Felix Deutschland  (E-Mail nur eingeloggt Sichtbar) am 12.06.2016 16:21 Uhr
Thema: Re:Seit wann ist es eigentlich Usus... Antwort auf: Seit wann ist es eigentlich Usus... von Don Cosmo
>..., nicht mehr das eigene Team zu unterstützen, sondern nur noch das andere Team auszupfeifen? Die Stimmung im Stadion ist echt komisch.

Das ist schon länger so und je nach Beteiligung der Partien unterschiedlich. Im Vereinsfußball gibt es halt eine stärkere positive Bindung zur Mannschaft, die man unterstützt - Auswahlteams bleiben aufgrund ihrer Natur immer ein wenig ein Abstraktum, da es ja kein "Verein" ist, der an einer Stadt und deren spezifischer Tradition hängt, sondern rein von der Sache her "nur" die besten Fußballer eines Landes aus sicht des jeweiligen Nationaltrainers repräsentiert. Und das ist dann manchen Zuschauern zu wenig. Die Fanschaft besteht ja nicht aus grob den immer selben Leuten, sondern einer amorphen Masse, die alles mögliche in "ihre" Elf hineininterpretieren, und da bleibt dann mangels Historie und "Gemeinsamer" Erlebnisse oft nur Nationalstolz und Nationalchauvinismus. Und da kann man wenig symphatisches dran finden. Wenn man als Kölner die Düsseldorfer auslacht, dann ist das Folklore, wenn man sich gegenseitig die Hymnen kaputtpfeift, ist das schon, erm, Rassismus.

Ich hab jetzt nicht drauf geachtet, wer wen auspfiff, es läuft nur im Hintergrund, aber die türkischen Fans bspw. sind, im Bezug auf die Nationalmannschaft, immer eine eher spezielle Klientel, politisch gesehen. Im Vereinsfußball hingegen sind bestimmte Ultra-Gruppen betont antinationalistisch (Die an sich spinnefeinden Ultragruppen der großen Istanbuler Clubs haben sich bei den Gezi-Protesten geschlossen gegen die Cops gestellt), haben aber widerum für die Nationalmannschaft wenig Sympathien übrig, weil die immer gern von der Politik auch als Zeichen der Stärke in der Fremde rausgestellt wird und so ein Scheiß. In England ist die Fanlandschaft auch sehr fragmentiert; der Clubfußball hat keine Ultra-Kultur mehr und die Asis haben dann die Nationalelf als Ventil auserkoren. Es ist kompliziert.

War irgendwie abzusehen, dass das alles kein Freudenfest wird, aber dass es teilweise so beklemmend ist und negative Stimmungen offenlegt finde ich auch aussergewöhnlich (und bedauernswert). Zeigt aber auch, was mittlerweile alles in dieses verdammte Ballspiel hineingelegt wird, was da eigentlich nichts zu suchen hat. Es wäre wirklich für alle am besten, wenn man sich nur auf den Sport konzentrieren könnte, aber da spielt die Wirklichkeit leider nicht mit. Bedauerlich ist, wie krass die Berichterstattung darin versagt, das zu thematisieren - aber da arbeiten die Sportredationen wahrscheinlich weitestgehend exklusiv dran und entsprechend ist da auch die weltpolitische Kompetenz. Ich hab echt im Strahl gekotzt, als fünf mal durchgekaut wurde, dass da im November über hundert Leute von Terroristen abgeschlachtet wurden, als wäre mir das zwischendurch irgendwie entfallen oder so. Es hilft ja nix, same old, same old...
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