a gentle breeze  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 20.01.2017 16:57 Uhr
Thema: Lunchbox & Passengers (Spoiler) Antwort auf: Stream of Conciousness von Icheherntion

The Lunchbox von 2013 ist eine indische Romanze, bzw. ein Drama über eine Frühstücksdose, die zufällig den falschen Adressaten erreicht. Eine junge Hausfrau entdeckt zufällig, dass ihr Mann, der sie zunehmend vernachlässigt, ihr für das falsche Frühstück dankt. Dieses nimmt er nicht selbst mit, sondern erhält es über eine Art Transportunternehmen, das auf seine Zuverlässigkeit sehr stolz ist. Neugierig fügt sie beim nächsten Ma(h)l eine Botschaft hinzu und so entwickelt sich allmählich ein Briefwechsel mit dem scheuen unbekannten Esser, der sich, wer hätte es gedacht, als weltabgewandt und alleinstehend entpuppt.

Lunchbox ist ein wundervoller Film, den man mögen muss. Die Idee des "unsichtbaren Tantchens" fand ich großartig und ich genoss die ruhige Performance der Schauspieler in diesem authentisch wirkendem Setting. Man kommt den Straßen Indiens hier sehr nahe und erhält einen Eindruck vom dortigen Straßenleben.

Der langsame Gang des Films zerrt allerdings ein wenig an den Nerven des Zuschauers. Ich mag gemächliche, ruhige Filme, aber dieser fühlt sich an wie eine Kurzgeschichte, die auf 1:40 Stunden aufgeblasen wurde. Die schöne, aber simple Geschichte konnte meine Aufmerksamkeit nicht die ganze Zeit fesseln, auch wenn ich zugebe, dass das Schritttempo hervorragend zum Thema des Films passt, dessen Figuren noch nicht im "Email-Zeitalter" angekommen sind. Meiner Meinung nach könnte man hier problemlos 15 Minuten rauskürzen. Sicherlich war ich aber einfach nicht in der richtigen Stimmung. Wer also etwas mehr Geduld aufbringt, wird reichlich belohnt werden.


Seit Moon hoffe ich bei jedem neuen stilleren Science Fiction auf ein Kleinod, das ich verpassen könnte. So auch bei Passengers, dessen Poster sein Genre nicht preisgibt. Ich frage mich, wie viele Sci-Fi Fans von der Erwartung einer Romanze und wie viele Pärchen von dem Label "Science-Fiction" abgeschreckt wurden. Der Streifen ist durchweg unspektakulär, was bei dem Aufwand und Budget schon eine Leistung für sich ist. Die Schauspieler verrichten ihr Handwerk ganz zufriedenstellend, wobei ich den Eindruck hatte, dass der männliche "Held" etwas nuancierter hätte sein können, aber diese Figur war auch im Film ein Tölpel, also hat's wahrscheinlich gepasst. Lawrence dagegen überzeugt, aber ihr banaler Text erforderte sicherlich keine Höchstleistungen.

Keine Szene sticht hier heraus und alle Dialoge sind schrecklich dröge. Als der Barkeeper-Android eingeführt wird, der seine Tipps für alle Lebenslagen zum Besten gibt, war ich mir nicht sicher, ob das ein Scherz für das Publikum war, oder purer Ernst. Das Ende bringt den Film schließlich dahin zurück, wo er begonnen hatte: einer egoistischen Männerphantasie. Das moralische Dilemma ist keines mehr, wenn es durch das Opfer aufgelöst wird, das sich freiwillig für die lebenslange Isolation entscheidet, weil die Dame ohne ihren Kidnapper "nicht mehr leben" kann. So sind sie halt die Weiber, lass' sie meckern, irgendwann fügen sie sich schon in ihr Schicksal. So weit so menschenverachtend. Der Herr ist fein raus und wir denken lieber nicht zu intensiv über den Schluss nach.

Das Ganze wirkt nicht nur latent frauenfeindlich, oder zumindest unmodern, ist dabei aber so oberflächlich und trivial, dass ich mich lediglich zu einem Schulterzucken und Augenrollen aufraffen konnte. Das hätte ein Hobbyprojekt sein sollen, oder der Einstiegsfilm eines ambitionierten Machers, aber keine teure Produktion (und doch ist es so). Am Ende war er nicht mal richtig schlecht, nur ein wenig enttäuschend. Die Ausstattung war aber wie gesagt gut.

Edit: Mal einen Spoiler-Hinweis gesetzt.

***Diese Nachricht wurde von Sascha am 20.01.2017 18:33 bearbeitet.***
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