Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 16.04.2017 19:00 Uhr
Thema: Dave Chapelle vs. Da Homos Antwort auf: Stream of Conciousness von Icheherntion
Wäre wohl ein besserer Titel für sein Netflix-Comeback-Special gewesen. Huiuiuiuiui. 30% musste ich sehr lachen, 70% kam ich mir echt unangenehm und beklommen vor. Chapelle ist halt auch älter geworden (Sieht mittlerweile uncanny wie Doakes aus Dexter aus, nur ohne Schnauz) und hat echt so... Afro-Amerikanische Altherren-Schrullen. Also spezifisch Afro-Amerikanisch. Bspw. so "Homos muss ich nicht ernstnehmen", um dann ein großes Faß aufzumachen: Die Gays sollen sich mal nicht so anstellen, weil die Schwarzen es schon viel länger viel doller abkriegen. Nunja... Was soll man da sagen? Sein Kernargument ist an sich richtig: Historisch erlittenes Leid ist kein Wettbewerb.

Darin schwingt die tief sitzende Entäuschung vieler Schwarzer mit, dass sich im letzten Präsidentschaftswahlkampf zu sehr auf die Rechte von Transgender-Menschen und welche Klos sie benutzen dürfen konzentriert wurde statt auf die jahrzehntealte, systemische Vernachlässigung von Schwarzen; das Überhandnehmen von Identity Politics gegenüber alten Bürgerrechte-Kernthemen, die heute mehr denn je im Mittelpunkt stehen sollten. Da gehe ich mit! Aber Chapelle macht genau dasselbe.

Er kann sich jederzeit leicht damit rausreden, dass er nur ein Komiker ist, aber dafür sind exakt diese Punkte in seinem Programm komplett ohne jeglichen humoristischen oder sonstwie unernsten Unterton. Er verteidigt Manny Paquaios homophobe Äußerungen mit der Abwesenheit von Frauen in der phillipinischen Gesellschaft, weil die alle in den V.A.E. als Sklaven schuften müssen (Was stimmt!). Was das eine jetzt mit dem anderen zu tun hat? Keine Ahnung. Dass sich eine geprügelte Gesellschaft immer irgendwelche Schwachen als Schuldige sucht? Es irritiert, dass Chapelle bei diesem sehr brisanten Focus nicht sieht, dass kollektives Leid nicht nur kein Wettpissen ist, sondern auch kein "faires" Rennen mit der Zeit: Bürgerrechte kommen und sind dann einfach da, beziehungsweise das Bedürfnis nach ihnen. Es folgt keiner Ordnung und nimmt auch nicht Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer (Das taten Bürgerrechte nie, das liegt in der Natur ihrer politischen Praxis).

Und da macht es sich Chapelle zu offensichtlich zu bequem, sich einfach auf die alte 90er-Jahre-Real-Rap-Homophobie zurückzulehnen, auf die Weisheit der Cornerstores. Chapelle hatte schon immer eine gewisse Fixation auf ältere Schwarze gehabt (Man erinnert sich an den sekundenkurzen Vorspann der Chapelle Show), aber er übernimmt deren brüchige, antiquierten Argumentationsketten quasi "wholesale". Und das nicht immer mit seinem mittlerweile wie ein nervöser Tick wirkendem Schenkelklopfen und abwinken.

Allgemein wirkte Chapelle teilweise sehr "on edge". Bei der ersten Vorführung reibt er sich ständig über den Bauch, total strange. Ein allgemein sehr weirder Abend (Also beide Specials, insgesamt recht genau zwei Stunden Standup), der leider mehr an Gallagher und Tim Allen erinnerte als an den Dave Chapelle von "Killing them softly", einem der besten Standup-Programme die je gemacht wurden und ein ziemlich sicheres Mittel, mir ein Hirnödem durch Lachen zu bescheren.

Am besten kommt er eigentlich immer, wenn er sich an "safen" Themen wie O.J., Weed oder Family abarbeitet, und das macht ihn halt eher zu nem nur leicht edgieren Russel Peters, ehrlich gesagt. Wobei diese alte Meisterkunst, das Schlimmste mit dem Besten zu verbinden, gerade bei seinen O.J.-Anekdoten, die er strukturell hervorragend einbaut, echt noch durchscheint. Aber es ist echt wie mit nem alten Kumpel, der irgendwie seltsam geworden ist, einfach durchs Leben. Bin trotzdem dankbar, weil's halt merkbar in seinen Möglichkeiten der Versuch war, die Erfahrung seiner "human condition" zu teilen und dabei so offen zu sein, wie ihm das komfortabel erscheint, aber man sieht da auch manches an Häßlichkeit. Trotzdem Respekt, dass er wahrscheinlich einfach aus "Kein Bock" das ganze nicht irgendwie weird zu überspielen versucht. Wenigstens ist er ehrlich...?
< Auf diese Nachricht antworten >