Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 12.08.2016 08:42 Uhr
Thema: For redundancies sake: Clubmaster revisited! Antwort auf: Netflix vs. Amazon Prime Vide: Stranger Things & Mr. Rob von Felix Deutschland
So, Serie zuende geguckt, und Clubmaster sollte schon nochmal ne Chance haben, sich dazu zu äußern! Bzw. ich mich zu dem nochmal äußern, was Clubmaster geschrieben hat. Auch, wenn er davon nichts mitbekommt, wie ich mich mit ihm streite, bzw. einer aus alten Haaren, Butterschmalz und löchrigen T-Shirts geformten lebensechten Clubmaster-Puppe, die ich in meinem Verlies gebastelt habe.

Here we go!

>Im Ernst: Das ist die Stephen King Verfilmung, die ich immer wollte aber nie bekommen habe. Die Kinder sind fantastisch besetzt und erinnern mich in ihrer Dynamik an die besten Kinderprotagonisten von King ("Es", "Stand by me" usw.), ein Element, dass mich selbst als Kind/Jugendlicher an den King-Büchern am meisten gefesselt hat. Wer meint, so würden sich Kinder nicht unterhalten, hat entweder ein schlechtes Gedächtnis oder war selbst ein dämliches Kind, was natürlich nichts seltenes ist. Bitte zur Erinnerung: Das ist eine Gruppe Außenseiter und Nerdkinder, die Bestnoten haben und Wissenschaftspreise an ihrer Schule gewinnen, warum sollten die nicht intelligenter sein als üblich und sich entsprechend unterhalten? Nicht vergessen, das spielt in den achtigern, die sind mit Büchern und Kino aufgewachsen, nicht mit 9GAG, Smartphone und 4Chan.

Dem stimme ich vollumfänglich zu, auch, weil der Dialog bzw. der Umgang untereinander noch komplexer wird, auch dank der unfassbar guten Kinderdarsteller. Auf den Liebes-Schmonz hätte ich gut verzichten können, aber an dem Handlungsstrang der Kinder sieht man vielleicht am Besten, was die Serie so gut macht, dass sie mich nach der achten Folge doch für mich gewonnen hatte: Die ist einfach scheißsolide geplottet. Jede Figur hat eine Funktion, ein Ziel und ein Hindernis, dass sie überwinden muss. Und oft genug sind diese Hindernisse widerum andere Figuren und deren Ziele. Das ist alles geschickt und sinnstiftend miteinander verkreuzt, und es gibt so gut wie keinen Leerlauf; kein Wassertreten. Der Moment, wo alle wichtigen Figuren zusammenkommen und ENDLICH Informationen austauschen, wäre in jeder anderen Network-Serie in Folge 21 oder 22 gekommen, fünf Minuten vor Ende der Staffel. Bis dahin hätte die Serie, weil sie endlos viel Zeit hätte schinden müssen, zurecht 90% der Zuschauer verloren. Dadurch, dass alles so kompakt ist und nicht fünf Monate lang einmal die Woche eine Stunde lang Zuschauer FESSELN muss, damit sie sich Reklame angucken, kann eine imo (!) unspektakuläre und nicht sonderlich interessante prämisse knackig und befriedigend gepaced, und trotzdem abgeschlossen erzählt sein.

Der 80er-Kitsch mag nerven (Ich konnte ihn irgendwann gut ausblenden), die einzelnen Elemente derivativ und uninteressant sein (Das "upside down" ist einfach nur eine nicht weiter definierte Dunkelwelt wie in Videospiel XY; das Monster ist halt einfach ein x-beliebiges superkrasses CGI-Monster das wo superkrass am sein ist; die Regierung ist bösi-böse; parents just don't understand etc. etc.), aber schlicht durch sauberes, klares Handwerk wird das ganze zu einer unterhaltsamen Sommergeschichte, die für mich gar nicht "BEST EV0R" sein muss. Im Network-Fernsehen der USA gibt es die "Sommerserien" (Mid-Season Shows), die in der Off-Season laufen wenn die "großen" Shows pausieren. Das waren oft Mystery-Shows mit so einer "spielbergian bend"; oft Abenteuershows mit Familien im Zentrum. Die Shows waren selten überragend, sollten es aber nicht sein, sondern leichte Unterhaltung während der warmen sommertage. So fühlt sich "Stranger Things" an, nur halt in weniger beschissen (Diese Shows waren fast immer grausame Scheiße). Beziehungsweise in Gut.

Es gibt, dadurch, dass auf Networks nur noch Gülle und superhelden laufen, einfach keine im guten Sinne "durchschnittliche" Serien. Es gibt nicht mehr diese "Brot-und-Butter"-Shows, die man einfach einschalten kann und verlässlich unterhalten wird. Diese Sendungen sind mittlerweile entweder entsetzliche Wichse (Ich hab vor zwei Tagen mal in "Lucifer" reingeguckt und keine fünf Minuten von diesem Spinoff von 30 Rocks "God Cop" ausgehalten...) oder handeln von Superhelden, oder beides. Interessiert mich nicht. Es gibt nur noch Sondermüll oder Diamanten in diesem Meer aus Scheiße, so wie "Fargo" oder "Hannibal". Und auch das nur ein paar Wochen im Jahr. Den Rest der Zeit muss man Comedies gucken, wenn man nicht komplett anspruchsbefreit oder Comicnerd ist.

