a gentle breeze  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 28.08.2017 11:49 Uhr
Thema: Sightseers Antwort auf: Stream of Conciousness von Icheherntion
Sightseers (2012) ist ein wirklich böser, kleiner Film. Die zwei Mittdreißiger Tina und Chris brechen aus ihrem miefigen Zuhause aus und auf zu den vielversprechenden Touristenattraktionen Englands (einem Bleistiftmuseum z.B.), nur um festzustellen, dass sich überall die Menschen danebenbenehmen. Als ein Stoffel schließlich seinen Müll wegwirft und Chris, der ihn darauf hinweist, den Mittelfinger zeigt, sieht der rot und überfährt ihn kurzerhand mit seinem Campingwagen.

Ein Roadmovie in Großbritannien? Was zunächst als herrlich britische Variante von Falling Down in der engl. Provinz wirkt, entwickelt sich dann aber anders als ich es erwartet hatte. Man ist zunächst geneigt, das ganze als Spaß abzutun und bringt dem verbitterten Paar Sympathie entgegen. Es hat etwas verboten reizvolles, zuzuschauen, wie andere die Gewaltfantasien des Alltags ausleben, die, seien wir ehrlich, in jedem von uns stecken, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. So könnte es vergnüglich eine Stunde weitergehen, aber leider reicht das dem Film noch nicht und es muss die psychologische Seite der Hauptfiguren beleuchtet werden.

Chris, der zunächst den Eindruck eines überreizten Gemütsmenschen macht, entpuppt sich als durchtriebener Misanthrop, der seine liebesbedürftige Freundin (tolle Leistung von Alice Lowe) wegstößt. Als Tina nämlich entdeckt, das es sich nicht um Unfälle handelt, sondern gezielte Morde, versucht sie sich erst Chris anzugleichen, erkennt dann aber, das sie ihn nicht erreichen kann und wendet sich schließlich von ihm ab. Dabei ist die Atmosphäre des Filmes stellenweise sehr unangenehm und Leuten (wie ich), die emotional bei so etwas mitgehen, wird es nicht leicht gemacht. Zuletzt bekommt man ein unbefriedigendes Ende vorgesetzt und ist so schlau wie vorher.

Warum handeln die Figuren, wie sie handeln? Gründe werden angedeutet, mir fehlt aber der erklärende Rahmen. Ein einfaches "die sind halt bös'" reicht mir nicht bei so einem intelligenten Drehbuch. Warum ist Tina so abhängig von Chris und warum ist der so aggressiv und letztlich durchtrieben? Die einzelnen Szenen sind als solche sehr effektiv, die erzählte Geschichte erscheint mir aber nicht ganz schlüssig. Ein böser Roadmovie mit Augenzwinkern wäre mir etwas lieber gewesen.
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