Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 20.07.2016 20:35 Uhr
Thema: Netflix vs. Amazon Prime Vide: Stranger Things & Mr. Rob Antwort auf: Stream of Conciousness von Icheherntion
Mr. Rob.

"Stranger Things" ist eine sichtbar durch Datamining der eigenen Userschaft geformte Mysteryserie, die quasi wie eine Checkliste alle Sweetspots ihrer Userschaft abgearbeitet hat. "Super8 und Goonies werden am meisten geguckt von der umsatzstärksten Userschaft? 80s in your face it is!" Wer daran zweifelt, dass es exakt so abläuft, den verweise ich an den Produktionsdeal mit Adam Sandler.

Jedenfalls, im Gegensatz zu Sandler-Produktionen ist "Stranger Things" keine unzumutbare Kacke, es ist schlicht hochwertig produzierter Durchschnitt, dessen Horror-Anteil nicht gruselig und Mystery-Part nicht mysteriös ist. Man unterliegt den sehr vorhersehbaren, auch mit vom Genre bedingten Rhytmen steigender und fallender Handlung. Es werden gleich drei Hochzeiten bespielt: 80er-Jahre-Kinder-Abenteuer a la Spielberg, das dramatische Verschwinden eines Kindes, und die Problemchen einer Stephen-Kingesken gesichtslosen militärischen Forschungsanstalt in den Bergen, aus denen ein Versuchskaninchen entfleucht. Routiniert und professionell werden die Stränge ineinander verwoben, dazu kommt ein Kostüm- und Setdesign, dass sogar "The Americans" leicht unterbudgetiert erscheinen lässt.

Ich finde es extrem langweilig und berechenbar, es werden genau die erwarteten Plot-Beats angeschlagen von denen man denkt dass sie kommen und sehr werkgetreu Spielberg nachgeäfft, mit den erzählerischen Mitteln von Fringe und so; eher mittelguten Shows die alle meinten sie müssten eine Rätseldramaturgie haben. Als Alex meinte, Leute im Internet würden das loben und mit Silent Hill (!) und Hellraiser (!!!!) vergleichen, war ich bestürzt darüber was Leute immer noch für Deppen sind, und ich dachte ich hätte da schon fast alles gesehen. Es ist nicht das Schlimmste der Welt oder so, weißgott nicht, es ist lediglich klebrige Soße um als Fliegenfänger die Mitt- bis Enddreißiger ranzukobern mit warmer, wohliger Nostalgie.

Das es tonal "all over the place" ist (Ist eine Kindesentführung jetzt ein niedlicher Spaß für drei aufgeweckte Jungs oder ein seelisch zerstörerisches Schicksal? Ist der Sherriff ein symphatischer Schluffi oder ein existentiell ausgehöhltes seelisches Wrack, um das wir uns sorgen machen müssen? Warum wirkt Winona Ryder als Mutter neben ihrem anderen Sohn wie die einzige in dem Kaff, die vom Verschwinden ihres kleinen Sohns gestresst ist? Warum hat der schwarze Junge (der der beste Kinderdarsteller ist btw.) und der Junge mit der Hasenscharte keine Familien? etc. etc., liest niemand & interessiert keinen) ist da auch schon wieder wurscht. Ich war wirklich nicht in der Lage, auch nur einen Scheiß auf das alles zu geben, und ich hab die zweite Folge auch noch geguckt um zu sehen ob da noch was kommt. Da Fernsehen nunmal so und nicht anders funktioniert und ich auch mit niemandem als mit Alex groß darüber reden kann, sehe ich da auch keine Verpflichtung, um da später groß drüber labern zu können, mir den rest widerwillig reinzuziehen, also lass ichs gleich.

