Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 29.06.2017 15:49 Uhr
Thema: Re:Rollerparken auf dem Gehweg Antwort auf: Re:Rollerparken auf dem Gehweg von Icheherntion
>>Nicht falsch verstehen, ich hätte sooooooooooo gerne ein eigenes Auto, aber das bringt nur wirklich Spaß in Gegenden wo niemand wohnt (Und man es auch entsprechend braucht).
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>Kommt drauf an, wie man brauchen definiert. Mich nervt die Fahrerei zwar auch, aber da der ÖPNV hier so scheiße ist, ist ein Umstieg für mich nur unter Gewaltandrohung drin.


Das ist eben der Punkt. So ziemlich alle deutsche Innenstädte sind nach ihrem Reset durch die Royal Air Force komplett auf Autoverkehr ausgelegt worden und schon einfach durch das Straßenbild eigentlich nicht gescheit mit Öffis zu versorgen. Gehen wir mal weg von den üblichen misanthropischen Standard-Gegenargumenten zum ÖPNV ("Nur stinkende Asis und U-Bahn-Musiker und Bettler und Menschen generell - HASSSSS!" usw.) muss man einfach den Tatsachen ins Auge sehen, nämlich das ein Ausbau des Netzes oder eine höhere Taktzahl rein phyisch-logisch gar nicht möglich ist. Das zu ent-fucken ist quasi unmöglich, wenn man nicht unfassbar viel Geld für Tunnelbau ausgeben will, was halt schlicht nicht geht.

Damit der ÖPNV mehr Luft zum atmen hätte, müsste der Individualverkehr "etwas" verringert werden, was aber nur mit einem besseren ÖPNV ginge oder mit knallharten innerstädtischen Fahrverboten. Letzteres wird in Deutschland wahrscheinlich eher zu Bürgerkrieg führen als irgendwelche Flüchtlingskrisen, und ersteres ist ein wundervolles Henne-Ei-Problem, das noch dutzende von Generationen an Lokalpolitikern beschäftigen wird, solange die Royal Air Force es unterlässt, uns eine neue Stunde Null aus städteplanerischer Sicht zu bescheren.

Alles keine guten Alternativen, solange wirklich kein rein vernunftgetriebenes Umdenken bei den Leuten selbst stattfindet. Was nicht passieren wird, weil Autos neben Fußball unsere nationale Ersatzreligion sind.

>Meine aktuelle Strecke ins Büro würde von 2x15 Minuten auf 2x60 Minuten ansteigen.

Glaube ich dir.

>Das ist auf eine 5-Tage-Woche gerechnet fast ein kompletter Arbeitstag, den ich da in Bus und Bahn nutzlos rumsitzen würde. Und, die 2x60 Minuten sind natürlich die Idealzeit, die uns die Verkehrsbetriebe vorgaukeln. In Wahrheit muss man da natürlich noch Pufferzeit einrechnen, da man nicht immer (aka nie) Punktgenau an der Haltestelle sein kann und wenn man mal einen Bus verpasst, sind's gleich mal 30 Minuten Bonus, die man an der Haltestelle rumsitzen darf. D.h. 10 Minuten sollte man da locker noch mal draufrechnen, sonst kostet einen die kurze Frage, die der Kollege beim gehen noch hat, gleich mal die erwähnten 30 Minuten.

Brauchst du mir nicht sagen, alles bekannt.

>Wobei der ÖPNV hier vermutlich besonders schlecht ist (eine grüne Regierung müsste man halt haben!). Ich benutze den so gut wie gar nicht und gehe entweder gleich zu Fuß, wenn's nicht zu weit ist, oder schnappe mit ein Car2Go, falls eins da und das eigene Auto zu unpraktisch ist.

Wobei Carsharing eigentlich vom Staat geregelt werden sollte. Es gibt ja sogar Ansätze, letztens von nem Dude gelesen der städtischen Verkehrsbetrieben so ein Uber-Ähnliches System mit Kleinbussen anbietet mitsamt Softwareinfrastruktur und so. Finde ich gut, weil da keiner hingeht und gleich ein ganzes Gewerbe, wenn auch eines, dass es echt mal verdient hätte, aus dem Markt zu drängen (Taxis).

