Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 16.07.2016 15:23 Uhr
Thema: Re:Aus, vorbei Antwort auf: Re:Aus, vorbei von ACG
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>>> Säuberung des Militärs im ganzen Land 12 Std. nach dem überraschenden
>>> Putsch. Ich frag mich, wann Erdogan in den Irak einmarschiert.
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>>Das kann ja eh nur ein übrig gebliebener Haufen gewesen sein, hat er
>>doch afair schon vor Jahren großflächig in den höheren Dienstgraden
>>aufgeräumt. Danach dann Presse, Polizei, Richter und Staatsanwaltschaft.
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>Ich weiß nicht. Die ganze Sache ist extrem komisch und es profitiert nur einer davon. Würde mich nicht wundern wenn das alles gar nicht so überraschend war.


Jo. Türkische Politik, man hat halt einen gewissen Hang zur Theatralik, wirkt oft genug so, als hätte Kojima das alles geschrieben. Total wirr und voller halbseidenem Shit. Das türkische Militär hat(te?) über Jahrzehnte hinweg einen Deep State installiert, also sowas wie die fucking LaLiLuLeLo und wirkt sowohl als eine Art Säule des atatürkschen Verfassungsstaats als auch als eigene Machtfraktion innerhalb des ganzen Gebildes "Türkei". Es gab in der Türkei in den letzten 50 Jahren mindestens vier Militärputsche, was 'n büschen viel ist für ein NATO-Mitglied, aber auch zeigt, wie oft sich Regierung und Militär in den Haaren haben.

In Südkorea hast du auch eine ähnliche tendenz; da ist das Militär aus naheliegenden Gründen auch sehr stark, du hast wehrdienstlängen wie im alten Sparta und daraufhin natürlich das Phänomen, dass die Armee zu einer Art geschlossenen Veranstaltung wird, in die du auch als Kontrollinstanz nicht mehr wirklich rein kannst. In Deutschland hat man ja derart oft entsprechende Erfahrungen gemacht, dass man da sehr bedacht darauf war, in der Verfassung klarzustellen, wer Koch ist und wer Kellner.

Die türkische Armee ist zudem auch kein Haufen Deppen, sondern wichtiges und geschätztes NATO-Mitglied. Ich kann mir, im gegensatz zum politischen Personal, auch nicht vorstellen, dass die dermaßen auf Drama stehen, dass die einen auf Yukio Mishima machen und "LEEEEEEEEEEROY JEEEEEENKIIIINS"-mäßig da reingehen. Es ergibt wirklich nur als Verzweiflungsaktion Sinn, aber selbst da nicht mal.

Darüberhinaus, wie soll Erdogan sonst einen Militärputsch stoppen? Er hat ja keine Privatarmee, und wenn er einfach sagt, die Polizei soll das machen, wäre das ein Himmelfahrtskommando und quasi Bürgerkrieg. Sowas ähnliches hat er sogar gemacht: Er forderte die Bevölkerung zum Widerstand auf, was mega seltsam ist, weil es so verzweifelt und zynisch wirkt. Aber in den Zentren, in denen das Militär putschte, hat Erdogan gar keine Anhänger; die hätte er in kürzester Zeit aus Anatolien rankarren müssen, wie er es zu Wahlkampfauftritten zu tun pflegt, um sich auch in Metropolen abfeiern lassen zu können.

Man kann zudem nur glauben, was man sieht. Die politische Landschaft lebt von Gerüchten und Mauscheleien, Halbwahrheiten und Legenden; es gibt immer noch diese große Diskrepanz zwischen Land- und Stadbevölkerung etc. Zudem wird nach gutdünken das Internet oder einzelne Dienste ausgeknipst, wo man sich fragen darf, wer _das_ eigentlich macht, und selbst irgendwelche Türkei-Experten von den tagesthemen könnten einem das wahrscheinlich nicht sagen (Irgendein Ministerium von Erdogan, das Militär, sonstwer - es können genausogut Privatleute sein bzw. irgendeine Firma aus der Holding vom Sohn des Telekommunikationsministers und solche Späße; kennt man ja auch von hierzulande). Das härteste war diese Nacht im Radio der Korrespondent oder Claudia Roth, die im Grunde nur am Telefon erzählten, was sie gerade auf CNN sehen. Keiner rafft es. Ähnlich wie die zwei Blitzkriege in Georgien im letzten Jahrzehnt, alle so "WTF?" und dann "Weitergehen, weitergehen..."

Andererseits kann man Politikern zur Zeit auch nicht vorwerfen, dass sie nicht arbeiten für ihr Geld; jetzt mal ungeachtet der Qualität dieser Arbeit haben die sich ihre Sommerferien wohl chilliger vorgestellt.
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