Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 24.09.2016 14:21 Uhr
Thema: The Big Short Antwort auf: Stream of Conciousness von Icheherntion
Sehr ambitioniert, ein nonfiction Buch zu verfilmen - als Spielfilm, und nicht als Doku. Es ist quasi ein "historical reenactment" über ca. fünf voneinander unabhängige Figuren, die einzeln für sich die Subprime-Krise von 2008 am Horizont kommen sehen und entsprechend handeln. Steve Carrell und vor allem Christian Bale spielen sehr gut bis hervorragend, einzig das gewagte Format gereicht dem Film zum Nachteil. Im Podcast-Thread betone ich ja, wie interessant ich journalistische Formen mit prosaischen Einflüssen finde, hier haben wir es mit einem Fall zu tun, wo es eher mißlingt. Das liegt an der Menge an Informationen, die in einem Sachbuch natürlich in jedem Tempo sich zugeführt werden kann wie einem der Kopf steht. Im Film ist es so, dass die Macher sehr wohl wussten, dass sie quasi endlose Infodumps auf die Zuschauer abladen müssen, damit alles irgendwie sinn ergibt, und dass sie nur ca. 2 Stunden Zeit haben. Also wird die richtig abgeschätzte Überforderung des Zuschauers in die Tonalität dieser Infodumps mit eingearbeitet, und da weiß ich nicht, wie clever es ist, dem Zuschauer da mit knallharter Arroganz zu begegnen ("Ich erklär ihnen das kurz, aber sie sind eh zu doof, um das zu verstehen!").

Ich hab selten einen Film erlebt, der mit so lustvoller Verachtung für das eigene Publikum begonnen hat. Die ersten 15-45 Minuten antagonisiert der Film sein eigenes Publikum, hossa. Natürlich augenzwinkernd, aber dass muss man als Mitglied des Publikums dem Film keinesfalls zugute halten.  Gewagter Move, geht aber eher nach hinten los - ich komm damit klar, aber es gibt sicher sehr viele Zuschauer, die nicht einordnen können, ob sich da die Filmemacher oder die Figuren über einen lustig machen, und was von beiden jetzt objektiv besser sein sollte. Nicht, dass die Frage sonderlich schwer zu beantworten wäre; der Film ist ganz klar eine Farce, bis hin zu Family-Guy-Cutaway-Gags, wo Prominente sich selbst spielen und kleine Infodumps in Einspielern absondern (Selena Gomez und ein Wirtschaftsexperte erklären Credit Default Swaps mithilfe eines kleinen "Comedy"-Einschubs etc.).

McKay, der für die Adaption des Buchs eine Oscar-Nominierung einheimste (Ob verdient oder unverdient kann und will ich dabei nicht einschätzen, genausowenig wie strenggenommen die AMPAS), schiebt auch total deepe Zitate in Texttafelform zwischen die Aktwechsel, von denen mal voll nachdenklisch wird. Muricuh halt.

Umso seltsamer also, dass der Film einerseits bescheid weiß um die tatsache, dass große Teile des Publikums das schwer verständliche Thema ähnlich grob umrissen kapiert haben, wie es die Erklärungen des Films betont nur grob umreißen, und die Leute die nix gerafft haben auch durch die Erklärungen des Films nichts raffen werden - aber sicherlich großer Wert drauf gelegt wurde, dass entsprechende Erklärungen im Film vorhanden sind, um überhaupt Kontext für deren Handlungen zu haben. Denn über die Protagonisten als Privatmänner (Sorry, keine Girls allowed!) erfährt man nahezu nichts. Brad Pitt bleibt blass und hätte ruhig durch einen klassischen Charakterdarsteller ersetzt werden können, aber er will natürlich auch in seinen prestige Filmen mitspielen und bringt evtl. sogar noch Geld mit, also was solls.

Kann man machen, muss man aber nicht.
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