Mr. Rob hingegen zeigt, wie es anders geht (Hoffe ich zumindest; auch erst zwei Folgen geguckt). Schon die erste Szene hat einen bei den Eiern, so wie es halt sein muss - der erste Schuss muss sitzen. Hab ich mich bei Stranger Things kaum auf das alles konzentrieren können, kriegt Rami Malek, der wirklich ein unfassbar guter Schauspieler ist (Wie ein drahtiger Michael Shannon), gleich einen saftigen Batzen von Szenenmonolog serviert, den er sich genüßlich und grazil schmecken lässt. Dieser Moment, wo ein Schauspieler ein räudiges Reinlaber-Publikum wie meine Holde und mich nur durch das pure Können seines Vortrags zum Schweigen bringt, ist immer ein guter Gratmesser für Qualität. Bei Mist-Fernsehen oder Mistfilmen kann ich die Fresse nicht halten und muss mich drüber aufregen, wenn es geil ist bin ich mucksmäuschenstill, wie ein Arschlochkind im Kasperltheater. Aber deswegen verderbe ich Leuten ihren Freizeitspaß auch nicht mit irgendwelchen Kinobesuchen meinerseits, zu Hause kann ich machen was ich will! So und nicht anders muss Unterhaltung schlußendlich ja bei so ziemlich jedem anderen auch bestehen, solange man nicht ein fast neurotisch respektvolles verhältnis zum medium hat und selbst Ilona Christen mit andächtigem stillschweigen verfolgen musste.

Jedenfalls auch nach zwei Minuten gemerkt, dass das schon sehr geil ist. Hab ich auch erwartet, es fühlt sich dadurch aber nicht weniger angenehm an. Malek trägt die Serie auch als Protagonist, der weder als sonderlich symphatisch, noch überhaupt als reliable narrator positioniert wird. Ich fänds schade, wenn das ganze auf einen Fight-Club-Twist hinausläuft und hoffe, dass ich mich da in meinem Eindruck täusche, aber die erzählerischen Ellipsen sind so konstruiert, dass der typ halt entweder nicht schläft oder wir nur die hälfte von dem mitbekommen, was er treibt. Noch dazu die ständigen inneren Monologe, in denen die Figur offen gegenüber sich selbst (Bzw. "?") mit ihrer schizophrenie umgeht, dass es gar nicht anders sein kann als dass am Ende der Kniff ist, dass wir einfach nur die Hälfte an Informationen bekommen haben. Ich finds bspw. irritierend, dass das Unternehmen ständig als "Evilcorp" bezeichnet wird, was irgendwie Banane ist und seltsam unter dem Niveau dass die Serie sonst selbst vorlegt, deswegen hoffe und fürchte ich zugleich, dass wir nur seine gefilterte Hirni-Welt sehen. Die stark unterschiedliche Art, wie die Figur in inneren Monologen und den tatsächlich diegetischen Dialogzeilen spricht usw. usf. Ich will die ganzen Zaunpfähle, mit denen mir gewunken wird, eigentlich gar nicht so klar sehen.

Davon ab ist das einzige, was mich nervt, das schmierige Overacting von Christian Slater, den ich persönlich als Darsteller für zu alt für diese Scheiße halte und dessen figur den nachteil hat, dass ich sie mit dem Zwischenboss aus der letzten Eventstaffel "24" assoziiere, was nicht so ideal ist. Die Super-Duper-Hacker-Boyz sind irgendwie dumm, aber ich hoffe, dass die Show da ein etwas elaborierteres Game spielt. Wenn nicht, dann hoffe ich zumindest, dass es so trippy bleibt. Der treibende Informationszeitalter-Internetrecherche-Montagebilder-Rhytmus, den bspw. Watch_dogs mit etabliert hat, wird hier inhaltlich endlich mal interessant unterfüttert, so dass man zwischen all dem technobabble-häckmäck auch was zu kauen hat; richtige Figuren bspw. oder die bullshitbefreite Darstellung psychologischer Krankheiten und sozialer Ängste/Defizite. Es orientiert sich sehr eng an der Figur und nicht an der Thematik, was widerum nur mit einem top notch schauspieler funktionieren kann, und den hat die Show. Dazu auch noch die Umsicht, die Nebenfiguren nicht zu Abziehbildern verkommen zu lassen, sondern denen auch mit ein paar behänden Pinselstrichen Persönlichkeit, Charakter und eine verortbare Postion im sozialen Gefühe zu verleihen. DAS ist widerum sehr gut und nicht nur Pandering für Nostalgiefreaks, sondern Fernsehen, welches sein Publikum ernst nimmt, über reine Reizbefriedigung hinaus.

***Diese Nachricht wurde von Felix Deutschland am 20.07.2016 20:39 bearbeitet.***
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