Der Ist-Zustand ist leider nunmal einer der sich permanent aufschaukelnden Aggression zwischen allen Verkehrsteilnehmern, weil eben überall in Deutschland, wo man theoretisch keine Kernwaffentests machen könnte, komplett dicht sind und seit Jahrzehnten mit immer neuen Bypass-Lösungen notdürftig geflickt werden. Du kotzt, nicht zu Unrecht, über den ÖPNV in Baden-Württemberg, aber die Metropolregion Rhein-Ruhr hat nochmal ein beschisseneres, mit dreitausend Tarifpartnern und Abrechnungsmodellen auf einer Fläche so groß wie das Saarland. Bis oben randhoch voll mit Pendlern. Jede Verkehrsoption ist dort ein absoluter Abfuck, jeder Verkehrsteilnehmer dort würde auf dem Weg zur Arbeit und wieder zurück jeden anderen Verkehrsteilnehmer töten, wenn es nicht lästigerweise gesetzlich sanktioniert werden würde. Aber wirklich was dran ändern will auch anscheinend niemand.

>>Wenn es innerhalb des S-Bahn-Rings in BErlin nur Lieferverkehr und ansonsten Carsharing mit Elektrosmarts und E-Rollern gäbe, wäre es der Himmel auf Erden. Allein die ganzen 19jährigen Asis mit ihren geleasten AMGs können sich jetzt schön individuell in Brandenburg gegen die Alleenbäume nageln anstatt innerstädtisch noch irgendwelche armen Schweine totzufahren, kein Verlust.
>
>Das Problem wird sein, das genau diese Penner sich auch wieder Ausnahmegenehmigungen ergaunern werden. Wie in London, wo tausende SUVs und Sportmöhren rumfahren, die als Lieferwagen deklariert wurden oder was in der Richtung.


Absolut. Braucht man sich gar keine Illusionen machen.

>Wirklich lösen kann man das Problem eh nur, indem man den Verkehr reduziert. Aber halt nicht durch Verbote, die eh wieder nur die Treffen, die es sich nicht leisten können,

Naja, ich als Fußgänger habe mit irgendwelchen Anti-Auto-Maßnahmen nüscht zu tun. Mir würde es nur Vorteile bringen.

Das ist es halt. Aber als jemand, der kein Auto hat, ist es genauso, wie wenn man keine Kinder hat: Meine Meinung zu dem Thema zählt nicht, weil ich "nicht mitreden darf". Egal, ob ich "dafür" oder "dagegen" bin, ich zahle keine KFZ-Steuer, bin nicht die Melkkuh der Nation, also hab ich schön die Fresse zu halten. "So einfach ist das!"

>nach den neuen Regeln zu spielen, sondern durch Alternativen. Wieso müssen Millionen von Bürokräften täglich Stundenlang pendeln? Die meisten können den Job ganz easy von Zuhause aus machen.

Jup. Gute alte preußische Anwesenheitspflicht. Was, wenn der Kaiser sich entschließen sollte, genau heute ins Büro zu kommen und all die leeren Schreibtische sieht? Schockschwerenot! Üff.

>Und wieso sieht es unsere Regierung als zumutbar an, wenn Leute täglich zwei oder mehr Stunden pendeln müssen?

Keine Ahnung. Als ALG2-Empfänger kann ich dir da coole Sachen erzählen. Je nachdem, wie sich die Raumfahrt entwickelt, dürfte irgendwann auch ein Arbeitsplatz im Erdorbit für mich zumutbar sein, da ich die Strecke hin und zurück zur Maloche locker in einem Werktag unterbekomme.

>Letzteres muss man natürlich situationsbedingt klären, wer irgendwo in der Pampa wohnt muss halt auch etwas weg in Kauf nehmen. Aber einfach generell zu sagen "zwei Stunden anfahrt sind schon OK" geht halt nicht.

1000000000000% agree. Ich finde, mehr als 30 Minuten Pendelweg sind schon ätzend.

>Car-Sharing ist auch eine clevere Idee, ich liebe ja z.B. Car2Go, aber deren Verfügbarkeit ist halt noch stark verbesserungswürdig. Wenn so was staatlich gefördert würde (wird es vermutlich schon, aber halt noch nicht genug), wäre das eine fantastische Sache.

JAMANN!

>Der normale ÖPNV kann einfach nicht alles abdecken, was an Pendelei benötigt wird und Car-Sharing wäre da eine prima Ergänzung. Muss es halt erst mal genug davon geben. Was ich auch noch gut finde, aber noch nicht nutze, sind die Bahn-Räder. Gerade hier in der Innenstadt ist das glaube ich schon cool.

In Berlin ist das Rad für mich keine Option, zu schnell geklaut und zu schnell Matsche an irgendwelchen Fahrzeugen mit Knautschzone.
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