Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 06.09.2017 16:39 Uhr
Thema: Re:So sedierend wie der ganze Wahlkampf Antwort auf: Re:So sedierend wie der ganze Wahlkampf von D@niel
>>Man sagt in dem Zusammenhang oft, dass niemand so kurz vor schluss noch das Boot zum schaukeln bringen will, also von den Kandidaten. Aber es ist nunmal so, dass dir massenweise die Wähler abspringen wenn du hingehst und sagst, dass das dreigliedrige Schulsystem unnötig und Scheiße ist und Zahnarzttöchter allein schon aus pädagogischen Gründen mit Arbeiterviertel-Ahmeds zusammen leben, lernen und arbeiten sollten. Zumindest während sie in der Schule sind.
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>Aber gerade Schulz sollte das Boot zum Schaukeln bringen, wenn ...
>>Nein, es wird Schwarz-Gelb. Die SPD wird bestenfalls irgendwas um die 22% schaffen, evtl. niedriger. Die AfD wird sicher knapp zweistellig, irgendwas zwischen 6 und 10 Prozent, die Grünen werden satt verlieren und die FDP wieder in den Bundestag einziehen. Es wird eine knappe, aber funktionale Mehrheit für Schwarz-Gelb geben. CDU LOCKER 40% + X, dann hängt es davon ab, wie gut die FDP über die 5%-Hürde kommt. 7% sind sicher drin. Dann würden der CDU 44% reichen, was hinkommen könnte. Überhangmandate usw. usf. jetzt mal ausgeblendet.
>
>... sein Wahlziel nicht "Juniorpartner in der GroKo" hieße. Wenn er nicht schaukelt, dann doch nur, um dabei eine möglichst starke Position zu haben und nicht unter die 20% zu fallen. Das ist im Übrigen genau diese taktierende Politikverweigerung, die die Leute - einschließlich mir - so satt haben. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und hier wagt schon lange niemand mehr etwas. Nicht einmal die, die wenn sie es nicht tun über kurz oder lang in der Bedeutungslosigkeit versinken werden.


Ja, mir kam schon die Nominierung von Chulz vor wie so eine Mafia-Nummer, wo die drei Leute die was zu sagen haben sich darauf einigen, wer ins Gras beißen muss, damit man später mit umso mehr Macht zurückschlagen kann. Chulz war der Fall Guy für Sigmar Gabriel, ein hochseriöser Politiker, der allein durch seine Vita unangreifbar ist von der Qualifikation her, aber nichtsdestotrotz zu obskur und zu sehr entkoppelt aus der politischen Öffentlichkeit in Deutschland, dass ein verdammtes biblisches Wunder hätte passieren müssen, dass er auch nur in der Theorie eine Chance gehabt hätte, Merkel gefährlich werden zu können.

Dass der merkwürdige Hype im Januar nicht von Dauer sein sollte, hätte eigentlich jeder wissen müssen. Allein, dass dieser Hype immer wieder als solcher bezeichnet werden musste, hatte mehr was von einer Art kollektiver Selbstvergewisserung, dass das jetzt eine Sache ist die passiert, weil man gerne Zeitungen verkaufen oder Klicks haben möchte. Irgendwas muss man ja melden, und so ne antizyklische Story a la "BREAKING NEWS: SPD EVTL. DOCH NICHT SCHEIßE? SCHALTEN SIE EIN!" immer ganz gut funktioniert, wenn's grad ausser Drumpf eh nix zu berichten gibt.

Gabriel wartet derweil ab, bis er mit dem ein oder anderen prestigeträchtigen Ministeramt sich quasi von allein in die Beliebtheitselite im Volk hochdurchlangweilt, Shuteinomeieru-Style, und dann über die tote Hülse der CDU nach einem Abtreten Merkels seine Comeuppance haben kann, irgendwann im 24. Jahrhundert oder so.

Chulz kriegt dafür ebenfalls ein gutes Ministeramt, die Vizekanzlerschaft unter Gabriel als Leckerli angedient, und darf einen Wahlkampf führen, nachdem ihn alle nett in den Arm nehmen wenn er verloren hat und solange es nicht deutlich unter 25% geht auch keine allzu empfindlichen Schmähungen vom Parteipersonal hinterhergeblökt bekommt, gegenüber einer Karriere als EU-Politiker, die nirgendwo mehr so recht hin ging.

