Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 13.02.2017 14:00 Uhr
Thema: Re:Übermedien vs Regenbogenpresse vs Helene Fischer Antwort auf: Übermedien vs Regenbogenpresse vs Helene Fischer von membran
>Es stellt sich schon irgendwo die Frage, wie ein solcher "Journalismus" sich so lange halten kann, ohne in den Ruin geklagt zu werden. Stattdessen gibt es anscheinend hunderte dieser Klopapiermagazine, wöchentlicher Turnus, alle unter einem Euro, teilweise 10+ deckungsgleiche Blätter von ein und demselben Verlag.
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>Wer, zum Teufel, kauft diesen Schund?


Omas aus der SBZ. Schon vor Ewigkeiten mal einen Artikel gelesen, dass "Service-Publikationen" in der ehemaligen DDR gut ankommen (Insbesondere Fernsehzeitschriften), weil sie dem Kioskangebot vor der Wende recht gut entsprachen. Also seichte Kost, Kochrezepte, Promiklatsch und das wöchentliche Radioprogramm. Je mehr bunte Mischung (Rätsel, Stricken usw.) desto besser. Gegendarstellungen werden in Kauf genommen, weil selbst Günther Jauch und Schumi mit ihren Anwalts-Armeen der Lage nicht mehr Herr werden können, wenn 30 "Neue Freizeit"-esque Publikationen aus allen Rohren Falschmeldungen feuern. Das wird dann eher für die kostspielig, als für die Zeitschriften, deren Gegendarstellungen von der Leserschaft ohnehin geistig rausgefiltert werden wie Banner-Ads bei Internetnutzern. Bzw. die Leserschaft ohnehin nicht den Anspruch stellt, möglichst wahrheitsgetreu Bericht erstattet zu kriegen, sondern unterhalten zu werden. Also bedient man die ohnehin existierende Vorstellung eines kleinen Kosmos aus Fernsehfreunden (Merkel, Jogi Löw, Schumi, Helene Fischer etc.), der verdächtig deckungsgleich ist mit dem Personal über dass sich Dittsche immer auslässt, und macht so nen naisen Euro. Die Zeitschriften sind zudem eh kackbillig (keine von denen hat die Eier, mehr als 1,99 Euro zu verlangen), was ja bei Rentnern eh immer gut ist, denn deren einzige Leidenschaft ist das Sparen.

Das ist jetzt kein Stealth-Ossi-Diss. Die Zeitschriften würden auch existieren, wenn sie nur die alten Bundesländer als Markt hätten. Aber nicht in dieser Dominanz und dieser "Vielfalt". Spiegel, Zeit, Focus, Stern & Co (Weißgott nicht die Speerspitze bundesrepublikanischer Denkkultur...) laufen dagegen in den neuen Ländern megamies. Man kann, auch ohne das statistisch belegt zu wissen, guten Gewissens davon ausgehen, dass die Kundschaft sehr betagt ist, also die Vermutung plausibel ist, dass man da wirklich ein kleines Stück übersichtliche Welt haben will, die so unterkomplex ist, wie man sich das vorstellt. Ich bin gerade darüber am Grübeln, wie sich Kleinbürgertum in den neuen von dem in den alten Bundesländern unterscheidet, und eigentlich führt das hier zu weit, aber abgesehen dass es in beiden Teilen des Landes grundsätzlich sehr trist ist, hat man im Westen einfach mehr Heterogenität, weil in der DDR Intellektualismus systematisch verdrängt und marginalisiert wurde (Jetzt mal sehr offen formuliert). Man war sehr glücklich damit, mehrheitlich Arbeiter in der Bevölkerung zu haben und nur gesinnungsgeprüfte Zeitgenossen eine akademische Karriere zu ermöglichen. Sage ich jetzt als Wessi-Kind, dessen Eltern in ihren jeweiligen Familien die ersten waren, die studierten. Meine Oma väterlicherseits liest diese Heftchen seit ich denken kann, und schon als siebenjähriger fand ich deren Inhalt zum schießen komisch und völlig transparent als Fiktion erkennbar.

Das ist halt jetzt einfach so. In zwanzig, dreißig Jahren, wenn die Jahrgänge, die einige Zeit nach der Wende zur Schule gingen, den gesellschaftlichen Mainstream abbilden, wird sich das hoffentlich normalisiert haben - falls die Orange nicht doch aus versehen an den Atombombenknopf drankommt und uns alle toastet.
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