Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 10.11.2016 06:58 Uhr
Thema: The Young Pope - Immer Ärger mit Hochwürden Antwort auf: Stream of Conciousness von Icheherntion
Wow, was für eine Serie. Vielleicht deprimiert mich die Form mittlerweile auch so, weil ich mir nur noch zielsicher die Scheiße aus dem Haufen aus Gold rauszupicken scheine (The Leftoverse), der die heutige Post-Peak-TV-Landschaft ja anscheinend ist (Rape, Zombos, irgendwelche Marvel-Wichser).

Ich hab zuerst gedacht, dass wird so saftiges Tittentainment a la Borgias/Tudors mit alten Säcken, die in sackähnlichem Purpurgewand in Gärten herumscharwenzeln und schurkisch grienen, während sie ihre Machtspielchen spielen, aber The Young Pope ist, WARUM AUCH IMMER, extrem arm an Titten und Gewalt.

Stattdessen wird, WARUM AUCH IMMER (Wahrscheinlich, um ernsthaft attraktiv auf gläubige Katholiken zu wirken), der Skandalgehalt des Stoffes durch einen komplett straight (plusminus Jude Laws teils wirklich sehr peinvolles Overacting) internen Glaubenskonflikt des Papstes herausgearbeitet. Mit den Mitteln italienischer TV-Autoren.

Die Show sieht alternierend aus wie "Donna Leon - Einsatz in Manhattan" und dieser Pissscheiße mit Fritz Wepper as himself und Jutta Speichel als Nonne (Sonnengebadete Katholiken in Ordinatskleidung vor wallenden Balkontürvorhängen, die knapp jenseits der Bluescreen-Skyline von fetten Lampen gebraten werden), und wie fucking Season 3 Hannibal. James Cromwell ("Why, I live here now!", SFU-Gucker erinnern sich) spielt auch mit, sowie Diane Keaton als Jutta Speichel. Der Papst selber wird von Jude Law gegeben, der in einigen Szenen in der ersten Folge seine Mundwinkel derart theatralisch verzerrt, dass ich dachte, gleich ploppt ihm der Unterkiefer aus dem Gelenk. Irgendwie ist er durch RÄNKESPIELE in der Konklave zum Papst gewählt worden, aber er weiß nicht ob er so richtig an Gott glaubt und ist ziemlich sicher mindestens auf dem autistischen Spektrum. Er möchte gerne, dass man ihn möglichst nicht filmt und hat auch keinen Bock auf öffentliche Auftritte, weil er möchte, dass der Vatikan wieder seinen Mystery-Faktor zurückgewinnt. Srsly.

Das Ziel ist natürlich, den Papst als Wildcard zu positionieren, ohne ihn die ganze Zeit rumvögeln und Frank-Underwood-mäßig irgendwelche jungen Dinger vor die Ubahn schubsen zu lassen. Wie auch ansonsten diese Serie über einen 42jährigen Papst, der Kette raucht und wirkt wie eine Mischung aus Patrick Bateman, Kylo Ren und Meister Eckhardt (Google it, you cocksucking, dirt-worshipping heathens!!1) erstaunlich respektvoll zumindest im Versuch mit dem Umgang mit Glaubensinhalten zu wirken. Wie gesagt, italienische Fernsehautoren. Subtilität darf man da nicht erwarten. Die Dialoge sind klassische purple prose ("I hate the smell here. It smells like incense and death. I like the smell of shit and life!") die mich in jeder folge mindestens fünf mal zu Kopfschütteln und Augenrollen zwang, und hat ab und zu so "Eingebungen", um Sachen so zu filmen, dass sie wie Traumsequenzen wirken. Generell, diese Moodboard-Szenen, wo man ewig lang nur irgendwelche langen Einstellungen auf atmosphärische Motive sieht und alles so KUUUUUUUUNST ist, aber erkennbar ohne sich aufdrängenden Impetus umgesetzt wurde ausser vage Moodteppiche auszubreiten, zum Selbstzweck. Öde as shit.

Natürlich gibt es auch so Ränkespiele, aber who gives a fuck. Es ist die katholische Kirche. Die laut der serie eh nur von 4-6 hutzelopas geschmissen wird, welche alle so aussehen wie verschiedene Variationen von Marty Feldman's Igor aus "Frankenstein Junior". Zwar tun die alle so, als wäre das Amt des Papstes quasi eine Mischung aus US-Präsident, Heeresführung West und dem Weihnachtsmann, aber wen wollen die verarschen. Selbst gläubige Katholiken geben ausserhalb Italiens, mit Ausnahme vielleicht Polens und der dritten Welt, keine zwei Ficks auf den Papst. Ob er sich jetzt in seinem Schneckenhaus verkriecht oder pro Jahr fünf Weltjugendtage in einer nicht enden wollenden Tournee abgrast ("Mehrzweckhalle Dessau 21.-25.2.2017") ist am Ende egal, da lässt sich keiner vom nicht-reproduktionsintendierten GV oder dem freitäglichen Schweinebratengenuss abhalten. Aber in "The Young Pope" ist der Vatikan so mächtig/wichtig wie bei Dan Brown, nur ohne den debilen Indiana-Jones-Quatsch, dafür aber mit genauso viel redundantem Lall darüber, obs Gott gibt und wo sein Haus steht (srsly...) als wäre der Papst da so reingerutscht wie King Ralph auf den britischen Königsthron. Also schon sehr kindlich-naiv gezeichnet und gebaut.

Ich weiß nicht, für wen die Show gedacht ist. Leute, denen Glaubenskonflikte so viel Freude machen? Die meisten Dialoge und Szenen sind so borderline nonsensical wie die Verfilmung von Dune oder so redundant und dumpf-selbsterklärend ("Ich fühle mich gerade soundso, weil diesunddas passiert ist! Das jetzt anders darzustellen als mich das in einem Dialog expressis verbis erklären zu lassen wäre zu aufwändig/teuer/anstrengend/erzählzeitintensiv!") wie bei Fritz Wepper und seiner Nonnenbande.

Man muss aber sagen, dass Jude Law sich teilweise in so derartig DRAMABABY-mäßige Posen schmeißt, dass man meinen könnte, er hätte seine Darstellung in erster Linie an Madonnas Videooutput Anfang der 90er orientiert. Ständig musste ich an "Vogue!" denken ("Let your body groove to the music!"), wenn er mal wieder "blue steel" und "Magnum" variierte und dabei seinen Badass Papsthut (Das Modell, dass so aussieht wie ein Helm aus Dark Souls) zurechtrückt. Aber daraus wird auch nix gemacht, am Ende ist der Papst gar nicht gay, sondern einfach nur sehr vage definiert emotionslos weil MYSTERY. Was halt bei einer Serie über den Papst... nunja.

Aber wenn Donald Trump Präsident werden kann, kann Jude Law sicherlich auch Papst machen. Alles ist möglich in dieser neuen Welt voller Ungewissheiten!

PS: Der Papst hat ab der zweiten Folge in seinem Garten ein freilaufendes, muskulöses Känguruh umherlaufen. I shit you not. Ständig warte ich darauf, dass irgendwer, während er im Vatikan...garten sitzt, von diesem Känguruh ermordet und zerfetzt wird. Dabei ist das nur der Versuch der serie, quirkiness und magischen Realismus reinzustreuen, weil's halt sonst echt scheißlangweilig ist, es sei denn, man mochte an ASOIAF am liebsten die ganzen Strecken wo Jamie Lannister auf diplomatischer Mission in Riverrun unterwegs ist und monatelang erstmal einfach gar nix passiert ausser überflüssigem Gesülze und Stalling.
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