Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 07.08.2017 15:27 Uhr
Thema: Re:"Was zur Hölle macht Nordberg in Brentwood?!" Antwort auf: Re:"Was zur Hölle macht Nordberg in Brentwood?!" von Sockenpapst
>>Ja, und es war auch sehr passend, dass die Geschichte ihr vorläufiges Ende nahm in Gestalt eines Beefs zwischen teigigen Sportdevotionalienhändlern in einem 3rd-Tier Las-Vegas-Automatenkasino, Zitat Alex zu dem Überwachungskamerafootage von deren Suche nach dem Hotelzimmer: "OJ's Eleven."
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>Mein absolutes "Highlight" war ehrlich gesagt der darauf folgende Prozess, bzw. OJs Verurteilung: Eine Möchtergerngangster-Posse, die als Entführung (WTF) gewertet wird. Diese erzwungene Symbolik (Datum, Strafmaß). Der unbedingte und unverhohlene Wille staatlicher Institutionen, sich an Simpson zu rächen.  


Jo, das zeigt, wie dieses System die "unordentlichen" Aspekte von "Strafe" im generellen Sinne an die Oberfläche kommen lässt. Jedes Strafrechtssystem ist sich in gewisser Weise der Tatsache bewusst, dass es nicht perfekt sein kann (Es sei denn wir reden hier von knallharten Autokratien und Diktaturen), dass amerikanische bietet aber nunmal mannigfaltige Möglichkeiten, dem Rechnung zu tragen und die Unperfektheit damit extrem sichtbar zu machen. In Deutschland kriegst du, wenn du zu Unrecht verurteilt wurdest, ja auch nur eine lächerliche Pauschale für teilweise jahrelange Inhaftierung aufgrund schlampiger Beamter und unzuverlässiger Zeugen. Und damit hat sich das, du kannst dann niemanden verklagen oder auf "mehr" pochen oder so, der Fall ist erledigt, tut uns sehr leid, kann aber passieren, hier fünf Mark. Aber keine Sau kriegt davon mit. Du kannst in den USA Class Action Lawsuits gegen Unternehmen anstellen, was sicherlich einige VW-Käufer hier recht neidisch werden lässt, solche Sachen. Es gibt viel Raum für das, was hierzulande teilweise allein durch die Art, wie wir Rechtssprechung gewohnt sind, als "verrückt" empfunden wird, nicht zu Unrecht (Ich gehe ja selber darauf ein). Ich hab beispielsweise bis heute nicht verstanden, wie man in derselben verdammten Stadt, nur an unterschiedlichen Gerichten, einerseits von einem Mord freigesprochen wird und einer laaaaaaaangen Haftstrafe entgehen, und dann 20 Kilometer (oder so) weiter weg in einem Zivilprozess zu 35 Millionen Dollar Schadensersatz und damit zumindest in Augen des Zivilgerichts als tatschuldig gesehen werden kann. What the fuck.

Das sie in Nevada etwas empfindlichere Rechtsprechung gegenüber bewaffnetem Raubüberfall pflegen, hat ja nicht zuletzt damit zu tun, dass man die grassierende Zahl an Gewaltverbrechen in einer großen Stadt eindämmen will, in der man sich in vielen Zimmern vermuggeln kann, jeder mit unglaublich viel Bargeld und Wertsachen rumläuft und so gut wie alle scharfe Waffen tragen. Try nuancefully policing that shit.

>Und eine Richterin, die während der Urteilsverkündung aus einem gigantischen Softdring-Pappbecher süffelt (jaja, Nevada halt).  

Nee, das machen da alle. Mein Vater war mal Anfang der 80er bei einem Austausch in Arkansas, und hat da mal Gerichtsprozesse besucht weil er sich damals schon für Jura interessierte, und hat mir als bleibende Erinnerung auch erzählt, wie der Verteidiger mitten im Plädoyer, ohne Ankündigung oder sich weiter dafür zu erklären oder entschuldigen zum Wasserspender rüberging, Becher vollmachte, trank und dann nahtlos weiterlaberte.

Das liegt glaube ich daran, dass Strafprozesse da noch viel mehr Fließbandarbeit sind wie hier, habeas corpus etc. (Afaik musst du in Deutschland nicht extra mit Anwalt vor nem Haftrichter antanzen, der kann das hierzulande auch ohne persönliche Anwesenheit des Angeklagten aufgrund dessen, was die Staatsanwaltschaft in den Händen hat abwägen anhand der bekannten Kriterien - Flucht- und Verdunkelungsgefahr usw.). Pausen werden eher verfahrenstaktisch benutzt, als das jemand ernsthaft ne Pause braucht um was zu trinken oder zu essen.

Aber es sagt natürlich eine Menge über die eigentliche Verfahrens- und Rechtspraxis aus, so wie die Art, wie man hier und dort Häuser baut zum Beispiel auch viel über die Kultur und Mentalität eines Landes aussagt.
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