>Der Film nimmt seinen Kinder-Protagonisten Ernst, weswegen diese auch echte Entwicklungen durchmachen: der Schwarze hat die meisten Vorurteile, der vermeintliche Dämlack entpuppt sich als eigentlicher Anführer und Vordenker, das ist doch alles fantastisch. Solch komplexe und glaubwürdige Kindercharaktere habe ich ewig nicht mehr gesehen und ich hasse normalwerweise Kinder als Hauptcharaktere.

Naja, "komplex". Komplex genug vielleicht. Die Eltern vom Schwarzen und vom Hasenscharten-Bro hätte man ruhig auch mal zeigen können, und mehr als Stichwortgeber bzw. Verzögerer sind sie schlußendlich nicht (Dieser ganze Konflikt zwischen Will und dem Schwarzen - das keiner von uns sich dessen Charakternamen gemerkt hat, genauso wie beim "Dämlack" sagt eigentlich schon alles - war irgendwie redundant; was für mich funktionierte war wie der Schwarze sich dann mit eleven vertragen hat, das fühlte sich trotz aller vorhersebarkeit und abgedroschenheit "earned" an, weil der Schwarze seine Angepisstheit auch gut spielte). Winona Ryders Figur macht bspw. auch keine Veränderung durch, es verändert sich lediglich unser Verhältnis als Zuschauer zu ihr: Sie ist ja nie verrückt. Die größten Veränderungen machen Will, der Sherriff und Eleven mit - und zwei dieser Veränderungen werden nicht auserzählt, und eine davon wieder auf Null gesetzt. Es ist ja am Ende alles "wie vorher" (Sorry, SPOILER!!1), was ich schön und gut finde, aber natürlich der Integrität jeglichem Character Developments entgegenläuft. Ich hab mit Alex am Ende der letzten Folge gescherzt, wie sie beim D&D-Zocken so erzählen "Wisst ihr noch, vor einem Monat, als wir diesem Mädchen dabei zugeguckt haben, wie sie 20 Elitesoldaten das Gehirn in deren Schädeln detonierte? Das war überhaupt nicht traumatsierend!" "Nee! War voll geil!" "Hahahahahaha!" Fucking spielbergian movie-movie-world. Ich erwarte gar nicht, dass die alle total shellshocked und traumatisiert sind, aber es fühlte sich klar so an, als wären alle figuren geblitzdingst worden und die gesamte Serie nie wirklich passiert. Bis auf ein paar ominöse Hints.

Und vor dem Hintergrund ist es argumentativ sehr schwierig, überhaupt von Figurenentwicklung zu reden, da man diese doch auch schon wahrnehmen sollte, insbesondere nach Zeitsprüngen.

>Einzige Enttäuschung: Wynona Ryder. Die hat offenbar in der Zwischenzeit ihren Beruf verlernt, was für eine schlechte Vorstellung, Overacting galore. Alle anderen sind fantastisch.

Das Overacting von ihr war total sinnvoll. Mal ehrlich, jedem ist klar, wie ihre Story verlaufen wird. Am Anfang glaubt ihr keiner, aber sie hat natürlich am Ende mit allem recht und ist die einzige, die's klar durchblickt, wegen der unüberwindbaren Liebe zu ihrem Sohn (*zuSpielbergrüberwink*). Been there, done that. Wie macht man das visuell spannend? Exakt. Theatralik. Drama, Baby! Und Ryder legt sich absolut hinein in die Hysterie der Figur, die sie spielt.
Sie hat eigentlich nur eine Möglichkeit, die Figur spannend und interessant zu halten: Indem sie sie zuerst derart schrill spielt, dass wir sie sie als Zuschauer auch schwer erträglich und nervtötend hysterisch empfinden, und somit nachher, wenn sich der Wind für sie dreht, selber so einen Moment zu haben a la "Moment! Sie hat ja doch die ganze Zeit recht! Helft ihr doch!!1" obwohl, wie erwähnt, alle eigentlich die ganze Zeit wissen, wie ihr Figurenbogen ablaufen wird.

Das ist keine kleine Leistung, sondern eine Schauspielerin, die eine sehr schwere Aufgabe imho mit Bravour bewältigt: Eine langweilige, archetypische Genre-Standardfigur interessant und in gewisser Weise mitreißend zu spielen. Hätte sie die Mutter bspw. symphatischer gespielt, indem sie die Spitzen rausgenommen hätte, hätte der Charakter für die Geschichte bei weitem nicht so gut funktioniert.

Ich bin auch so genervt von Overacting wie jeder andere auch (Vor allem in einer Show, in der gerade die Bösewichte herrlich understatete performances liefern, obwohl die Darsteller so auffällig und markant aussehen wie fleischgewordene Comicfiguren, interessantes Missverhältnis), aber es kann durchaus seinen Sinn und Zweck haben. In Mr. Robot overacted Rami Malek teilweise in einer Art, die ich ziemlich fremdschämig finde, aber auch da passiert es, weil der Darsteller die Verantwortung trägt, bestimmte Dinge, die man nicht über expositionellen Dialog äußern möchte, durch Schauspiel zu visualisieren. Das klappt mal mehr, mal weniger gut, weil es eben eine Art Drahtseilakt ist, bei dem man das Seil nicht sieht (Auch nicht der Zirkusartist), aber das Risiko gehen alle darstellenden Künstler ein. Die Fallhöhe steigt halt zeitgleich mit der Größe des Wagnisses.

>Also, wer ein bisschen eine Schwäche hat für das amerikanische coming-of-age Kino der Achtziger, Stephen King usw. sollte unbedingt reinschauen. Die Kriitk hier ist einfach haarsträubend daneben.

Ja, du redest ja auch mit Deppen! Ich hingegen bin sehr kluk!

***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 12.08.2016 08:43 bearbeitet.***
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