Alles dann doch sehr transparent gewesen, von Anfang an.

>Die SPD hat mit der Agenda einen nicht unerheblichen Teil ihrer Wählerschaft vergrätzt. Das haben ihr viele bis heute nicht vergessen.

Ja, zurecht. Ich schäme mich auch immer noch für den kompletten hardcore neoliberalen Dünnpfiff, den ich hier vor über zehn Jahren in diesem Forum sogar dazu geschrieben hab, dafür wurde ich zurecht auch entsprechend angepfiffen. Alter...

>Und sie hat auch danach jede sich bietende Gelegenheit genutzt, sich möglichst unsozialdemokratisch zu verhalten. Es reicht halt nicht aus, aller 4 Jahre 6 Monate vor der wahl, das Thema "soziale Gerechtigkeit" aus der Kiste zu holen und das dann auch nur halbherzig (oder wie im TV-Duell gar nicht) zu propagieren.

Vor allem, wenn es am Ende dann doch so behandelt wird wie irgendein INSM-Scheiß von Echsenmenschen für Echsenmenschen. Was anderes erwartet man doch zu dem Thema nicht, als sowas wie ne Faltbroschüre mit Stock Photos von nem Drei-Generationen-Haushalt beim Fahrradfahren und irgendwelchen Neusprech-Stichworten, die absolut nichts aussagen.

Ich finde auch, dass man gar nicht über soziale Gerechtigkeit reden kann, solange man nicht definiert, was das ist. Und die einzigen Initiativen von Chulz, die bei mir hängen blieben, waren irgendwelche Hilfen für langzeitarbeitslose über 50 oder irgendwas mit Rentnern... dieser Stellschrauben-Shit, bei dem es mich wahnsinnig macht, dass diese Hardcore-Technokraten denken, dass sowas Leute zur Wahlurne treiben würde. Aaaargh!

>Ich bleibe übrigens dabei: Es wird eine weitere GroKo, so sehr ich mir wünsche, dass es anders kommt. Sogar schwarz-gelb fände ich besser, da es wenigstens wieder eine nennenswerte Opposition geben würde. Aber die Umfragen geben das momentan nicht her, egal welche. Aber ich lasse mich gern überraschen, Umfragen würden ja nicht das erste Mal deneben liegen. Schwar-gelb bräuchte die Grünen, und da halte ich schwarz-rot für wahrscheinlicher.

Ich glaube, die SPD wird satt verlieren, die CDU nur leichte Verluste, beide zugunsten der AfD. Grüne werden Probleme mit der 5%-Hürde kriegen, FDP wird sie knacken. Bei dem Ergebnis wäre quasi nur GroKo möglich, das ist jetzt nur mal ein "educated guess" for fun. Die CDU könnte von leichten Verlusten bis überschaubaren Zugewinnen alles erreichen beispielsweise, das ist ein Korridor aus Eventualitäten. Hier mal ein vorsichtig geratenes Wahlergebnis:

39% CDU/CSU
21% SPD
11% AfD
8% LINKE
6% B90/Die Grünen
6% FDP

Dann müssten sich aber die restlichen 9% auf Kleinparteien verteilen, die nicht die AfD sind. Die NPD wird zum Beispiel stark verlieren, da sie so gut wie Pleite war für diesen Wahlkampf. Die 9% wären quasi nur "Sonstige" und Nichtwähler. Kann aber auch sein, dass Kleinparteien recht gut fahren.

Und hier eine bewusst polemische, extreme Variante:

45% CDU
18% SPD
16% AfD
8% FDP
8 % LINKE

Grüne ganz raus, scheitern an der 5%-Hürde, danach große Sinnkrise und inhaltliche Neufindung (Ohnehin dringend notwendig), Distinktionsmerkmal Atomausstieg weg und opportunistische LOHAs haben mehr Bock auf Mad Money dieses mal, wählen entsprechend FDP. Dabei würden aber unter 5% an die Grünen gehen und quasi nur Prozentbruchteile für alle Kleinstparteien übrigbleiben, widerum auch sehr unwahrscheinlich. Aber zwischen diesen beiden Polen wird sich das Ergebnis abspielen.
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