derer sich der Großteil der japanischen Küche bedient, ist die Senfschärfe (Aus dem Meerrettich, hierzulande eher als Wasabi bekannt). Chili kommt in den Gerichten so gut wie gar nicht vor, im krassen Gegensatz zum asiatischen Kontinent. "Japanisches Curry" ist in Japan ein westliches Gericht, welches von den Engländern während der Meiji-Restauration angeschleppt wurde. Deren weltweit verrufener Mangel für aromatische Nuancen gelierte sehr gut mit den Vorlieben der Japaner, weshalb man japanisches Curry ohne Probleme deutschen Rentnern unterjubeln könnte; es ist noch milder als der Curry im Hela-Kinderketchup.

Die Koreaner, Chinesen, aber vor allem Thais und Inder geben dem Affen aber richtig Zucker; Essen als Sadomaso-Event irgendwo zwischen Norwegian Black Metal und oberster Etage in der Finnensauna. Aber niemals irgendwo darüber hinaus. In Berlin gibt es eine Currywurstbude, wo man sich im Grunde chemische Kampfstoffe auf die Worscht spritzen lassen kann, um für fünf Mark nen lustigen Gag zu erleben. Das hat aber mit Essen nicht mehr viel zu tun.

Diese Nuclear Fire Noodles kann man essen. Man sollte es allerdings bei einem Paket belassen. Man muss auch nicht das ganze Tütchen Chili da reinjagen. Und wenn es einem zu scharf ist, ist das normal. Gerade die asiatische Küche (Und damit meine ich jetzt weit angelegt, so wie man mit "europäische Küche" auch einen geographisch weitgefächerten Bereich meinen würde) hat da unglaublich viele Alternativen und Varianten für jeden Geschmack (Ausser dem von Vegetariern und Veganern, wobei selbst denen noch die buddhistische Tempelküche bleibt - ist aber nicht jedermanns Sache). Wir stammen aus einer kulinarischen Kultur, wo es in seiner Gesamtheit vielleicht 150 wirklich wahrnehmbar unterschiedliche Gerichte gibt, aber allein in Japan hat jedes Gericht noch zig regionale Varianten, die zum Teil stark differieren und unterschiedliche Geschmäcker bedienen.

Naja, wayne. Jedenfalls, der coolste Effekt dieser Nudeln war für mich, dass es einerseits den Effekt von drei Espressos zu haben schien, nur ohne meinen Kreislauf abzufucken, und dass das Einsaugen von Luft die nächsten fünf Minuten unglaublich erfrischend war, wie bei nem Fishermans Friend, nur natürlich deutlich intensiver.

Ich hab früher als Kind geweint, wenn Senfkörner in der Salami waren, weil ich die zu scharf fand. Ich hab erst als Teenager angefangen, Pfefferwürze zu akzeptieren und war danach lange Jahre ein Tabasco-Pleb. Irgendwie muss ich mich da an eine Toleranz herangefressen haben. Wahrscheinlicher aber ist es das Rauchen, welches meine Zunge in eine mehrfach überteerte Transitautobahn für Nährschleim verwandelt hat. Ich kann aber nur jedem empfehlen, ein Fünferpack von den Dingern zu holen. Es ist ein großer Spaß, der keine bleibenden Schäden verursachen wird. Eine konsequenzlose Mutprobe. Ich würde es jetzt nicht gerade der 85jährigen schwäbischen Oma vorsetzen, für die schon grüne Paprika "Zigeunerkram" ist, oder einem zweijährigen Baby, aber niemand sonst wird davon in der Intensivstation landen. Wer allerdings vorsorgen will, sollte mindestens eine unangebrochene Packung Milch im Kühlschrank haben oder noch besser Yoghurt und Eiscreme. Schmeckt natürlich pervers, mildert aber für zehn bis dreißig Sekunden den Schmerz (Hab ich mir sagen lassen, ich fühlte mich wie erwähnt auf solche Hilfsmaßnahmen nicht angewiesen, habe aber auch "IRL" gesehen, wie krass das Leute abfucken kann, deswegen mahne ich hier zu etwas gesundem Respekt).

Wer eine Portion davon wegboxt kann jedenfalls schon manches vertragen. Aber es zeigt einem wohl auch deutlich auf, wo bei einem persönlich die Grenze zwischen Spaß und Folter verläuft.
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